29.08.2024
Mit Abschiebungen lässt sich der Islamismus hierzulande nicht bekämpfen

Heiliger Krieg in Solingen

Nach dem Anschlag in Solingen fordern einige Parteien strengere Migrationsgesetze und Abschiebungen selbst in Kriegs- und Krisengebiete. Der Islamismus hierzulande wird dadurch gewiss nicht bekämpft.

Ein Islamist hat auf einem Stadtfest in Solingen am Samstagabend mit einem Messer drei Menschen getötet und acht weitere zum Teil schwer verletzt. Der mutmaßliche Täter ist ein 26jähriger Syrer, der zuletzt in einer Solinger Flüchtlingsunterkunft lebte. Der »Islamische Staat« (IS) hat die Tat für sich reklamiert.

In dessen Erklärung ist unter anderem von »Rache für Muslime in Palästina« die Rede, Antisemitismus gehört demnach zur Tatmotivation. Dass er wohl Einzeltäter war, widerspricht der Bindung an den IS nicht, denn Einzeltäter beziehen sich auf das Netzwerk, ohne formal Mitglied zu sein. Der IS ist schließlich kein eingetragener Verein.

Deutschland Schauplatz jihadistischer Anschläge

Deutschland ist also nach wie vor Schauplatz jihadistischer Anschläge, wie zuletzt auch der für einen Polizisten tödliche islamistische Messeranschlag am 31. Mai in Mannheim gezeigt hat. Im benachbarten Österreich konnte jüngst ein verheerender islamistischer Anschlag auf Besucher:innen von Konzerten Taylor Swifts im Wiener Ernst-Happel-Stadion in letzter Minute vereitelt werden.

Diese Gefährdung ruft die Verfechter der üblichen Patentrezepte auf den Plan, allen voran diejenigen, die die Morde für weitere Einschränkungen der Rechte und des Schutzes von Flüchtlingen zu instrumentalisieren versuchen. Dazu gehört zuvorderst die AfD mit ihren Geistesverwandten in der Mitte der Gesellschaft, der das Massaker weitere Wählerstimmen bei den in drei östlichen Bundesländern anstehenden Landtagswahlen bescheren könnte. Die AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative marschierte bereits am Sonntag mit Parolen wie »Vielfalt tötet« und »Deutschland durch Remigration retten« in Solingen auf.

Aus Reihen der CDU kommen Forderungen, ausgerechnet den Schutz von Flüchtlingen aus Syrien und Afghanistan einzuschränken, also aus Ländern, in denen Menschen ganz besonders brutal verfolgt werden.

Die CDU steht dem kaum nach. Aus ihren Reihen kommen Forderungen, ausgerechnet den Schutz von Flüchtlingen aus Syrien und Afghanistan einzuschränken, also aus Ländern, in denen Menschen ganz besonders brutal verfolgt werden. »Ein konsequentes Vorgehen gegen irreguläre Migration und Islamismus ist daher jetzt der notwendige Kampf zur Verteidigung unserer liberalen Demokratie«, meint etwa der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Mit solcher Demagogie unterschlägt er, dass Flüchtlinge oftmals wegen der Unterdrückung und Verfolgung durch Islamisten ihre Herkunftsländer verlassen haben, also deren Opfer sind. Großenteils sind sie gar keine strenggläubigen Muslime. Viele von ihnen sind säkular oder nichtmuslimisch.

Zum Kampf gegen Islamismus gehört zwingend, dass man seinen Opfern beisteht und ihnen Asyl gewährt, anstatt ihnen die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Ohnehin werden die weitaus meisten und die höchsten Opferzahlen fordernden jihadistischen Anschläge nicht im Westen, sondern in den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens verübt, wobei, global betrachtet, die Opfer der Islamisten vor allem andere Muslime sind. In diesen Regionen gehören Taten zum Alltag, wie sie in Solingen, in Mannheim oder 2016 auf dem Berliner Breitscheidplatz geschahen.

Aus den Augen, aus dem Sinn

Aber auch wenn es sich bei bestimmten Migranten tatsächlich um Islamisten handelt, bieten Abschiebungen keine Lösung. Wenn jetzt gefragt wird, warum eine geplante Abschiebung des jetzt Verhafteten nach Bulgarien in der Vergangenheit nicht zustande kam, so geht dies an der Sache vorbei, denn dann hätte er einen solchen Anschlag eben in Bulgarien begehen können. Das Problem wird so also nicht gelöst, sondern weggeschoben – aus den Augen, aus dem Sinn.

Gerade im Hinblick auf den IS und dessen Zerschlagung wird ein wesentlicher Aspekt meist übersehen. In Deutschland werden nach wie vor Organisationen kriminalisiert, die entscheidenden Anteil an der Zurückdrängung und weitgehenden Zerschlagung des IS im Irak und insbesondere in Nordsyrien hatten: Die Kurdische Arbeiterpartei PKK und ihre Gliederungen.

Ohne sie wäre die Bedrohung auch im Westen um ein Vielfaches größer. Kämpfer:innen der PKK haben im August 2014 Zehntausenden Yeziden im nordirakischen Sinjar-Gebirge das Leben gerettet, wohin sie vor dem genozidalen Terror des IS geflohen waren. In Nordsyrien war es die PYD (Partei der Demokratischen Union), die Schwesterpartei der PKK, welche zusammen mit ihren Verbündeten und mit Luftwaffenunterstützung der USA der Schreckensherrschaft der Islamisten ein Ende gesetzt und ihnen ihre wichtigste Operationsbasis genommen hat.