Ermittlungen im ÖVP-Biotop - Petra Hartliebs bissiger Kriminalroman »Freunderlwirtschaft«

Bis sich einer den Kopf am Designerglastisch aufschlägt

Fast wie im richtigen Leben: Petra Hartliebs Kriminalroman »Freunderlwirtschaft« handelt von Ermittlungen gegen einen ebenso glatten wie korrupten österreichischen Bundeskanzler.

Die österreichische Innenpolitik liefert seit jeher reichlich Material für scharfe Parodien und Satiren. 2009 sorgte der Roman »Weiße Nacht« von David Schalko für Aufsehen, der die homoerotische Beziehung zwischen einem politischen Führer und seinem nicht ganz hellen Assistenten schildert.

Stefan Petzner, einstiger Pressesprecher des Rechtspopulis­ten Jörg Haider, meinte, sich in einem der beiden »Lebensmenschen« wiederzuerkennen, und verklagte den Czernin-Verlag, in dem das Buch erschienen war. Das Wiener Landes­gericht für Strafsachen entschied jedoch, dass Schalko in seinem Werk eine von der Realität abstrahierende Auseinandersetzung mit dem Phänomen eines kritiklosen Anhängers einer messianischen Führungsfigur geschaffen habe.

Wie die schillernde Karriere Jörg Haiders hat auch der steile Aufstieg des Jungpolitikers Sebastian Kurz die humoristische Literatur inspiriert. Kurz ist die bürgerliche Version eines Rechtspopulisten.

Ebenso wie die schillernde Karriere Jörg Haiders hat der steile Aufstieg des Jungpolitikers Sebastian Kurz, der gleich zweimal Bundeskanzler der Republik Österreich war – von 2017 bis 2019 und von 2020 bis 2021 –, die humoristische Literatur inspiriert. Kurz ist die bürgerliche Version eines Rechtspopulisten.

Der ehemalige ­Titanic-Redakteur Michael Ziegelwagner knöpfte sich den Typus des geschniegelten Populisten in seinem hochkomischen Roman »Sebastian – Ferien im Kanzleramt« (2018) vor. Darin verwandelt er das Amtsgebäude am Wiener Ballhausplatz in eine Art Kindergarten, in dem der kleine Sebastian als Jahrgangsprimus von den Klassenrowdys Norbert und Herbert drangsaliert wird. »Personen und Handlung des Romans sind frei erfunden«, betonte Ziegelwagner.

Im Jahr 2021 folgte der Roman »Salonfähig« von Elias Hirschl, eine bissige Satire über einen jungen, ­karriereorientierten Mann, der in die skrupellose Welt der österreichischen Politik eintaucht und dabei moralisch immer tiefer sinkt.

Christian Moser-Sollmanns in diesem Jahr erschienener Roman »­Noble Lügen« über ein Gespann aus Kanzler und Spin Doctor ist das jüngste Beispiel einer fiesen österreichischen Gesellschaftssatire mit Bezügen zum »Babyelefanten«, wie Kurz von manchen spöttisch genannt wird.

 

Weiterhin laufen Ermittlungen

Drei Jahre nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz sind viele noch immer sprachlos wegen seiner Rücksichts­losigkeit und der seiner Gefolgschaft. Gegen ihn und seine Verbündeten laufen weiterhin Ermittlungen wegen falscher Zeugenaussage vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss sowie wegen »Bestimmungstäterschaft« in einem Komplex von Untreue, Bestechung und Korruption. Es geht dabei um manipulierte Umfragen, die Kurz zugutekommen sollten, jedoch vom Finanzministerium missbräuchlich finanziert und mit Hilfe von Inseratengeldern im Boulevardblatt Österreich platziert worden sein sollen.

So tauchten zahlreiche bizarre Whatsapp-Nachrichten auf, die sich Kurz und sein damaliger Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, geschrieben hatten. Die Chats geben tiefere Einblicke in den mutmaßlichen Korruptionsskandal rund um den ehemaligen Kanzler und den in diesem Milieu gepflegten Habitus. »Habe echt coole News! Die gesamte Politikforschung im Österreich wird nun zur B. wandern. Damit haben wir Umfragen und Co im besprochenen Sinne:-))«, jubelt Schmid beispielsweise im Chat mit dem Kanzler.

