In Halle will die CDU den ­Verkauf eines linken Zentrums an die Betreiber rückgängig machen

Neue Bündnisse

Der Stadtrat von Halle (Saale) hat in der vergangenen Legislatur­periode beschlossen, die Immobile, in dem sich das linke Zentrum »Reil 78« befindet, an dessen Betreiberverein zu verkaufen. Die CDU will das nun rückgängig machen – offenbar mit Zustimmung der AfD.

»Free Maja – Freiheit für alle Anti­fa­schis­t*innen« steht in großen Buchstaben auf dem Zaun, der das Hausprojekt »Reil 78« in Halle an der Saale umgibt. Die Botschaft ist gut sichtbar für die Autofahrer auf der Paracelsusstraße, einer der meistbefahrenen Strecken der Stadt.

Die Reil 78 entstand Anfang der nuller Jahre durch die Besetzung eines leerstehenden ehemaligen DDR-Kinderheims. Das Projekt ist einer der wichtigsten Treffpunkte für Linke in der Stadt, das jährliche »Reilfest« ist eine feste Institution, gerade für junge Menschen. Fragt man, warum in Halle die Rechtsextremen nicht so dominant sind wie etwa in Hoyerswerda oder Zwickau, ist die Reil 78 wohl Teil der Antwort.

Die Mehrheit, die dem Verkauf zugestimmt hatte, existiert im neuen Stadtrat nicht mehr. Die AfD ist stärkste Kraft geworden, die CDU landete auf Platz zwei, besonders die Grünen und die Linkspartei verloren Sitze.

Um das Projekt langfristig zu sichern, begann der Betreiberverein Kubultuburebell 2019, mit der Stadtverwaltung über den Kauf der Immobilie zu verhandeln. »Wir wollen unabhängig sein von den Wahlentscheidungen in der Stadt«, erklärt das Vereinsmitglied Robin der Jungle World. Im Juni dieses Jahres stimmte der scheidende Stadtrat schließlich dem Verkauf an den Verein zu.

Doch nun will die CDU-Fraktion den Beschluss zurücknehmen. Mit der Kommunalwahl Anfang Juni war eingetreten, was der Betreiberverein wohl befürchtet hatte: Die Mehrheit, die dem Verkauf zugestimmt hatte, existiert im neuen Stadtrat nicht mehr. Die AfD ist stärkste Kraft geworden, die CDU landete auf Platz zwei, besonders die Grünen und die Linkspartei verloren Sitze.

Gleich in der ersten regulären Sitzung des neugewählten Stadtrats Anfang Juli stellte die CDU den Antrag, den Verkaufsbeschluss rückgängig zu machen. Der Mitteldeutschen Zeitung zufolge seien einige CDU-Stadträte der Ansicht, dass der Verkaufspreis von 300.000 Euro zu niedrig gewesen sei, stattdessen hätte es ein offenes Bieterverfahren geben müssen.

Hauptgebäude der Reil 78 dringend sanierungsbedürftig

Dem widersprach allerdings die Stadtverwaltung auf Anfrage der MZ: Der Verkauf sei umfassend abgewägt worden, man stehe auch heute noch dazu. Ein offenes Bieterverfahren habe es nicht gegeben, weil man nicht damit gerechnet habe, einen anderen Käufer zu finden. Auf Betreiben der CDU überprüfte dann das Landesverwaltungsamt den Verkauf – und fand daran nichts zu beanstanden.

Tatsächlich ist schwer vorstellbar, dass sich Inves­toren um die Immobilie reißen würden, die eingekeilt zwischen einer vierspurigen Straße und einer Bahntrasse liegt. Das denkmalgeschützte Hauptgebäude der Reil 78 ist dringend sanierungsbedürftig. Mit dem Kauf verpflichteten sich die Nutzer:innen, das Gebäude innerhalb der nächsten zehn Jahre denkmalschutzgerecht zu sanieren.

Die Kosten allein dafür schätzen sie auf einen niedrigen siebenstelligen Betrag. Das könne man stemmen, zeigt sich Robin vom Betreiberverein überzeugt. Gemeinsam mit dem Mietshäusersyndikat sei ein tragfähiger Plan für die Finanzierung erstellt worden. Das Mietshäusersyndikat hilft Menschen dabei, Immobilen in Kollektiveigentum zu überführen, und vermittelt dafür auch Kredite.

CDU bereit, auf Stimmen der AfD-Fraktion zu bauen

Der Antrag der CDU, den Verkaufs­beschluss aufzuheben, steht am 17. September im Finanzausschuss auf der Tagesordnung. Für eine Mehrheit bräuchte die CDU-Fraktion allerdings die Stimmen der FDP, der Freien Wähler sowie der Liste »Hauptsache Halle« – und der AfD. Bei den anderen Stadtratsvertretern anderer Parteien und Listen ist klar, dass sie den Antrag ablehnen. Direkt nach der Wahl Anfang Juni hatte die CDU gesagt, man müsse sich noch entscheiden, ob man zukünftig mit der AfD zusammenarbeiten könne. Offenbar ist die CDU nun bereit, auf die Stimmen der AfD-Fraktion zu bauen, um politische Ziele zu erreichen.

Sollte der Verkauf rückgängig gemacht werden, würde das nicht automatisch das Ende der Reil 78 bedeuten. Man bleibe weiterhin Mieter mit unbefristetem Mietvertrag, sagt Robin. In dem Fall sei für die Instandhaltung und Sicherheit des Gebäudes die Stadt als Eigentümerin verantwortlich. Auch für den unwahrscheinlichen Fall, dass sich ein Investor für das Haus finde, bleibe der unbefristete Mietvertrag bestehen.

Die CDU-Fraktion möchte neben dem Verkaufsbeschluss noch weitere »personal- und ressourcenintensive Beschlüsse« aus der vergangenen Legislaturperiode zurücknehmen, zum Beispiel die Aufstellung eines Kulturentwicklungsplanes. Das alles sei zu teuer angesichts der angespannten Haushaltslage, meint die CDU zur Begründung.

Allianz von Konservativen und Rechtsextremen

Auch in diesem Punkt wäre die CDU unter anderem auf die Stimmen der AfD angewiesen, denn die Grünen, die Linkspartei und die SPD werden nicht die Rücknahme ihrer eigenen Beschlüsse mittragen. Die AfD hat einen eigenen Antrag eingebracht: Sie will das sogenannte Freiraumkonzept der Stadt aufheben lassen, das die kulturelle Nutzung leerstehender Flächen und Gebäude fördert.

Man wolle den veränderten Wählerwillen berücksichtigen, so der CDU-Stadtrat Christoph Bergner im Stadtrat. Beschlüsse der vorherigen Wahlperiode rückgängig zu machen, sei aus demokratischer Sicht »schwierig«, kritisierte dagegen die grüne Stadträtin Claudia Dalbert.

Sollte es zu einer Allianz von Konservativen und Rechtsextremen gegen den Verkauf der Reil 78 kommen, sieht Robin darin trotz des bestehenden Mietvertrags eine Bedrohung für das Projekt: »Solange wir im Eigentum der Stadt sind, ist das eine Gefährdung.«