Der zweite Prozess zum rassistischen Mord an Samuel Yeboah endete mit einem Freispruch

Freispruch für den Kameraden

Der zweite Prozess zum rassistischen Brandanschlag in Saarlouis 1991 endete mit einem Freispruch. Ein Untersuchungsausschuss im saarländischen Landtag untersucht die damalige Anschlagsserie und die Versäumnisse der Behörden.

Samuel Kofi Yeboah wäre mittlerweile fast 60 Jahre alt. Vor fast 33 Jahre starb er durch einen rassistisch motivierten Brandanschlag. Am Dienstag vergangener Woche endete der zweite Prozess zu dem Fall am Oberlandesgericht Koblenz mit einem Freispruch.

Peter St. war wegen Beihilfe zum Mord an Yeboah und zu 20fachem versuchtem Mord angeklagt, weil er den mutmaßlichen Täter zur Tat angestiftet haben soll. Der Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Saarlouis-Fraulautern ereignete sich in der Nacht zum 19. September 1991. Der aus Ghana stammende Yeboah erlag kurz darauf seinen schweren Verletzungen. Weitere 20 Bewohner:innen und Besucher des Hauses konnten teils schwer verletzt dem Feuer entkommen. Damals wurden die Ermittlungen nach kurzer Zeit eingestellt, die Polizei stufte den Brandanschlag nicht als rassistische Tat ein.

Über 20 Brand- und Bombenanschläge im Saarland aus den neunziger Jahren sind bis heute nicht aufgeklärt.

Die Ermittlungen wurden 2019 wiederaufgenommen, nachdem sich eine Zeugin bei der Polizei gemeldet hatte. Sie sagte aus, sie habe mitbekommen, wie der mutmaßliche Täter sich auf einer Grillparty mit der Tat gebrüstet habe. Es handelte sich um ein langjähriges Mitglied der Saarlouiser Nazi-Szene, Peter Werner S. Er wurde angeklagt und im Oktober 2023 wegen Mordes an Yeboah, zwölffachen versuchten Mordes und besonders schwerer Brandstiftung verurteilt. Er erhielt eine Jugendstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Während des Gerichtsverfahrens war deutlich geworden, dass Peter Werner S. unter dem Einfluss des damaligen lokalen Nazi-Anführers, Peter St., stand, der ihn zu dieser Tat angestachelt haben könnte.

Angriff von Hoyerswerda als Vorbild

Heiko S., seinerzeit ebenfalls ein Nazi, der sich später von der Szene lossagte, berichtete als Zeuge von einem Kneipengespräch wenige Stunden vor dem Brandanschlag. Die drei hätten sich zusammen betrunken – Heiko S., Peter S. und Peter St. Das Gespräch habe sich um die rassistischen Brandanschläge und Pogrome gedreht, die sich damals in Deutschland ereigneten. Nur wenige Tage zuvor hatten Neonazis in Hoyerswerda ein Wohnheim für ausländische Vertragsarbeiter angegriffen, unter anderem mit Molotow-Cocktails. Peter St. soll dann – so die damalige Aussage von Heiko S. – den Satz gesagt haben: »Hier müsste auch mal so etwas passieren oder brennen«.

Peter S. wiederum belastete in seinem Teilgeständnis Heiko S.: die beiden hätten die Tat gemeinsam begangen, Heiko S. habe das Feuer gelegt. Gegen Heiko S. wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, zur Anklage kam es jedoch nicht.

Führungsfigur der Szene

Peter St. wurde im Mai 2023 in Untersuchungshaft genommen und wegen Beihilfe zum Mord angeklagt. Seit Februar 2024 lief der Prozess gegen ihn vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Koblenz. Ob er nun »brennen« oder »passieren« gesagt hat, was damit gemeint gewesen war und ob er dadurch Peter S. motivierte, den Brand zu legen – darum drehte sich das nun zu Ende gegangene Verfahren.

»Es war eine rassistische Tat, durchgeführt von organisierten Nazis, getragen von einer breiten Pogromstimmung und gedeckt von Politik und Behörden.« Sarah Jost, Antifa Saar/Projekt AK

Heiko S. sagte diesmal vor Gericht aus, er erinnere sich nicht an das Wort »brennen«. Die Staatsanwaltschaft und die Vertreter:innen der Nebenklage von neun Überlebenden argumentierten mit dem Kontext, in dem der Satz gefallen war. Der genaue Wortlaut sei nicht das Entscheidende – da es in dem Gespräch um Brandanschläge ging, sei auch »es soll so etwas passieren« eine Aufforderung zur Brandlegung gewesen. Peter St. war damals schon eine Führungsfigur der Szene, Peter Werner S. habe das Feuer gelegt, »um dem Angeklagten zu gefallen«. Der Vorsitzende Richter hielt das für »bloße Spekulation«. Eine »psychische Beihilfe« sei Peter St. nicht nachzuweisen, hieß es in der Urteilsverkündung.

Allerdings wurde im Urteil festgehalten, dass Peter St. nach wie vor eine extrem rassistische Gesinnung habe und bis heute der NS-Ideologie anhänge. Im Gerichtsverfahren wurden rassistische, antisemitische und den Nationalsozialismus verharmlosende Bilder aus dem Besitz des Angeklagten eingeführt, außerdem wurden im Verlauf der Ermittlungen Gespräche abgehört, in denen er sich bei geringsten Anlässen extrem gewaltbereit gegen Migrant:innen und Frauen unter seinen Arbeitskolleg:innen äußerte.

Opfer der deutschen Neunziger: Samuel Kofi Yeboah

Opfer der deutschen Neunziger: Samuel Kofi Yeboah

Bild:
Landespolizeipräsidium Saarland

Sarah Jost von der Antifa Saar/Projekt AK sagte der Jungle World zum Freispruch von Peter St.: »Der Staat versuchte hier, nach über 30 Jahren die juristische Dimension zu verhandeln, nicht die politische Vorbereitung. Dennoch wurde unser Vorwurf bestätigt: Es war eine rassistische Tat, durchgeführt von organisierten Nazis, getragen von einer breiten Pogromstimmung und gedeckt von Politik und Behörden.«

Nicht aufgeklärt sind derweil über 20 weitere Brand- und Bombenanschläge im Saarland aus den neunziger Jahren. Sie richteten sich vor allem gegen Linke und Migranten. Mit diesen Taten befasst sich seit Juni ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss im saarländischen Landtag. Er soll auch die Versäumnisse der Behörden aufklären.