Matthias Weinzierl, Bündnis »Offen bleiben München«, im Gespräch über Bezahlkarten für Flüchtlinge und wie sie zu umgehen sind

»Die Bezahlkarte ist rechtspopulistische Symbolpolitik«

Vielerorts erhalten Flüchtlinge keine Geldzahlungen mehr, sondern eine Bezahlkarte, mit der sie in Geschäften bezahlen, aber nur wenig Geld bar abheben können. Dieses System soll bald bundesweit eingeführt werden, darauf haben sich die Bundesländer geeinigt. Das Bündnis Offen bleiben München will mit der Aktion »Offen! Für Kartentausch« Flüchtlinge mit Bargeld ausstatten. Die »Jungle World« sprach mit Matthias Weinzierl, der sich ehrenamtlich in dem Bündnis engagiert.

Wie funktioniert die Bezahlkarte für Geflüchtete?
Es ist festgelegt, dass Personen, die die Bezahlkarte erhalten, im Monat nur 50 Euro abheben dürfen. Sie funktioniert also wie eine eingeschränkte EC-Karte, wird aber nicht mal in allen Geschäften als Zahlungsmittel akzeptiert. Was es noch komplizierter macht: Es können auch nicht einfach Überweisungen getätigt werden. Jede Überweisung muss von einer Sachbearbeiterin oder einem Sachbearbeiter freigeschaltet werden. Das ist ein unglaublich bürokratischer Aufwand. Und man kann sich ausmalen, was das bedeutet. Wenn ein Sachbearbeiter einem nicht wohlgesinnt ist, hat man einfach Ärger.

Was kritisieren Sie darüber hinaus an der Bezahlkarte?
Die Bezahlkarte ist unserer Meinung nach eine symbolische, populistische Maßnahme, die das Leben von Geflüchteten verkompliziert. Behauptet wird ja, sie hebele Pull-Faktoren aus. Demnach begeben sich Menschen auf die lebensgefährliche Flucht nach Deutschland, weil sie hier finanzielle Hilfe in bar erhalten. Das halten wir für absoluten Mumpitz. Es ist einfach zynisch, das zu behaupten, denn die finanzielle Unterstützung beläuft sich in der Erstaufnahme für alleinstehende Erwachsene nur auf 134 Euro pro Monat. Das Perfide an der Bezahlkarte ist auch, dass nichts angespart werden darf. Hat man am Ende des Monats noch ­einen Betrag über eine festgelegte Grenze übrig, wird der im nächsten Monat einfach abgezogen.

»Unserer Meinung nach ist die Bezahlkarte auch ein soziales Experiment. Das Konzept wird gerade an einer der politisch schwächsten Gruppen, den Geflüchteten, getestet.«

Wie funktioniert Ihre Aktion »Kartentausch«?
Geflüchtete können in einem Supermarkt einen Gutschein kaufen, der wiederum an einer unserer Tauschstellen gegen Bargeld eingetauscht werden kann. Wir wollen geflüchteten Menschen das Leben ein bisschen erleichtern, denn mit 50 Euro Bargeld im Monat kommt man nicht weit. Vor allem im ländlichen ­Bereich, wo nicht überall Kartenzahlung möglich ist.

Wie entstand die Idee?
Die Idee stammt nicht von uns. Eine Initiative in Hamburg, Café Exil, hat dieses Konzept entwickelt. Wir haben das dann übernommen und freuen uns auch, wenn andere sich dem anschließen.

Verfolgen Sie dabei politische Ziele?
Wie eingangs gesagt, ist die Bezahlkarte unserer Meinung nach rechtspopulistische Symbolpolitik. Unsere Aktion hat natürlich auch etwas Symbolisches. Unser Ansatz ist es nicht, in den Dienstleistungssektor einzusteigen und flächendeckend Menschen Bargeld zu verschaffen. Wir wollen eine Debatte anstoßen. Unserer Meinung nach ist die Bezahlkarte auch ein soziales Experiment. Das Konzept wird gerade an einer der politisch schwächsten Gruppen, den Geflüchteten, getestet. Man kann sich ausmalen, dass das auf andere Bereiche ausgedehnt werden könnte. Warum nicht das Bürgergeld auch über eine Bezahlkarte auszahlen? Der Staat nimmt sich da ja schon einiges heraus. Es ist, glaube ich, sinnvoll, wachsam zu bleiben und ihm etwas entgegenzusetzen.