Ratschläge zur Bekämpfung von Nacktschnecken in Theorie und Praxis

Das Erdbeerbeet als Todesstreifen

Der milde Winter und ein feuchter Sommer boten ideale Bedingungen für die Ausbreitung von Nacktschnecken. Für Gärtner stellt sich die Frage, wie sie den ungebetenen Fressfeinden ihrer Pflanzen Herr werden können.

Sie kommen! Eine kleine Presseschau in Schlagzeilen aus diesem Juli: Die »schlimmste Mückeninvasion seit Jahren« verkündet die »Hessenschau«, die »Invasion der Horror-Ameisen« die Süddeutsche, Tag 24 hingegen eine »Heuschrecken-Invasion in sächsischer Gartensparte: Kleingärtner völlig verzweifelt«.

Das Hamburger Abendblatt hat andere Sorgen: »Wie die Invasion der Wollhandkrabbe die Kunstszene aufmischt«. Ganz zu schweigen von der Blaukrabbe: »Müssen die Invasion des Killers der Meere stoppen« (Kleine Zeitung). Karlsruhe Insider weiß von einer »Tier-Invasion: Erste Kitas müssen sofort schließen«.

Die fraglichen Tiere sind übrigens Ratten, was offenbar so gruselig ist, dass man in der Überschrift niemanden triggern will. Solcherlei Rücksichtnahme ist anderen fremd: »Oranje-Wahnsinn: Invasion von 100.000 (!) Niederländern« nennt Der Westen Ross und Reiter. Das vielleicht furchterregendste Szenario beschreibt aber der Merkur: »Camper beklagen ›Invasion‹ von jungen Urlaubern aus Deutschland«.

Die »Invasion der Superschnecken« sorgt in Berlin für ein »Bild der Verwüstung in den Beeten«, wobei man sich natürlich fragt, woran der Kollege das vom Rest der Stadt unterscheidet.

Dagegen wirkt die in zahlreichen Medien gleichzeitig attestierte »Schnecken-Invasion« nur halb so wild. Aber, so die WAZ: »So schlimm war es noch nie!«, denn, so die Westfalenpost: »Die gehen an alles.« Wir erleben gerade der Welt zufolge nichts anderes als die »Invasion der Superschnecken«, die »Werthers Gartenbesitzer zur Verzweiflung treibt« (Haller Kreisblatt), »bei Gartenbesitzern in der Altmark für Frust sorgt« (Volksstimme) und die sogar in Berlin für ein »Bild der Verwüstung in den Beeten« sorgen (Taz) – wobei man sich natürlich fragt, woran Kollege Claudius Prößer das vom Rest der Stadt unterscheidet.

Schließlich aber bleibt die alles entscheidende Frage, »was tatsächlich gegen die Schneckenplage hilft« (Die Rheinpfalz), »was 100 % gegen die Schnecken hilft« (Peta) und vor allem natürlich, »was Judith Rakers gegen die Schneckenplage tut« (Berliner Zeitung). Fragen über Fragen!

Wer viel rumkriecht, muss viel fressen

Schnecken sind Weichtiere. Ihre Haut bietet kaum Schutz vor Verdunstung. Auch deshalb schleppen viele Schneckenarten ihr berühmtes Haus mit sich herum, in dem sie für ihr ei­genes Mikroklima sorgen. So können sie auch in trockenerem Milieu bestehen. Nacktschnecken aber fehlt dieser Schutz, sie brauchen daher eine feuchte Umgebung, um aktiv zu sein. Und die gibt es in diesem Jahr reichlich. Für Nacktschnecken sind verregnete Sommer ein Fest.

Sie können sich praktisch täglich frei bewegen, und ihre Eier gedeihen bestens. Es sind derzeit also womöglich gar nicht so außergewöhnlich viele Nacktschnecken unterwegs – es waren in den zurückliegenden Dürrejahren nur außergewöhnlich wenige. Und die mussten sich auf die feuchteren Nachtstunden beschränken, in denen sie sich bewegen konnten, so dass man sie kaum zu Gesicht bekam. Der milde Winter tat vermutlich ein Übriges, weil mehr Schnecken überlebt haben und nun für Nachwuchs sorgen.

Weil gerade nicht nur viele Schnecken vorhanden, sondern diese im dauerfeuchten Wetter auch besonders viel unterwegs sind, sogar am helllichten Tag, haben sie schlicht mehr Hunger. Wer viel rumkriecht, muss viel fressen. Die Auswahl ist groß. Nacktschnecken sind nicht bösartig auf die Gemüse­beete hoffnungsfroher Hobbygärtner versessen, sie fressen halt einfach mehr oder weniger, was ihnen in den Weg kommt. Wobei sie einen guten Salat und ein paar Erdbeerpflänzchen besonders zu schätzen wissen.

Direkter Kampf Gärtner gegen Schnecke

Was also tun gegen die hungrigen Mollusken? »Viktor Orbán im Interview: Mit Angela Merkel wäre es nie zu einer Invasion gekommen« (Die Welt), aber die ist nun einmal schon außer Dienst, also müssen wir den »gefräßigen Schleimern« (WDR) wohl anders beikommen. Die Zahl der Gegenstrategien ist ähnlich Legion wie die der schleimigen Angreifer. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) empfiehlt gleich drei ganze Bücher über Schneckenbekämpfung.

