Die DFG-VK kritisiert eine geplante Friedensdemonstration in Berlin

Ende des Burgfriedens

Am 3. Oktober soll eine große Friedensdemonstration in Berlin stattfinden, mit Prominenz von Linkspartei, BSW und Gewerkschaften. Doch nun gibt es Kritik aus der Friedensbewegung selbst: Der Aufruf verharmlose das Putin-Regime und die Veranstalter grenzten sich nicht von Verschwörungstheorien ab.

Es sind große Erinnerungen, von denen die deutsche Friedensbewegung lebt. Gegen den Nato-Doppelbeschluss, der die Stationierung mit atomar bestückten Mittelstreckenraketen in Westeuropa vorsah, demonstrierten 1981 etwa 300.000 Menschen im Bonner Hofgarten. Gegen den US-amerikanischen Einmarsch im Irak gingen Anfang 2003 in Berlin eine halbe Million auf die Straße. An diese Tradition möchte nun ein Kreis um den langjährigen Aktivisten Reiner Braun mit einer Großdemonstration am 3. Oktober in Berlin anschließen.

Braun ist seit den achtziger Jahren in der westdeutschen Friedensbewegung aktiv und war unter anderem von 2013 bis 2019 Co-Präsident des Internationalen Friedensbüros (IPB) in Genf. Der Aufruf zu der Demonstration trägt den Titel »Nein zu Krieg und Hochrüstung! Ja zu Frieden und internationaler Solidarität«. Gefordert wird unter anderem: »Keine Waffenlieferungen an die Ukraine, Israel und in alle Welt!«

»Pazifismus statt Putin-Propaganda«

Nach Angaben der Veranstalter hatten Ende August 1.603 Gruppen und Einzelpersonen unterzeichnet. Darunter sind Abgeordnete und Funk­tio­nä­r:in­nen der Linkspartei wie Dietmar Bartsch und Gesine Lötzsch, SPD-Politiker wie Günter Verheugen, Mitglieder der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und des BSW, inklusive der beiden Vorsitzenden Amira Mohamed Ali und Sahra Wagenknecht, sowie Gewerk­schaf­ter:innen, Schau­spie­ler:innen, Aka­de­miker:innen und Friedensgruppen.

Doch an dem Aufruf gibt es auch Kritik, und sie kommt diesmal sogar aus der Friedensbewegung selbst – vom Landesverband Berlin-Brandenburg der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), der wohl ältesten noch bestehende Organisation der deutschen Friedensbewegung. Unter der Überschrift »Pazifismus statt Putin-Propaganda« veröffentlichte die Organisation eine scharfe Kritik an der Demonstration und rief zu eigenen dezentralen Aktionen am 3. Oktober auf.

Die DFG-VK moniert, dass die Organisator:innen der Großdemonstration an keiner Stelle erwähnen, dass Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt. Stattdessen werde Russland ausschließlich als Opfer eines aggressiven Westens dargestellt. 

Die Kritik macht sich an zwei zentralen Punkten fest. Zuerst moniert die DFG-VK, dass die Organisator:innen der Großdemonstration an keiner Stelle erwähnen, dass Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt. Stattdessen werde Russland ausschließlich als Opfer eines aggressiven Westens dargestellt. Toni Schmitz, Sprecher der DFG-VK Berlin-Branden­burg, sagte dazu der Jungle World: »Die Hemmungen, diese Täter-Opfer-Umkehr vorzunehmen, sind in den letzten Monaten mehr und mehr gefallen, weil diese gut mit dem alten Antiamerikanismus in der Friedensbewegung harmoniert.«

Außerdem werde die Demonstration in einer undemokratischen, wenig transparenten Weise von einem kleinen Zirkel vorbereitet, der sich von verschwörungstheoretischen Kreisen, die sich während der Covid-19-Pandemie gebildet haben, nicht nur nicht abgrenze, sondern diese aktiv einbinde.

Mischszene aus »Querdenkern«, Putin-Fans und Verschwörungstheoretikern

Diese Mischszene aus »Querdenkern«, Putin-Fans und Verschwörungstheoretikern ist in den vergangenen Jahren stark angewachsen. Einige wichtige Protagonisten der alten, in den achtziger Jahren entstandenen Friedensbewegung haben in den vergangenen Jahren den Kontakt zu diesem sich selbst als »Neue Friedensbewegung« bezeichnenden Milieu gesucht und für eine Zusammenarbeit plädiert. Schmitz erklärt das so: »Der Friedensbewegung fällt es schwer, sich von diesen Kreisen abzugrenzen, weil Antiamerikanismus und Medienfeindlichkeit geteilte ideologische Grundlagen darstellen und Antisemitismus kein Warnzeichen für die Friedensbewegung ist, sondern gern übersehen wird.«

Die Berliner DFG-VK setzt sich sonst gegen Werbung für die Bundeswehr und für die Unterstützung von Deserteuren ein, auch aus der Ukraine. Auch jetzt will sie nicht vollständig mit der Friedensbewegung brechen, sondern versuchen, kritisch in sie hineinzuwirken. Schmitz erklärt das so: »Wir sind in der Friedensbewegung aktiv geworden, weil das Thema Frieden zu wichtig ist, um es diesen Leuten zu überlassen.« Die Friedensbewegung spiele in der deutschen Öffentlichkeit eine große Rolle. Überlasse man sie Leuten wie den Organisator:innen der Berliner Demonstration, werde sie mit rückschrittlichen Inhalten geflutet.

Vielzahl wütender Mails

Weil die Berlin-Brandenburger Kriegs­dienst­geg­ner:innen selbst »noch in den Spiegel gucken können« wollten, rufen sie dazu auf, am 3. Oktober Leichensäcke vor Orten mit Bezug zur russischen Regierung wie etwa der russischen Botschaft niederzulegen, statt an der Demonstration teilzunehmen. »Wir zitieren damit eine Aktion von Leuten aus St. Petersburg, die so nach Beginn des Krieges dagegen protestiert haben«, so Schmitz »Damit wollen wir auch ein Zeichen der Solidarität mit russischen Kriegsgegner:innen setzen.«

Diese Aktion sei, so gesteht er ein, symbolisch und werde das Regime in Russland wohl nicht beeindrucken. Sie sei aber eine wichtige Intervention in die deutsche Friedensbewegung, die derzeit noch nicht über gewaltfreie Möglichkeiten diskutiere, in Russland den Widerstand gegen den Krieg zu unterstützen.
Bisher gebe es Rückmeldungen aus einer Handvoll Städten, darunter Kiel, Stuttgart und Göttingen, dass sich Menschen an der Aktion beteiligen wollten. Laut Schmitz handele es sich eher um Menschen aus antifaschistischen Kreisen als aus der klassischen Friedensbewegung. Daneben habe man aber auch eine Vielzahl wütender Mails erhalten.

Dennoch ist Schmitz vorsichtig optimistisch. Weil die Friedensbewegung lange nicht durch interne Kritik herausgefordert worden und der Kreis der tonangebenden Aktiven letztlich klein sei, hoffen die Berlin-Brandenburger Anti­mi­litarist:innen, mit ihrer Intervention, Veränderungen auslösen zu können.