 

Direkt in die Schaltzentrale der Republik gespült

Dass die Affären, in deren Zentrum Kurz und seine Entourage stehen, eben auch Stoff für einen Kriminalroman bieten, beweist die deutsch-­österreichische Autorin Petra Hartlieb mit ihrem gerade erschienen Buch »Freunderlwirtschaft«. Darin porträtiert Hartlieb eine Gruppe aus jungen, extrem ehrgeizigen und miteinander fest verbandelten Neokonservativen, die es direkt in die Schaltzentrale der österreichischen Republik gespült hat.

Im Roman ­treten sie als karikaturhafte, wohlstandsverwahrloste und karrieregeile Gestalten auf. Die Autorin taucht genüsslich ins schnöselige »ÖVP-Biotop«, in dem Politik als höchster Ausdruck von Narzissmus erscheint. Daraus ist ein 400 Seiten dicker Kriminalroman entstanden, der einen auf hohem Niveau bei Laune hält. Kaum hat sich Kommissarin Alma Oberkofler wegen eines sexistischen Kollegen von Linz nach Wien versetzen lassen, bekommt sie es in der Bundeshauptstadt mit einem nicht gerade einfachen Fall zu tun: Ein toter Politiker ist jedenfalls nicht das, was sich die Neu-Wienerin für den Anfang gewünscht hätte.

Tödliches Unglück oder stilsicherer Mord? Der Fall sorgt selbst im skandalerprobten Österreich für einiges Aufsehen. Eine im Dunkeln tappende Kom­­mis­­­sarin macht sich da in der Öffentlichkeit eher schlecht.

Max Langwieser, jung, konservativ, aufstrebend, Landwirtschafts­minister und bester Freund des Kanzlers, hat sich in seiner Penthouse-Wohnung den Kopf an einem Desi­gner­glastisch aufgeschlagen. Tödliches Unglück oder stilsicherer Mord? Der Fall sorgt selbst im skandalerprobten Österreich für einiges Aufsehen. Eine im Dunkeln tappende Kommissarin macht sich da in der Öffentlichkeit eher schlecht. Der Druck auf Oberkofler steigt, die rea­giert mit Kopfweh. Denn leider ist Jessica, die Verlobte des Toten, die als potentielle Zeugin und als dringend Tatverdächtige gilt, unauffindbar. Bei ihren Ermittlungen begegnet die spröde und kompromisslose Kommissarin Oberkofler einem knabenhaften Kanzler, einem russischen Immobilienhai, einer mutigen Journalistin und einem verschrobenen Verfassungsschützer.

Hartlieb schreibt kurz und prägnant, in einer erfrischenden, wenn auch einfachen Sprache. Jedes Kapitel trägt eine eigene Überschrift; viele Geschichten und Rückblenden stehen für sich. Zusammen ergeben sie das Bild eines Milieus junger Politiker in Maßanzügen, die dem Publikum Heimatmärchen erzählen, sich aber als weltgewandte Überflieger verstehen – und sich dabei verzocken.

 

Innenansichten eines Milieus

Der Roman erzählt sowohl aus der Per­spektive der Kommissarin, als auch aus der Sicht von Jessica, die eine bisweilen anstrengende, aber äußerst gelungene Figur ist. Sie liefert die Innenansichten eines Milieus, in dem sich alles um Jobs, Günstlingswirtschaft, Einschüchterung von Kritikern, Interventionen bei Medien und um die Vorliebe für »steuerbare« Frauen dreht. Die – wie es Thomas Schmid in einer seiner Whatsapp-Nachrichten an Sebastian Kurz formulierte – »compliant« (gefügig) und eben »steuerbar« sind, aber niemals in den harten Kern der Clique eindringen.

Petra Hartlieb ist eine akkurate Charakterisierung eines spätestens auf den zweiten Blick ziemlich dubiosen Netzwerks gelungen. Nachrichtenkontrolle, Dauerinszenierung, Slim-Fit-Ästhetik, geschliffene Rhetorik, zur Schau gestellte Jugendlichkeit, routinierte Lässigkeit, redundante Phrasen, Kälte und Kalkül – all das findet sich in ihrer Beschreibung wieder.

Das fiktive, aber erschreckend reale Österreich und die perfektionierte Politmaschinerie, in der die 57jährige Autorin ihre Kommissarin ermitteln lässt, erinnert frappierend an das minutiös durchgeplante und durchgestylte System, das Sebastian Kurz damals groß gemacht hat. Die österreichische Innenpolitik ist seit der Ära Kurz aber nicht nur mehr denn je ein Labor in Sachen Korruption und Machtmissbrauch, sie ist auch von höchstem Unterhaltungswert.


Buchcover

Petra Hartlieb: Freunderlwirtschaft. ­Dumont, Köln 2024, 420 Seiten, 18 Euro