Erneut ist der ehemalige ­katalanische Präsident Carles Puigdemont der ­spanischen Polizei entwischt

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Der in Spanien per Haftbefehl gesuchte ehemalige katalanische Präsident Carles Puigdemont ist öffentlich in Barcelona aufgetreten und konnte sich einer Festnahme entziehen. Der von ihm verfochtene Separatismus hat jedoch an Anziehungskraft verloren.

Carles Puigdemont hat es wieder getan. Der frühere katalanische Präsident hat die spanischen Strafverfolgungsbehörden erneut an der Nase herumgeführt, nachdem ihm bereits 2017 eine spektakuläre Flucht gelungen war. Nach einem angekündigten öffentlichen Auftritt am 8. August in Barcelona konnte der per Haftbefehl Gesuchte entkommen.

2017 hatte die katalanische Regionalregierung Generalitat de Catalunya ein Unabhängigkeitsreferendum abgehalten, das das spanische Verfassungsgericht für gesetzwidrig erklärt hatte. Die Regierung entsandte Polizei, Bilder von Wähler:innen gingen um die Welt, die zusammengeschlagen wurden, als sie sich vor Plastikkübel stellten, die als Wahlurnen fungierten. Für die Eskalation verantwortlich gemacht wurde die Generalitat. Einige Minister gingen ins Gefängnis, andere ins Exil.

Puigdemont tauchte aus einer Nebenstraße Barcelonas auf, hielt eine fünfminütige Rede und verschwand. Niemand konnte – oder wollte – ihn finden.

In einer spektakulären Aktion lief Präsident Puigdemont noch einmal durch die nordkatalanische Stadt Girona, wo er von Anhänger:innen gefeiert wurde. Winken, Hände schütteln, dann schnell weiter. Auf der Flucht soll Puigdemont dreimal das Auto gewechselt haben, doch besteht der Verdacht, dass er dabei nicht unerkannt blieb.

Katalanische Polizisten der Mossos d’Esquadra sollen ihm geholfen oder zumindest nicht so genau hingeschaut haben. Dass es Puigdemont gelang, sich über Frankreich nach Belgien abzusetzen, war eine Blamage für die spanische Regierung. Zudem wies die belgische Justiz Auslieferungsanträge stets zurück, auch weil Puigdemont bis vor kurzem Mitglied des EU-Parlaments war. Der 61jährige gilt den Rechten in Spanien weiterhin als Staatsfeind.

Wahlsieg für die Sozialdemokraten

Er versucht, seine rechtsliberalen Partei Junts von Waterloo aus zu lenken und so seinen Einfluss in Katalonien zu erhalten. Zwar entglitt ihm ein Teil des Apparats, doch konnte er durchgehend auf die Unterstützung der Mehrheit in der Partei zählen. Und darüber hinaus auch auf die von anderen Sepa­ratist:in­nen, die ihm seinen Wagemut und die offene Konfrontation mit dem Zentralstaat hoch anrechnen.

Doch nach Jahren, in denen die Forderung nach »nationaler Selbstbestimmung« die politische Auseinandersetzung bestimmte, wurde auch die katalanische Wähler:innenschaft des Themas müde. Bei den Wahlen im Mai konnte sich der sozialdemokratische PSC durchsetzen, die Schwesterpartei des PSOE von Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez. Mit Salvador Illa wurde am 8. August nach 14 Jahren wieder ein Sozialdemokrat vom katalanischen Parlament zum Präsidenten gewählt. Bei der Abstimmung konnte Illa auf die Stimmen der vormals mit Junts paktierenden Mitte-links-Partei Esquerra Republicana de Catalunya sowie die des linken Wahlbündnisses Comuns Sumar zählen.

Die Politologin Paula Míguez von der Universtitat Oberta de Catalunya sieht darin einen Paradigmenwechsel. Die procés genannte Phase, in der linke und rechte Separatistenparteien einen Block bildeten, scheint an ihr Ende gekommen, sagte Míguez der Jungle World, »obwohl sich ein Teil der Bewegung gegen diese Transition sträubt«.

Großer Auftritt war gut vorbereitet

Ein Abgeordneter fehlte bei Salvador Illas Vereidigung: Carles Puigdemont. Er war trotz seines Exils ins Parlament gewählt worden und wollte eigentlich sein Mandat wahrnehmen. Zwar wird er nicht mehr wegen des Vorwurfs des Terrorismus gesucht, der dank eines umstrittenen Amnestiegesetzes fallengelassen worden war, aber weiterhin droht ihm ein Prozess wegen Veruntreuung. Denn für das Referendum sollen auch Steuergelder aufgewendet worden sein. Bei Erscheinen im Parlament wäre es zur Festnahme gekommen.

Doch Puigdemont hatte seinen großen Straßenauftritt offenbar gut vorbereitet. Vor Barcelonas Triumphbogen sammelten sich bereits in den Morgenstunden des 8. August viele seiner Fans und Schaulustige. Was bereits als Gerücht durch die Menschenmenge waberte, bewahrheitete sich. Puigdemont tauchte, begleitet von Personenschützern und seinem Anwalt, aus einer Nebenstraße auf, ging auf die Bühne, hielt eine fünfminütige Rede und verschwand.

»Fehlen demokratischer Normalität aufzeigen«

Zunächst soll er in einem weißen Honda Platz genommen haben, danach verliert sich seine Spur. Niemand konnte – oder wollte – ihn finden. Zwar kam die »Operation Käfig« in Gang, die Polizei kontrollierte zahlreiche Fahrzeuge, doch besteht erneut der Verdacht, dass Angehörige der Mossos d’Esquadra Puigdemont geholfen haben. Zwei Polizisten wurden kurz nach seinem Auftritt festgenommen, befinden sich jedoch wieder auf freiem Fuß.

Míguez vermutet, dass Puigdemont mit seinem Manöver versucht habe, den Konflikt sowie die Repression von Seiten des Staats aufrechtzuerhalten«. Dabei gehe es ihm vor allem darum »das Fehlen demokratischer Normalität aufzuzeigen und damit dem PSOE Druck zu machen«.

Puigdemont meldete sich unterdessen aus Brüssel zurück. Auf X ließ er Medien und Polizeibehörden wissen, dass er »nie willens war«, sich zu stellen oder seine »Festnahme zu erleichtern«. Für ihn sei es »inakzeptabel, aus politischen Gründen verfolgt zu werden«. Doch trotz seines politischen Stunts könnte er seine politische Führungsrolle in Katalonien endgültig verlieren.