Desaster mit Ansage
Es war der Sommer des Jahres 2015. Täglich landeten neue Flüchtlingsboote in Italien und Griechenland, die italienische Regierung flehte vor allem Deutschland an, man brauche eine europäische Lösung für die »Flüchtlingskrise«. Das Land könne sie alleine nicht mehr bewältigen. Die Bundesregierung schenkte den italienischen Hilferufe kein Gehör. Das deutsche Innenministerium verwies stur auf die Verträge von Dublin, die vorsehen, dass Asylsuchende in dem Land, in dem sie ankommen, auch ihren Antrag stellen müssen.
Inzwischen waren, was längst absehbar gewesen war, mehrere Millionen Syrer auf der Flucht, täglich wurden es mehr, während im Irak sich der »Islamische Staat« (IS) etablierte, ohne dass irgendwer ihn groß daran zu hindern versuchte. Deutschland sei, hieß es von Seiten der Bundesregierung, gerne bereit, darüber nachzudenken, einem weiteren Kontingent von sage und schreibe 15 000 Syrern humanitäre Aufnahme zu gewähren.
Längst allerdings war das Dublin-System zusammengebrochen, nur zugestehen mochte man es in Berlin noch nicht. Italienische Behörden weigerten sich nun einfach immer häufiger, Neuankömmlinge zu registrieren. Stattdessen setzte sie sie in Züge gen Norden, österreichische und schweizerische Beamten winkten durch, in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen stiegen die Betroffenen aus der Bahn und stellen ihren Asylantrag.
Als Assad 2013 Giftgas gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen begann und danach nichts geschah, verloren viele die Hoffnung und begannen, nach einem neuen Leben in Europa Ausschau zu halten. Der Sommer 2013 war in vielerlei Hinsicht ein Wendepunkt.
Lange vor der großen »Flüchtlingskrise«, vor Angela Merkels angeblicher Grenzöffnung und deutscher Willkommenskultur, mussten Kommunen in Süddeutschland Turnhallen und andere öffentliche Gebäude in Notunterkünfte für Asylbewerber umwandeln, weil täglich neue Flüchtlinge aus Italien und Griechenland ankamen. Die Mehrzahl von ihnen stammte zunächst aus Syrien, später aus dem Irak.
Wer wollte, hatte schon Jahre zuvor wissen können, dass es zu einem europäischen Desaster kommen würde, sollte die Dublin-Regelung nicht reformiert werden. Weder Italien noch Griechenland, die zwei wichtigsten Hauptankunftsländer, sahen sich noch in der Lage, Hunderttausende aufzunehmen und zu versorgen.
Derweil flohen, die Grenzen waren damals noch weitgehend offen, täglich Hunderte, manchmal gar Tausende aus Syrien in die Türkei, die schon zuvor mehrere Millionen aufgenommen hatte. Die Lager in Syriens Nachbarländern quollen förmlich über, egal ob in Jordanien, dem Nordirak, der Türkei oder dem Libanon. Jahrelang hatten Syrer dort ausgeharrt in der Hoffnung, bald in ihr Land zurückkehren zu können, hatten den Versprechungen der USA und der EU Glauben geschenkt, es gehe um einen Sturz des Diktators Bashar al-Assad, vor dessen brutaler Kriegsführung die Mehrheit geflohen war.