Montag, 19.08.2024 / 22:33 Uhr

Schiitische Parteien versuchen erneut Kinderehen im Irak zu legalisieren

Protest in Bagdad gegen Kinderehen, Bildquelle: Desikanoon

Mit der Herabsetzung des Heiratsalters im Irak auf neun Jahre will der Iran seinen Einfluss im Nachbarland ausbauen und Verbündete stärken.

Es ist der dritte Versuch verschiedener schiitischer Politiker, das seit 1959 gültige, sogenannte Personal Status Law zu ändern. Dies setzt das Heiratsalter auf achtzehn Jahre fest, wenn auch häufig wesentlich jüngere Menschen heiraten. Da nun aber Mohammad seine Lieblingsfrau Aisha angeblich im zarten Alter von neun Jahren geehelicht haben und man ihm als gläubiger Muslim nacheifern soll, möchten diese Politiker das legale Heiratsalter auf neun Jahre herabsetzen.

Dieses Alter gilt auch im benachbarten Iran, wo bis zu zwanzig Prozent aller Ehen sogenannte Kinderheiraten sein sollen. Es ist zu vermuten, dass hinter dem erneuten Vorstoß der Iran steht, der, wie schon entsprechende Versuche in der Vergangenheit, im Irak auf breiten Widerstand von Frauen- und Bürgerrechtsgruppen stößt. Ende Juli kam es zu ersten Demonstrationen in Bagdad. Das irakisch-kurdische Medienunternehmen Rudaw berichtete:

»›Wenn ich heute die Heirat von Minderjährigen nicht unter Strafe stelle, wer wird dann die Kinder vor einem perversen Vater schützen? Wer schützt die Töchter vor drogenabhängigen Vätern? Obwohl die Heirat von Minderjährigen heute unter Strafe steht, verkaufen einige Väter ihre Kinder, weil sie drogensüchtig sind‹, kritisiert Zainab Jawad, eine Aktivistin bei dem Protest, gegenüber Rudaw. Das Gesetz mache Frauen ›nur zu einem Werkzeug für Sex und Reproduktion‹, sagte sie.«

Inzwischen hat sich auch der irakische Premierminister eingeschaltet und in Rücksprache mit dem Frauenrat in Bagdad erklärt, man werde den Gesetzesentwurf prüfen, währenddessen die Proteste überall im Land zunehmen:

»Der irakische Premierminister bekräftigte das Engagement der Regierung für die Rechte der Frauen und erklärte, dass ›die Verwirklichung langfristiger wirtschaftlicher und sozialer Reformen und ehrgeiziger Entwicklungspläne von der Stärkung fähiger Frauen abhängt. Wir haben die Frauen durch Gesetze, Rechtsvorschriften und Initiativen unterstützt, die ihren Status verbessern und ihre familiäre und soziale Sicherheit gewährleisten‹, fügte er hinzu. Am Donnerstag fanden in sieben irakischen Provinzen Demonstrationen gegen das umstrittene Gesetz statt.«

Breiter Widerstand

Schon vor zehn Jahren scheiterte ein ähnlicher Vorstoß, doch die jüngste Initiative zeigt, dass einige schiitische Politiker und Parteien immer wieder versuchen werden, das Gesetz zu verändern. Dabei steht der Iran auch in der islamischen Welt mit seinem Heiratsalter weitgehend allein dar. In allen anderen Ländern der Region – mit dem Jemen als Ausnahme ­– sind solche Kinderheiraten verboten, und auch dezidiert islamisch orientierte Organisationen kritisieren sie. So erklärte etwa Islamic Relief in einem für die Frauenrechtsorganisation Girls not Brides verfassten Papier, es gebe zwar im Islam kein Mindestalter, stehe aber Kinderehen generell ablehnend gegenüber.

Noch deutlicher wird die Organisation Musawah:

»Kinderehen, bei denen mindestens ein Ehepartner unter achtzehn Jahre alt ist, schaden der Gesundheit, der Sicherheit, der Bildung, der Beschäftigung und dem allgemeinen Wohlbefinden der Kinder. Sie verewigen Armut, Gewalt und Diskriminierung. Sie hemmen die wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Die Staaten haben die Pflicht, gefährdete Kinder und unsere Gesellschaft vor solchem Schaden zu schützen.«

 

Mittel der Einflussnahme

Dies alles wird jedoch die irakischen Politiker, die so nachdrücklich auf die Nachahmung des iranischen Rechts pochen, wenig beeindrucken. Sie versuchen, Schritt für Schritt ihre Vorstellung von Scharia-konformen Gesetzen durch das irakische Parlament zu bringen. Erst im Frühsommer wurde Homosexualität weiter kriminalisiert, wobei die kurdische Regionalregierung erklärte, derartige Gesetze hätten dort keine Gültigkeit.

Bei all dem steht im Hintergrund das iranische Mullah-Regime, das in ihren Nachbarländern immer mehr Einfluss zu gewinnen versucht. Sollte es Erfolg bezüglich des Gesetzes zum Mindestalter bei Eheschließungen haben, wäre dies nicht nur eine furchtbare Niederlage für alle, die sich im Irak für den Bestand des Personal Status Laws engagieren, sondern auch ein Ansporn für die mit dem Iran verbündete Parteien, Frauen – und Kinder –noch mehr zu entrechten.

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch