Die Identitäre Bewegung ist mit anderen Rechtsextremen durch Wien marschiert

Sommerliches Kameradentreffen

Die »Identitäre Bewegung Österreich« konnte sich bei ihrer »Sommerdemo« gut in Szene setzen. Vergangene Woche zog die rechtsextreme Organisation unter dem Motto »Remigration« durch die Wiener Innenstadt. Dutzende Gegendemonstranten wurden festgenommen.

Wien. »Die Bullen hier sind ja übelst entspannt«, sagt ein aus Sachsen angereister Teilnehmer der bereits achten »Sommerdemo«, zu der die »Identitäre Bewegung Österreich« (IBÖ) aufgerufen hatte. In der Tat trafen die Rechtsextremen am Samstag auf ihnen gegenüber sehr zaghaft agierende Ordnungskräfte.

Bereits seit Monaten warben die »Identitären« um ihren Anführer Martin Sellner europaweit für eine »Remigrations-Demo« in Wien. Unter großen Transparenten mit dem Schriftzug »The Kids Want Remigration« fanden sich anfangs etwa 300 Personen aus dem In- und Ausland ein. In erster Linie waren Gruppen aus Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen angereist, jedoch auch Aktivisten der Neonazi-Gruppe »Junge Tat« aus der Schweiz, Belgien, Frankreich, Italien, Portugal und der Slowakei.

Mit Regenschirmen ausgestattete Kader wurden Presse- und Antifa-Fotografen zugewiesen, um deren Arbeit zu stören.

Die Demonstration startete am ­Helmut-Zilk-Platz in der Innenstadt, an dem sich auch das Mahnmal gegen Krieg und Faschismus befindet. Der Ablauf war minutiös geplant. Mit Regenschirmen ausgestattete Kader wurden Presse- und Antifa-Fotografen zugewiesen, um deren Arbeit zu stören. Fast jeder Teilnehmer erhielt eine schwarze oder gelbe Fahne, vom Lautsprecherwagen aus wurden Sprechchöre wie ­»Europa, Jugend, Reconquista«, gegen männliche migrantische Jugendliche gerichtet »Talahon go home« oder »Antifa raus« auf die Melodie von »L’amour toujours« geübt.

In der Zwischenzeit sammelten sich unweit der Identitären rund 1.000 Antifaschisten. Als sich die IB-Demonstration lautstark in Bewegung setzte, war deren Teilnehmerzahl auf über 500 angewachsen. Darunter nicht nur sportlich-hippe »Identitäre«, sondern auch Burschenschaftler, Impfgegner, Anhänger des Anti-EU-Bündnisses Öxit und Mitglieder der AfD-Jugendorganisation »Junge Alternative«, die Austria-Wien-Hooligan-Gruppe »Tanzbrigade«, der Leipziger AfD-Kreistagsabgeordnete und Streamer Sebastian Weber – besser bekannt unter dem Pseudonym »Weichreite« – sowie Mitglieder der »Freiheitlichen Jugend« (FJ).

Sichtlich überforderte Polizei

Von der FPÖ-Jugendorganisation waren unter anderem das Wiener Vorstandsmitglied Moritz Greiner sowie der Bezirkspolitiker Jan Staudigl anwesend. Staudigl hatte bei einer FPÖ-Demonstration im März von sich reden gemacht, als er einen Kameramann des Senders Puls 24 anging, weil dieser sich der FJ-Gruppe genähert hatte.

Mit in den Vorfall involviert war Gernot Schmidt. Als ehemaliger Obmann des »Rings Freiheitlicher ­Studenten« und Mitglied der Burschenschaft Olympia widmete sich Schmidt zuletzt immer mehr den Aktivitäten in der IB. Bekannte Politiker der rechtsex­tremen Parlamentspartei sah man hingegen keine, obwohl der FPÖ-Vorsitzende Herbert Kickl die IB bereits vor drei Jahren als »so etwas wie eine NGO von rechts« und »unterstützenswertes Projekt« bezeichnet hatte.

