In Österreich will die neue Kleinpartei »Keine von denen« zur Parlamentswahl antreten

Populismus von links

In Österreich will die linke Kleinpartei »Wandel« unter dem Namen »Keine von denen« bei der kommenden Nationalratswahl antreten.

Wien. Als Ideengeber kann wohl Peter Filzmaier gelten. »Am besten man gründet eine Partei mit dem Namen ›Keine von denen da oben!‹ und der Kurzbezeichnung ›Keine‹«, schrieb der Politologe Ende April in der Kronen-Zeitung. Denn »angesichts des Negativimages aller bestehenden Parteien« könnte »eine ausreichende Zahl von Wählern« eine solche Formation die Vierprozenthürde überwinden, die für Wahlen zum österreichischen Nationalrat gilt.

Bei der linken Kleinpartei »Wandel« will man zwar nicht zugeben, von Filzmaier auf die Idee gebracht worden zu sein, doch setzt man sie in die Tat um. Zur Nationalratswahl im September möchte »Wandel« nun als »Keine von denen« – Kurzbezeichnung »Keine« – antreten. Derzeit sammelt man Unterstützungsunterschriften für die Zulassung bei der Wahlbehörde.

»Machen wir uns nichts vor, die meisten Leute lesen keine Parteiprogramme.« Fayad Mulla, Vorsitzender von »Wandel«

Anfang voriger Woche zierten erste Plakate die Straßen Wiens. »Welche Partei ist nicht korrupt?« wird da gefragt. Die Antwort bleibt das in schwarzweiß gehaltene Poster nicht schuldig: »Keine«. Das Programm ist indes überschaubar, mit drei Kernversprechen tritt man an: Ein Viertel der Bezüge von Mandats­träger:innen soll gespendet werden, jegliche weiteren Privatisierungen werden abgelehnt und die Finanzen der Partei sollen offengelegt werden. Auf der Internetseite findet sich noch ein Vier-Punkte-Plan, der für Umverteilung, Klimagerechtigkeit und Basisdemokratie steht. 

»Wir wollen eine Alternative für die Protestwähler:innen sein«, sagt der Parteivorsitzender Fayad Mulla im Gespräch mit der Jungle World. Der 44jährige Oberösterreicher tritt auch als Spitzenkandidat seiner Partei zur Wahl an. Bislang fühlten sich diese hauptsächlich von der rechtsextremen FPÖ abgeholt, obwohl wahrscheinlich nur ein kleiner Teil der Wähler:innenschaft ein gefestigtes rechtsextremes Weltbild habe.

»Einfache Antworten präsentieren«

»Populismus ist nichts per se Schlechtes. Wir müssen Diskurse wieder so führen, dass normale Menschen sie verstehen«, so Mulla weiter. Die Linke müsse »über ihren Schatten springen« und »dort, wo es einfache Antworten gibt, einfache Antworten präsentieren«.

Trete man als »Wandel« an Infoständen auf, erfahre man zwar einigen Zuspruch, doch müsse man sich »viel länger erklären«. Die Partei gewann bei der Nationalratswahl vor fünf Jahren – der ersten, bei der sie bundesweit antrat – immerhin 22.000 Stimmen (knapp 0,5 Prozent), doch dürften es mit dem »100-Schritte-Programm« nicht zwingend mehr werden. »Machen wir uns nichts vor«, reflektiert Mulla, »die meisten Leute lesen keine Parteiprogramme.«

Dabei finden sich im 100-Schritte-Programm einige diskussionswürdige Punkte. Die Forderung zum »Aufbau der ersten Zeppelin-Luftfahrtgesellschaft der Welt« sticht ins Auge, und neben einem schrittweise zu erhöhenden Mindestlohn wird auch ein Höchstlohn gefordert. Auf die Frage der Jungle World »Protest wählen, Sozialismus bekommen?« sagt Mulla trocken und mit einem leichten Schmunzeln: »Das mit dem Sozialismus haben Sie gesagt.«

Täuschung der Wähler:innen?

Fest stehe, dass das Feedback der vergangenen Tage den populistischen Ansatz mit einer Vereinfachung der Inhalte bestätige. »Man hat die Leute schnell auf seiner Seite«, sagt Mulla, der auch im Bereich von Menschenrecht-NGOs aktiv ist. »Keine« sei ein Begriff, mit dem sich viele identifizieren könnten.

Eine Täuschung der Wähler:innen streitet Mulla vehement ab. Diese Vorwürfe kämen vor allem von der Konkurrenz oder »vermeintlich Klügeren«, während das Wahlvolk durchaus den Unterschied zur Abgabe eines ungültigen Stimmzettels erkenne. Liberale und Linke müssten aufhören, so überheblich gegenüber der Bürger:innen zu sein und zu glauben, diese wären »deppert«. Damit hole man niemanden ab, sondern treibe »sie den Rechten in die Hände«.

Dass »Wandel« allein ins Rennen gehen will, liegt auch an gescheiterten Gesprächen mit anderen Parteien. Offenbar wollten weder die sozialdemokratische SPÖ noch die kommunistische KPÖ ein Bündnis eingehen. Die in Wien recht erfolgreiche Partei »Links« schließt sich lieber der Liste der KPÖ an.

Große Schnittmenge mit der KPÖ

Zwar ist auch bei »Wandel« speziell mit der KPÖ die Schnittmenge groß, doch gibt es vor allem in der Außenpolitik erhebliche Differenzen. Während die Kommunistische Partei trotz ihrer Verjüngung immer noch über Parteikader verfügt, die dem Denken des Kalten Kriegs derart verhaftet sind, dass sie mit der russischen Regierung unter Präsident Wladimir Putin sympathisieren, als ob sie noch die Sowjetunion repräsentierte, scheint man bei »Wandel« im 21. Jahrhundert angekommen zu sein. In der Ukraine-Frage weiß man Täter und Opfer zu unterscheiden und ist nicht bereit, die Souveränität des Landes gegen einen Scheinfrieden einzutauschen.

Auch die Kontakte zur Partei DiEM25 des ehemaligen griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis sind mittlerweile Vergangenheit. Ob das mit Varoufakis’ antiisraelischer Radikalisierung seit dem 7. Oktober zu tun hat, ist unklar, doch wird in Gesprächen mit Mitgliedern von »Wandel« deutlich, dass man auch im Hinblick auf den israelisch-palästinensischen Konflikt zu einer differenzierten Betrachtung in der Lage ist.

Dennoch werden von den nicht im Nationalrat vertretenen Parteien bislang der KPÖ sowie der linksliberalen Bierpartei des Rocksängers Dominik Wlazny die größten Chancen auf den Parlamentseinzug eingeräumt. Ob in postfaktischen Zeiten die Taktik von »Wandel« aufgehen wird, ist unklar. In jedem Fall sollten Parteien aus anderen Ländern die Entwicklung des linken Austropopulismus aufmerksam verfolgen. Denn während viele Linke in identitätspolitischen Debatten feststecken, überholen weniger skrupulöse Popu­list:in­nen derweil strammen Schritts von rechts.