Protest gegen letztlich abgesagte Auftritte der ukrainischen Dritten Sturmbrigade

Brigade für Braune

Nach Protesten wurden geplante Auftritte von Vertretern der aus der Asow-Bewegung hervorgegangenen ukrainischen Dritten Sturmbrigade in Deutschland abgesagt. Auch wenn die Aktivitäten von Rechtsextremen in der Ukraine oft aus fadenscheinigen Motiven skandalisiert werden, war Kritik in diesem Fall mehr als berechtigt.

Echte Frontkämpfer erleben, dazu »Militärhumor« und Geschichten darüber, wie sie »den Feind an den heißesten Fronten zerstört haben«, das versprach die Werbung für die Europa-Tour der ukrainischen Dritten Sturmbrigade dem als »Fans« angesprochenen ­Publikum. Ende Juli waren Veranstaltungen in mehreren Ländern geplant, für die in Berlin wurden Tickets für 20 Euro verkauft. Doch die meisten der Veranstaltungen wurden wenige Tage vorher abgesagt, darunter alle in Deutschland geplanten, in Hamburg, Köln und Berlin. Die Veranstaltungen in ukrainischer Sprache dienten offenbar dem Ziel, im Ausland um Geldspenden und auch um ­Rekruten für die Einheit zu werben.

Es mag verständlich sein, dass man sich in einen Protest, der aus dieser Ecke gutgeheißen wird, nicht einreihen will. Nicht verständlich ist allerdings, dass es Protest in diesem Fall nur aus den üblichen antiukrainischen Kreisen gab.

Zuvor hatten verschiedene Politiker, Medien und Gruppierungen aus dem im weitesten Sinne linken Lager gegen die Auftritte protestiert. Das reichte von Vertretern des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) bis hin zum Bündnis »Rheinmetall entwaffnen« und der Berliner Gruppe Antifa Nord. Letztere hatte zum »antifaschistischen und antimilitaristischen« Gegenprotest gegen den Auftritt der ukrainischen Soldaten in Berlin aufgerufen. Bereits im April 2022 hatte sie eine »antimilitaristische« Kundgebung in Berlin veranstaltet. Nur zwei Monate nach dem Beginn der großangelegten russischen Invasion, während die ukrainische Hauptstadt von der ­russischen Armee eingekreist war, hatte die Gruppe damals unter dem Motto »No War but Class War! Weder Russland noch Nato!« das Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine gefordert.

Es mag verständlich sein, dass man sich in einen Protest, der aus dieser Ecke gutgeheißen wird, nicht einreihen will. Nicht verständlich ist allerdings, dass es Protest in diesem Fall nur aus den üblichen antiukrainischen Kreisen gab oder dass, wie in Berlin, ein Veranstaltungsort, an dem sonst Kulturveranstaltungen und Kunstausstellungen stattfinden, der Dritten Sturmbrigade seine Räume anbot.

Denn bei der handelt es sich nicht um eine gewöhnliche Militäreinheit. Sie wurde unmittelbar nach Beginn des russischen Einmarschs gegründet, als das in die ukrainische Nationalgarde eingegliederte Asow-Regiment in Mariupol eingekesselt und weitestgehend zerstört wurde. Die Dritte Sturmbrigade wird von Andrij Bilezkyj kommandiert, dem ursprünglichen Oberbefehlshaber der 2014 entstandenen Asow-Kampfeinheit.

Selbstgestrickter Mythos der kriegserprobten Asow-Soldaten

Bilezkyj hatte 2016 die rechtsextreme Kleinstpartei Nationales Korps gegründet und erfolglos versucht, den Nimbus der Asow-Kämpfer als Kriegshelden der Kämpfe im Donbass in eine politische Karriere umzuwandeln. Bei den Parlamentswahlen 2019 erhielt eine Wahlkoalition seiner Partei mit anderen rechtsextremen Parteien, darunter Swoboda (Freiheit) und Prawyj Sektor (Rechter Sektor), nur 2,4 Prozent der Stimmen und damit keinen Sitz im Parlament.

Was Bilezkyj aber gelang, war der Aufbau einer rechtsextremen Subkultur, die vom selbstgestrickten Mythos der kriegserprobten Asow-Soldaten zehrte, sich in Jugendgruppen, Kampfsportvereinen, einer sogenannten Bürgerwehr und intellektuellen Zirkeln organisierte und auch international vernetzte, in Deutschland beispielsweise mit der Neonazipartei »Der III. Weg« oder der Identitären ­Bewegung.

Aus diesem Milieu rekrutierten sich nach dem russischen Einmarsch 2022 viele Soldaten der Dritten Sturmbrigade. Das zeigt beispielsweise ein Fall, der ebenfalls im Juli publik wurde: Im Juni hatte ein Soldat der Dritten Sturmbrigade, der offenbar nach einer Verletzung mit seiner Freundin zum Urlaub in die EU einreiste, im Konzentrationslager Auschwitz mit einem T-Shirt einer russischen Neonazi-Band, das ein Zitat zierte, das Adolf Hitler zugeschrieben wird, posiert und das auf seinem Instagram-Account stolz geteilt.

Keineswegs ungefährlich

Dass einige deutsche Medien wie T-Online darüber berichteten, könnte mitentscheidend dafür gewesen sein, dass die Veranstaltungen in Deutschland letztlich abgesagt wurden, auch wenn unklar ist, ob der Soldat dort hatte auftreten sollen. Ein Blick auf sein mittlerweile privat geschaltetes Profil zeigt, dass er seit mindestens 2019 Teil der rechtsextremen Asow-Subkultur und deren paramilitärischer Organisationen war, beispielsweise der sich als Bürgerwehr verstehenden »Nationalen Druschina«.

Auch diese Gruppen waren ähnlich wie die Asow-Partei Nationales Korps nicht so groß und mächtig, wie sie sich in ihrer martialischen Selbstinszenierung ­gaben, aber damit keineswegs ungefährlich, denn in ihnen versammelten sich Kriegsveteranen und gewaltbereite Neonazis. 2018 ­zerstörten zwei Dutzend Mitglieder der besagten Bürgerwehr beispielsweise in einem Wald bei Kiew ein Zeltlager, in dem Roma lebten, vertrieben die Bewohner und streamten das live auf ihrer Facebook-Seite.

Die Dritte Sturmbrigade hat den Ruf dessen, was man »Eliteeinheit« nennt, sie besteht aus motivierten, gut ausgebildeten und – im Gegensatz zum Rest der Armee – oft jungen Soldaten. Um solche für den Fronteinsatz zu gewinnen, ist das Image eines rechtsextremen Männerbunds offenbar nützlich – eine ähnliche Funktion hatte in Russland die Gruppe Wagner

Ja, die Dritte Sturmbrigade ist eine Kampfeinheit und keine politische Partei, ja, sie ist Teil der ukrainischen Armee und in deren Befehlskette ­eingegliedert, und ja, sie rekrutiert zahlreiche unpolitische Soldaten, so dass die meisten, die mittlerweile in ihr kämpfen, nicht aus der Asow-Bewegung kommen. Aber sie tut all das unter dem Label Asow und mit Kommandeuren wie dem Rechtsextremen Bilezkyj.