Nach wenigen Hundert Metern war vorerst Schluss, eine Gruppe von 20 Antifaschisten besetzte die Straße. Die sichtlich überforderte Polizei trug die Demonstranten einzeln weg, auf dem Weg zu den Einsatzfahrzeugen bildete sich da bereits ein Spalier von Identitären, welche die Ordnungskräfte nicht zurück zu ihrer Gruppe schickten. Denn nicht nur wegen der Sitzblockaden hatte die Polizei mit einigen Hundert Gegendemonstranten alle Hände voll zu tun. Mit aufblasbaren Krokodilen und Einhörnern versuchten einige, die Polizeiketten zu überwinden und zur Demo der Rechtsextremen zu gelangen, andere warfen Steine und Flaschen.

Jagd auf Antifaschisten

Nach einer Stunde Wartezeit, in der Sellner und Schmidt mit der Polizei verhandelten, machte der Demonstrationszug kehrt und bewegte sich durch kleine Gassen und die Fußgängerzone vorbei an fassungslosen Touristen und Einheimischen. An Entschlossenheit und Lautstärke fehlte es den Demonstranten nicht, wohl aber an der Polizei, die damit beschäftigt war, ­Gegendemonstranten einzukesseln und auf Distanz zu halten. Angekommen am Ort der Abschlusskundgebung, machte eine Gruppe von 50 Rechts­extremen noch Jagd auf Antifaschisten, doch reagierten die Einsatzkräfte hier zügig und stellten sich zwischen die Gruppen.

Sellner ermahnte seine Gefolgschaft regelmäßig, sich an die Auflagen zu halten. Er dankte den Anwesenden in ihren Landessprachen. »Tout pour la France, tutto per l’Italia, tudo para Portugal, alles für Österreich und 99,999 Prozent für Deutschland«, hieß es auch in Anspielung auf die Verurteilung des thüringischen AfD-Politikers Björn Höcke zu einer Geldstrafe, weil er die verbotene SA-Parole »Alles für Deutschland« benutzt hatte. Wegen des Verbots der rechtsextremen Zeitschrift Compact forderte man zudem den Rücktritt der deutschen Innenministerin Nancy Faeser.

Während der Demonstration sagte Sellner, er habe »eine Jugendbewegung« geschaffen. Auf einer öffentlichen Informationsveranstaltung zwei Tage vor der Demonstration ging die freie Journalistin Lina Dahm auf die ­Attraktivität der IB für die jungen, teils minderjährigen Männer ein. Dahm zufolge seien es das gewaltbereite, stereotyp männliche Auftreten sowie das Versprechen, damit Frauen aus dem IB-Umfeld zu beeindrucken, die für viele die Faszination ausmachten.

Identitäre verbuchen Aufmarsch als Erfolg

In Anbetracht der niedrigen Frauenquote in der Szene ist das eine eher unrealistische Erwartung, was auch Erik Ahrens zugibt, der sich den Identitären zuordnet und als Social-Media-Berater hinter dem Erfolg der AfD bei Tiktok steht. »Anstatt Trieben zu folgen, sollten junge Männer also ihr Leben einer größeren Sache widmen«, schreibt Ahrens auf X.

Den Wiener Aufmarsch verbuchten die Identitären als Erfolg. Trotz der ­geringen Teilnehmerzahl war in den sozialen Medien wahrheitswidrig von »Tausenden Patrioten« die Rede. Ein Schweizer Demonstrant resümierte begeistert, dass es sich um »die beste Demo« gehandelt habe, »auf der er je gewesen« sei.

Den Abend ließen die Rechtsextremen im Café Bendl nahe dem Wiener Rathauses ausklingen. Trotz Ankündigungen des Besitzers, keine Anlaufstelle für die IB sein und eine Security-Firma beauftragen zu wollen, fanden sich über 80 Personen in der Kneipe ein, in der Schriftzüge wie »Remigration«, »Linke Knechte jagen« oder »Neger raus« die Toilettenwände zieren. Dutzende Antifaschisten befanden sich zu diesem Zeitpunkt noch in der Gefangenensammelstelle.