Die Liste der Probleme im Fußball Rumäniens ist endlos

Die vielen Krisen des rumänischen Fußballs

Fußball in Rumänien, Teil eins: Eine Einführung

Es ist der 19. Mai. Rapid Bukarest gewinnt 2:0 im Heimspiel gegen den Stadtrivalen FCSB Bukarest, das verhasste Ziehkind eines rechtsnationalen, homophoben Immobilienmoguls, der sein Geld mit zwielichtigen Geschäften verdient hat, was mehrere seiner Familienmitglieder ins Gefängnis führte.

Obwohl schon vor Anpfiff klar war, dass der FCSB rumänischer Meister werden würde, sollte man meinen, dass dieser sportliche Erfolg und der Sieg im Derby Euphorie entfachen werde. Aber nein: Die beiden Haupttribünen sind aufgrund von Sanktionen des Rumänischen Fußballverbands für den Einsatz von Pyrotechnik komplett leer.

Die Ultras, die sich über Umwege Karten erschlichen haben, standen in der Ecke der Tribuna 1. Doch fünf Minuten vor Abpfiff haben sie sich geschlossen auf den Weg nach Hause gemacht. Die Situation ist ein Sinnbild für den Zustand des rumänischen Fußballs.

Capo in Untersuchungshaft

Der Capo der Nordkurve Rapids befand sich zu diesem Zeitpunkt in Untersuchungshaft. Die Anklage: versuchte Bildung einer kriminellen Vereinigung. Involviert sein soll auch der Besitzer des Vereins, dem vorgeworfen wird, Tausende Euro an den Capo überwiesen zu haben. Mittlerweile ist besagter Capo zwar wieder auf freiem Fuß, er muss sich jedoch weiterhin vor Gericht verantworten.

Im Rahmen seiner Verhaftung und der folgenden Inhaftierungen 13 weiterer Rapid-Ultras wurden Messer, Schlagstöcke, kiloweise Pyrotechnik sowie Pistolen und Schrotflinten gefunden und als Beweise beschlagnahmt.

Allerdings blieben die Polizeieinsätze nicht auf das Rapid-Umfeld beschränkt: In den darauffolgenden Wochen gab es bei Ultras von Dinamo Bukarest und Steaua Bukarest ebenfalls Hausdurchsuchungen, bei denen halbautomatische Gewehre und ­andere Waffen durch die Polizei sichergestellt wurden. Außerdem wurden einige dieser Ultras ebenfalls verhaftet.

Das Regelwerk der ersten Liga sieht vor, dass nur Vereine in Privatbesitz in der höchsten Spielklasse spielen dürfen. CSA Steaua Bukarest gehört jedoch dem Verteidigungsministerium.

Steaua Bukarest? Der eine oder andere mag sich daran erinnern, dass der Verein auch schon einmal den Europapokal gewonnen hat. 1986 ist das gewesen. Der damals vom Ceaușescu-Regime finanzierte Club ist seitdem tief gefallen und steckt nach einem Zwangsabstieg in den zehner Jahren in der zweiten rumänischen Liga fest. Allerdings nicht wegen mangelnder sportlicher Leistungen; Steaua Bukarest wird seit Jahren regelmäßig Erster in der zweiten Liga, darf jedoch nicht aufsteigen.

Das Regelwerk der ersten Liga sieht vor, dass nur Vereine in Privatbesitz in der höchsten Spielklasse spielen dürfen. CSA Steaua Bukarest gehört jedoch dem Verteidigungsministerium. Die Privatvereinsregel wurde eingeführt, um Einflussnahme aus politischen Kreisen zu vermeiden. In den neunziger Jahren waren Spiele regelmäßig durch bestochene Schiedsrichter entschieden oder es war im Voraus vereinbart worden, welcher Verein zu gewinnen hatte.

FCSB Bukarest, der ungleiche Zwilling von Steaua Bukarest, der aus dem Gerippe des jetzt zur Zweitklassigkeit verdammten Vereins geformt wurde, existiert erst seit 2017. In einem Rechtsstreit um die Namensrechte und die Farben, für die der Patron George Becali anscheinend nie gezahlt hat, setzte sich das Verteidigungsministerium durch.

