Der Historiker Andreas Petersen beschreibt, wie die Psychoanalyse in der Sowjetunion verdrängt wurde

Geschlossene Systeme

Der Historiker Andreas Petersen hat untersucht, wie im Ostblock die Psychoanalyse verschwand – und die Psyche gleich mit.

Als Verdrängung bezeichnet Sigmund Freud die Abwehr unangenehmer Inhalte aus dem Bewusstsein. Mit der Verdrängung der Lehre vom Verdrängten in den Staaten des Ostblocks beschäftigt sich der Historiker Andreas Petersen in seiner aufschlussreichen Studie »Der Osten und das ­Unbewusste. Wie Freud im Kollektiv verschwand«. Es war bekanntlich Iwan Pawlows Theorie der konditionalen Reflexe, die in der Sowjetunion seit den dreißiger Jahren alle Ansätze der Tiefenpsychologie ersetzte. Freuds Betrachtung des Innenlebens galten dem Stalinismus als bürgerlich und damit als Nährboden für den Faschismus.

Nicht nur die Wissenschaft vom Unbewussten und den Emotionen, sondern auch die Gefühle an sich galten als verdächtig. Gefühle hatten nur Kleinbürger. Ein System, das das Kollektiv vergötterte, konnte mit der Psyche des Individuums naturgemäß nichts anfangen. Umso interessanter ist es, dass es dennoch verschiedene Versuche gab, Marx und Freud zu verbinden, bevor Letzterer endgültig im Giftschrank der Stalinisten landete.

Eine bedeutende Rolle im Sowjetstaat spielten die Theorien des Psychiaters Aron Salkind, der, wie Petersen schreibt, mit einer »abstrusen Melange aus Psychoanalyse, Energielehren und Leninismus« die Arbeiterschaft zu kurieren versuchte.

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