Die archaischste Variante ist der direkte Kampf Gärtner gegen Schnecke. Die Weichtiere werden entzweigeschnitten, mit kochendem Wasser übergossen, mit Schneckenkorn vergiftet, eingesammelt und tiefgefroren oder einfach in den je nach Glaubensbekenntnis Rest-, Wertstoff- oder Biomüll gegeben. In unzähligen Gärten des Landes kriechen nachts Hausfrauen und Öko-Freaks durch die Rabatten, bis an die Zähne bewaffnet mit Hecken- oder Haushaltsscheren, Handschuhen und Plastikbeuteln, ihre Taschenlampen als Suchscheinwerfer, das Erdbeerbeet als Todesstreifen. In Facebook-Gruppen und Internetforen toben nicht weniger brutale Schlachten im Streit um die beste, wirkungsvollste oder wenigstens humanste Tötungsvariante. 

Schneckenkorn ist geächtet, weil eben Gift im Ökosystem und damit womöglich im selbstgezogenen Biosalat. Da könnte man ja gleich in den Supermarkt gehen. Das Zerschneiden ist nicht jedermanns Sache, zumal die Schnecken halt ziemlich schleimen.

Bier entfaltet eine unwiderstehliche Sogwirkung

Der gefühlte Favorit in der populären Schneckenbekämpfung ist die Bierfalle. Das klingt irgendwie nach einem schönen Tod: im Bier ersaufen. Allerdings ist es mit den Schnecken wie mit den Trinkern: Das Bier entfaltet eine unwiderstehliche Sogwirkung und lockt immer noch mehr Konsumenten an, so dass man zum Ballermann der Vorortsiedlung wird, wobei am Ende immer noch genug Schnecken lieber auf Gemüsesmoothies umschwenken.

Das schneckenschonende Einsammeln und Wiederaussetzen an anderer Stelle hat zwar seinen Charme, wenn die andere Stelle die Einfahrt zum Garten des AfD-Ortsvorsitzenden ist. Aber erstens: Da gönnt man den Schnecken doch lieber den Biertod; und zweitens: So richtig funktioniert das natürlich auch nicht.

Einfache Populationsökologie: Jeder Schneckenlebensraum ist im Prinzip ausreichend beschneckt. Setzt man mehr Schnecken dazu, gerät das Gleichgewicht des Schneckens aus den Fugen, und die überschüssigen Tiere wandern ab in weniger überfülltes Terrain. Also am Ende einer Kettenreak­tion wieder in den Garten, in dem sie selbst oder ihre Konkurrenten zuvor abgesammelt wurden. In gewisser Weise folgen Schnecken somit dem Gesetz der Entropie: Am Ende wird sich immer eine ideale Schneckenverteilung einstellen.

In unzähligen Gärten kriechen nachts Hausfrauen und Öko-Freaks durch die Rabatten, bis an die Zähne bewaffnet mit Hecken- oder Haushaltsscheren, Handschuhen und Plastikbeuteln.

Es bleibt also ein niemals endender Kampf, eine Art sehr langsamer und ziemlich schleimiger Kreislauf des Lebens. Deshalb ist es am besten, man beschafft sich Hilfstruppen: Igel, Kröten, Molche, Blindschleichen sind natürliche Verbündete. Wem es gelingt, sie im Garten anzusiedeln, der kann nachts auch mal liegenbleiben und die anderen machen lassen. Wem die natürliche Variante nicht reicht, der kann Laufenten halten. Die sind entzückend, verlangen aber einen entengerechten Garten und verwüsten diesen auf ihre eigene Weise. Entenkacke! Aber einen Tod muss die Schnecke eben sterben.

Erleichterung können Grenzsicherungsanlagen verschaffen. Willkommen in der Festung Garten. Schneckenzäune, Kupferplatten, Salzgürtel, Kaffeesatzfelder, Jauchegräben! Man kann als Schutzgürtel Pflanzen pflanzen, die Schnecken nicht mögen, damit sie nicht vordringen zum eigentlichen Anbauziel, oder man kann Pflanzen pflanzen, die Schnecken besonders mögen, damit sie nicht vordringen zum eigentlichen Anbauziel. Alternativ kann man auch nur noch Gemüsesorten anbauen, nach denen Schnecken keinen Fühler ausstrecken. Rote Beete, Tomaten und Zwiebeln etwa, daraus lässt sich doch auch was Schönes machen. Oder man kapituliert und asphaltiert den Garten.

Am besten aber wäre es, sich mit den Schnecken einfach zu arrangieren. Der Bierschnegel beispielsweise hat nicht nur einen bezaubernden Namen, sondern ist in Deutschland sogar eine vom Aussterben bedrohte Art. Und was für tolle Sachen Nacktschnecken machen! Sie sind Zwitter. Wenn sie schneckig sind, nehmen sie mit Hilfe spezieller Kopftentakel die Schleimspur des begehrten Partners auf und benagen ihn erst am Schwanzende, später am Kopf, geben massenhaft Schleim dabei ab, legen ihre Gonophoren aneinander, stülpen ihr Atrium aus und umschlingen pulsierend mit ihrem Epiphallus den des Partners. Wie scharf das schon klingt! Das ist doch für Hobbygärtner wie -gärtnerin ein viel besserer Plan für die Nacht, als schon wieder mit Schere und Taschenlampe in den Garten zu schleichen.