Auszug aus dem Roman »Birkenschwester«

»Birkenschwester«: Rückwärts zurück

Zwei ungleiche Schwestern, die nur über Gesten und Berührungen miteinander kommunizieren konnten, denn Tully war von Geburt an taubblind. Als die Trauer über ihren Tod Mari zu erdrücken droht, bricht sie mitten im Winter zu einer Wanderung auf. Lässt ihren Mann Felix ebenso zurück wie ihr Handy und das Monster, das nach der Beerdigung der Kleinen plötzlich in der Wohnung wartete. Das erste Kapitel aus dem Roman »Birkenschwester«.
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Es hatte nochmal gefroren, und alles war von weißem Reif überzogen, das Gras, die untersten Zweige der Sträucher – dichter Nebel überall. Über dem einen Feld lag er wie ein ruhiger weißer See, aus dem die Schafe tranken, über dem nächsten nichts, über einem anderen hing er wie ein Schleier zwischen den Köpfen der Kappweiden gespannt, woanders wogte er wie Wasser … Das Wandern in der feuchten Kälte war unangenehm. Und ich musste eine glitschige Baumstammbrücke überqueren. Ich rutschte auf dem Hintern voran, traute meinem Bein nicht. Weiter vorne stakte ein Silberreiher rastlos durchs Wasser, die dünnen weißen Federn wie lange Haarsträhnen auf dem Kopf eines alten Mannes, der sein kahles Haupt damit verschleiern will.
Als ich ein sumpfiges Gebiet mit kahlen Bäumen und Büschen durchquerte, glaubte ich, im vordersten Baum einen großen Vogel zu sehen, aber der Nebel ließ mich zweifeln. Bis er losflog und in meine Richtung kam, so tief flog, dass ich zusammenfuhr. Er stieß ein schwaches Schee-ee aus, ich bekam einen Mordsschreck, stolperte mehr, als dass ich mich duckte. Einige Flügelschläge lang blieb er in der Luft hängen, die Schwingen waren riesig, fast weiß von unten. Auch sein Bauch war blass, wie Rauch. Und das Gesicht! Grellgelbe Augen in dunklen Höhlen in einem gespenstischen Gesicht, auf mich gerichtet. Es dauerte keine Sekunde, und er begriff, was er sah, und machte sich aus der Luft. Ein paar Tropfen landeten in der Unterhose, als er über mich hinwegflog, aber er war wunderschön!

Minutenlang galoppierte mein Herzschlag.

 

Die eigenen Atemwolken, an kalten Tagen manchmal das einzige sichtbare Lebenszeichen weit und breit.

Die papierdünnen Eisschollen auf den Pfützen und die kleine Freude, sie mit der Fußspitze zu zerbrechen.

Die winterlichen Baumskelette, und wie sie manchmal an hagere alte Frauen erinnern, die sich gegenseitig stützen.

Das Gefälle der Felder.

Die Stille und Starre in den Wäldern.

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