Martina Renner, Linkspartei, im Gespräch über Maja T.s Haftbedingungen in Ungarn

»Es gibt Bettwanzen und Kakerlaken«

Deutsche Behörden lieferten Maja T. Ende Juni nach Budapest aus. Dort wird T. vorgeworfen, an einem Überfall auf Rechtsextreme beteiligt gewesen zu sein. Politiker der Linkspartei haben T. im Gefängnis besucht. Die »Jungle World« hat ­Martina Renner, die innenpolitische Sprecherin der Bundestagsgruppe der Linkspartei, über ihre Eindrücke befragt.

Was war Ihr persönlicher Eindruck von der Situation von Maja T. vor Ort in Haft in Ungarn?
Ich habe eine Person getroffen, die zugleich stark und reflektiert, aber auch verletzlich ist. Maja vermisst den Kontakt mit Familie und Freunden und überhaupt den Austausch mit anderen Menschen. In der Haft in Dresden war gemeinsame Zeit mit Mit­gefangenen möglich, in Ungarn nicht. Derzeit ist Maja in der Anstalt isoliert. Maja spricht oft tagelang mit niemandem. Schockierend fand ich die Schilderung, dass die Sozialarbeiterin einen Malkurs anbot, welcher sich dann als Möglichkeit herausstellte, zwei Wochen in der Zelle allein ein Bild mit einem Bleistift abzuzeichnen.

Wie sind die Haftbedingungen?
Derzeit befindet sich Maja 23 Stunden in einer videoüberwachten Einzelzelle, nachts mit Infrarot. Darüber hinaus gibt es eine Stunde Hofgang allein. Jeglicher Kontakt mit Mitgefangenen, Sport und soziale Aktivitäten werden verwehrt. Obwohl Maja sich vegetarisch ernährt, wird immer wieder Essen mit Fleisch vorgesetzt. Obst und Gemüse sind Mangelware. Die hygienischen Bedingungen sind schlecht. Es gibt Bettwanzen und Kakerlaken. Dagegen wird Insektengift versprüht und anschließend musste Maja direkt wieder in die Zelle zurück. Der Behandlung durch das Gefängnispersonal ist besser geworden, jedoch immer noch rüde. Warum Maja in Isolationshaft ist, wird nicht begründet. Dokumente, die man ausgehändigt hat, sind überwiegend auf Ungarisch. Vor und nach ­jedem Besuch finden mehrere Durchsuchungen ­inklusive Entkleiden statt.

Die Verantwortung liegt bei dem Dreieck aus Generalstaatsanwaltschaft Berlin, Landeskriminalamt Sachsen und Generalbundesanwalt.

Wie bewerten Sie die Auslieferung von Maja T. an die ungarischen Behörden?
Es ist beängstigend, dass sich offenbar alle beteiligten Behörden Mühe gegeben haben, Maja möglichst schnell außer Landes zu schaffen, bevor Rechtsmittel greifen konnten. Während italienische Staats­anwäl­t:innen vor dem Hintergrund der ungarischen Verhältnisse in Justiz und Gefängnissen diese substantiell geprüft und dann Auslieferungen verworfen haben, haben deutsche Behörden nichts Besseres zu tun, als das Bundesverfassungsgericht zu brüskieren. Die Verantwortung liegt bei dem Dreieck aus Generalstaatsanwaltschaft Berlin, Landeskriminalamt Sachsen und Generalbundesanwalt. Das Auslieferungsverbot des Bundesverfassungsgerichts hat die jetzt eingetretenen Grundrechtsverletzungen vorausgesehen. Aber den beteiligten Behörden war der Testlauf für die Entmachtung von Karlsruhe (als das Gericht entschied, war Maja T. bereits in Ungarn; Anm. d. Red.) wichtiger als der Rechtsschutz der Betroffenen.

Was muss nun passieren?
Der EU-Haftbefehl setzt die Einhaltung bestimmter Haftbedingungen voraus, die das ungarische Gefängnissystem immer wieder missachtet hat. Im bereits anhängigen Prozess wurde das mit der Zurschaustellung einer italienischen Angeklagten anschaulich bewiesen. Die beteiligten Behörden sind in der Pflicht, den Aufforderungen des Bundesverfassungsgerichtes nachzukommen und – wenn sie dazu in der Lage sind – einen rechtsstaatlichen Prozess gegen Maja in Deutschland durch­zuführen.