Der rassistische und antisemitische Influencer Capo Chichi alias Kémi Séba ist nun Sonderberater in Niger

Schwarzer Stern im Sahel

Die Junta in Niger hat Stellio Capo Chichi alias Kémi Séba zum »Son­der­­berater« ernannt. Er ist der Gründer einer in Frankreich verbotenen rassistischen und antisemitischen Sekte von Schwarzen und unterhält gute Verbindungen nach Russland.

Stolz veröffentlichte Stellio Capo Chichi alias Kémi Séba (»schwarzer Stern« auf Altägyptisch) am 4. August ein Foto bei X: Darauf zeigt der sich selbst als »Panafrikanist« bezeichnende schwarze Nationalist und Rassist seinen neuen ­Diplomatenpass. Dazu schrieb er: »Als Antwort auf die Entziehung meiner Staatsbürgerschaft durch die französische Regierung: Die Behörden von ­Niger gewähren mir ihren Diplomatenpass.« Die französische Staatsange­hörigkeit war ihm im Juli entzogen worden, nachdem er am 12. März bei einem öffentlichen Auftritt medienwirksam seinen französischen Pass verbrannt hatte. Nun wurde er in Niger zum »Sonderberater« der Junta ernannt, die sich im Juli vorigen Jahres an die Macht geputscht hatte.

Tribu Ka predigte eine Abgrenzung gegen die von der Sekte als »Leukozyten« bezeichneten Weißen. In besonders aggressiver Weise hetzte sie gegen Juden. Die machte Tribu Ka für die Versklavung der Schwarzen seit dem Altertum verantwortlich.

Capo Chichi folgen bei X, Instagram sowie Tiktok jeweils ungefähr 300.000 Accounts und 1,3 Millionen bei Facebook. Er wurde 1981 im ostfranzösischen Straßburg geboren. Seine Eltern stammten aus dem westafrikanischen Küstenstaat Benin. Er machte vor allem in den nuller Jahren auf sich aufmerksam, weil er als Gründer der 2006 verbotenen Sekte »Tribu Ka« auftrat.

Die Sekte vertrat eine Art Rassentheorie, der zufolge es eine alte, zur Herrschaft über die Menschheit bestimmte Rasse der »Kemiten« gegeben habe, die im alten Ägypten die regierenden Dynastien gestellt habe und deren Nachfahren heutzutage ein auserwähltes Volk seien. In Frankreich oder Europa lebenden Afrikanern und deren Abkömmlingen schlug die Gruppierung vor, sie sollten nach Afrika zurückkehren, sobald die Länder des Kontinents ihre vom Neokolonialismus eingeschränkte Souveränität, die Kontrolle über ihre Wirtschaft und ihre Rohstoffe zurückerlangt hätten. Dann gebe es keinen Grund mehr, in Europa zu bleiben und sich mit Bevölkerungen zu vermischen, die nicht afrikanischstämmig sind.

Projekt der Rassensegregation

Tribu Ka predigte eine Abgrenzung gegen die von der Sekte als »Leukozyten« bezeichneten Weißen. In besonders aggressiver Weise hetzte sie gegen Juden. Die machte Tribu Ka für die Versklavung der Schwarzen seit dem Altertum verantwortlich. Die Wortschöpfung »Kemiten« ahmt deutlich den eigentlich eine Sprachengruppe bezeichnenden Begriff Semiten nach.

Zwar sprach der Sektengründer mit der Kritik der bestehenden Wirtschaftsbeziehungen und Formen des Rohstoffraubs reale Probleme an, zugleich war sein eigenes Projekt der Rassensegregation zutiefst reaktionär. Er kooperierte auch mit weißen Neonazis, zum Beispiel im Jahr 2008 bei einer Kundgebung am Saint-Michel-Brunnen in ­Paris »für den Rückzug französischer Truppen aus Afrika und Afghanistan«. Die gewalttätigen Rechtsextremen interessierte dabei vor allem die Aussicht auf eine auch von Schwarzen selbst unterstützte Entmischung der Bevölkerungsgruppen. Auch die Gruppierung von Capo Chichi war durchaus gewaltaffin, er selbst wurde 2008 zu sechs Monaten Haft – davon zwei ohne Bewährung – verurteilt, weil er die 2006 aufgrund eines bedrohlichen Aufmarschs im jüdischen Pariser Viertel Marais verbotene Tribu Ka illegal weitergeführt hatte.