Das Resultat war der erwähnte Zwangsabstieg von Steaua Bukarest aus finan­ziellen Gründen, während sich FCSB Bukarest neu gründete. Neues Wappen, neuer Name, alter Besitzer. Erst in diesem Jahr fand der Rechtsstreit sein endgültiges Ende. Dass FCSB Bukarest keinen der Erfolge vor 2017 für sich verbuchen kann, nimmt dem Verein jegliche Traditionen, die ihm von den Ultras anderer Vereine sowieso aberkannt werden.

Rapid Bukarest existiert zweimal

Das ist kein Einzelfall: Auch Rapid Bukarest existiert zweimal. Ebenso gibt es zwei Vereine, die für sich beanspruchen, Universitatea Craiova zu sein. Zudem erfinden sich Vereine immer wieder neu, beziehungs­weise es ändert sich einfach der Besitzer und damit die Aufmachung. Ein Beispiel ist da der FC Hermannstadt aus Sibiu (Hermannstadt ist der deutsche Name dieser Stadt), der erst seit 2015 als solcher existiert.

Die Aushöhlung der Identität von älteren Vereinen für die Kapitalin­teressen der Besitzer ist an der Tagesordnung. Poltehnica Iași änderte vor der Saison 2023/2024 das Logo. Einer der beiden Vereine aus Craiova kündigte gar eine Namensänderung an. Der Rubel rollt und viele wollen ein Stück dieses Kuchens.

Doch es gibt nicht nur Besitzer, die ihr Geld vermehren wollen. Die Superliga, die höchste Spielklasse des Landes, verdankt ihren Namen nicht der Qualität der Spiele, sondern schlicht dem Sponsor Superbet, einer Wettfirma. Gleiches gilt für die zweite Spielklasse, die einen anderen Wettanbieter als Hauptsponsor hat und entsprechend derzeit »Liga 2 Casa Pariurilor« heißt. In den Kurven überall im Land wird gewettet, und wenn das Geld der Fans nicht durch den Kauf von Popcorn und Chips im Stadion (was auf Würstchen gewohnte deutsche Fußballfans ungewöhnlich wirkt) minimiert wird, dann durch die verlorene Wette.

Die Ultras der Nationalmannschaft veranstalten politische Demonstrationen für das traditionelle Familienbild, gegen die Pride Parade und zur Rehabilitierung von Kriegsverbrechern der dreißiger und vierziger Jahre.

Zumindest könnte man witzeln, dass Wettanbieter damit zum antifaschistischen Kampf beitragen, denn die Kurven quellen beinahe über vor lauter Neofaschismus. Bei Steaua Bukarest stehen Männer mit Reichsadler auf der Brust und schwenken die Fahne eines verurteilten Kriegsverbrechers. In Constanța werden ­faschistische Dichter und Ideologen rezitiert.

Die Ultras der Nationalmannschaft veranstalten politische Demonstrationen für das traditionelle Familienbild, gegen die Pride Parade und zur aktiven Rehabilitierung von Kriegsverbrechern der dreißiger und vierziger Jahre. Die Ultras und Fans von Rapid Bukarest werden seit Jahrzehnten als »Zigeuner« beschimpft. Und doch können alle Ultras des Landes übereinstimmen, wenn es darum geht, Ungarn und die ungarische Minderheit im Land zu hassen.

Da könnte man meinen, dass die Székler, eine ungarischsprachige Minderheit aus Siebenbürgen, sich vielleicht etwas weniger rechts im Stadion präsentieren, aber nein. So wurde die Militärparade am Nationalfeiertag Rumäniens von der Hauptgruppe des Vereins Sepsi OSK (des einzigen Vereins in der ersten Liga, der eine überwiegend ungarische Anhängerschaft hat) als »Affenparade« bezeichnet, und auf dem Instagram-Account der Gruppe finden sich Zitate und Ausschnitte von ethnonationalistischen ungarischen Dichtern.

 Auch Viktor ­Orbán mischt mit

Dazu gehört auch der Antisemit Albert Wass, der von der ungarischen Regierung Victor Orbáns immer weiter rehabilitiert und mittlerweile wieder in Schulen gelesen wird. Apropos, auch Viktor ­Orbán versucht, durch Sport Einfluss auf die Politik in Rumänien und auf die ungarische Minderheit zu nehmen.

Die Liste der Probleme im rumänischen Fußball ist schier endlos, und in dieser Serie werden sie nach und nach thematisiert werden. Dabei wird ein Blick sowohl auf die Ultras und Hooligans des Landes und die Subkulturen rund um Fußball geworfen als auch auf die strukturellen Probleme des Sports selbst.