In den zehner Jahren wurde Capo Chichi dann vor allem auf dem afrikanischen Kontinent aktiv, nachdem er sich dort 2011 erstmals – im Senegal – niedergelassen hatte. Anfänglich stieß er dort nur auf geringe Resonanz. Ab etwa 2017 hatte er mehr Erfolg, insbesondere mit lautstarker Kritik am »französischen Neokolonialismus«. Seine Stunde schlug mit den offensiven Bemühungen Russlands, das seit 2016 in mehreren Ländern West- und Zen­tralafrikas vermehrt nach wirtschaftlichem und militärischem Einfluss trachtet und dort vor allem mit Frankreich rivalisiert.

Capo Chichi diente sich den russi­schen Machthabern als willfähriger Unterstützer ihrer Interessen an. 2017 traf er in Moskau mit dem rechtsextremen Propa­gan­disten Aleksandr Dugin zusammen.

Capo Chichi diente sich den russischen Machthabern als willfähriger Unterstützer ihrer Interessen an. Er traf sich 2017 in Moskau mit dem rechtsextremen Propagandisten Aleksandr Dugin und veröffentlichte ein Foto, auf dem beide miteinander posieren; von Präsident Wladimir Putin wurde Capo Chichi damals ebenfalls empfangen.

Einer im März 2023 im Wochenmagazin Jeune Afrique publizierten gemein­samen Recherche mit der Tageszeitung Die Welt und dem Fernsehsender Arte zufolge finanzierte der im August 2023 ums Leben gekommene Gründer der russischen Söldnerfirma Wagner, Jewgenij Prigoschin, Capo Chichi von Oktober 2018 bis Juli 2019 mit 400.000 US-Dollar; sie flossen an die von Capo Chichi gegründete Vereinigung Urgences panafricanistes (panafrikanistische Dringlichkeiten).

Bereits im Mai dieses Jahres wurde Capo Chichi in der nigerianischen Hauptstadt Niamey zu einer Au­dienz beim an die Macht geputschten »Übergangspräsidenten« und Armeegeneral Abdourahamane Tchiani empfangen. Den interessieren neben Chichis Rhetorik gegen die französische Rolle in Afrika wohl vor allem dessen Draht zu den russischen Machthabern.

Zusammenschluss von Niger, Mali und Burkina Faso

Niger hat am Dienstag voriger Woche seine diplomatischen Beziehungen zur Ukraine abgebrochen, wie bereits zwei Tage zuvor die Nachbarrepublik Mali. Seit September sind Niger, Mali und Burkina Faso in dem militärpolitischen Bündnis Allianz der Staaten des Sahel (AES) zusammengeschlossen, das am 6. Juli offiziell in eine Konföderation, also einen Staatenbund umgewandelt wurde.

Hintergrund des Abbruchs der diplomatischen Beziehungen ist die schwere militärische Niederlage der malischen Armee vom 27. Juli im wüstenhaften Nordosten des Landes, in der Nähe der Grenze zu Algerien. Dort hatten Malis Streitkräfte schwere Verluste erlitten, ebenso wie die verbündeten russischen Kombattanten – frühere Wagner-Söldner, die in Staaten wie Libyen, dem Sudan, in der Zentralafrikanischen Republik und eben in Mali mittlerweile als »Afrikakorps« auftreten, das dem russischen Verteidigungsministerium untersteht.

Kurz darauf war die Rede davon, ukrainische Kombattanten hätten die gegen die Militärregierung in Mali gerichteten separatistischen Tuareg unterstützt. Bei deren bewaffneten Kräften seien ukrainische Flaggen gesichtet worden. Mittlerweile hat der ukrainische Militärgeheimdienst HUR verlautbart, Kombattanten in Nordmali gegen die frühere Wagner-Truppe un­terstützt zu haben – ohne dazu nähere Einzelheiten zu nennen.

Ukrainer im Bürgerkriegsland Sudan aktiv

Seit mehreren Monaten scheint indessen gesichert zu sein, dass Ukrainer im Bürgerkriegsland Sudan aktiv wurden, wie die BBC am 15. April berichtete. Demnach geht deren Eingreifen auf ein Treffen zurück zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und dem Militärmachthaber des Sudan, General Abdel Fattah al-Burhan, am 23. September 2023 am Flughafen von Shannon in Irland. Am 19. November hatte Le Monde berichtet, ukrainische Quellen hätten ein Agieren des Landes im Sudan bestätigt. Dabei gehe es hauptsächlich darum, die russischen Söldner, die im Sudan und in der Zentralafrikanischen Republik Goldbergwerke übernommen hatten, von diesen Rohstoffquellen abzuschneiden.

Angespannt ist mittlerweile das Verhältnis der Konföderationsstaaten zu Nigers südlichem Nachbarland Benin. Seit den nach dem Putsch verhängten Sanktionen der westafrikanischen Wirtschaftsorganisation Ecowas gegen die neuen Machthaber in Niger spielte Benin, über dessen Häfen Niger Zugang zum Meer hat, eine Schlüsselrolle beim Wirtschaftsboykott. Wachsende Kräfte in Benin opponieren allerdings gegen den Boykott, da ihre eigenen Handelsinteressen tangiert wurden. Im Mai dieses Jahres spitzte sich die bilaterale Krise zu, da Benin auf seiner Seite die Grenzübergänge über den Niger blockierte.

In den vergangenen Wochen wuchsen die Spannungen zwischen den ebenfalls benachbarten Staaten Burkina Faso und Benin. 

Ende Juni hielten sich mit Thomas Boni Yayi und Nicéphore Soglo zwei Amtsvorgänger des derzeitigen Staatspräsidenten von Benin, Patrice Talon, zu Verhandlungen in Niamey auf. Im Juli schien die Blockade dann aufzubrechen. Am Dienstag vergangener Woche wurde ein neuer Botschafter Benins offiziell in Niamey anerkannt. Parallel dazu wuchsen in den vergangenen Wochen die Spannungen zwischen den ebenfalls benachbarten Staaten Burkina Faso und Benin. Am 11. Juli warf der burkinische Anführer der Militärjunta, Ibrahim Traoré, dem südöstlichen Nachbarland vor, Benin betreibe eine »Destabilisierung« der Regierung in Ouagadougou – zusammen mit der Côte d’Ivoire, die sich seit Jahren in Burkina Faso einmische. Beide Länder hatten unter der französischen Kolonialherrschaft vor 1947 ein einheitliches Territorium gebildet.

Dazu haben anonyme Facebook-Konten Bilder veröffentlicht, die angeblich eine direkt an der Grenze liegende Militärbasis auf dem Territorium von Benin zeigen. Von dort würden, so lautete eine Behauptung der burkinischen Militärregierung, jihadistische Kombattanten mit französischer Unterstützung auf das Staatsgebiet Burkina Fasos geschleust. Der Regierungssprecher Benins, Wilfried Léandre Houngbédji, sagte hingegen, es handele sich um seit 2022 eingerichtete Stützpunkte, deren Zweck darin bestehe, das Eindringen von Jihadisten – die seit Jahren in den Sahel-Staaten aktiv sind – in das südlich angrenzende Küstenland zu verhindern.

Die diplomatische Annäherung Benins an Niger könnte durch solche Vorwürfe aus den Reihen der Konföderation wieder gefährdet werden. Sollte sich das bewahrheiten, dann dürfte die wirtschaftliche Lage im Niger erneut angespannt werden. Propagandasprüche von Capo Chichi dürften es dann kaum richten.