Anohni singt in der Zitadelle Spandau, Osha kämpft in der Serie »The Acolyte«

Neue Welten braucht das Land

Popkolumne. Anohni und Osha streiten mit Lichtschwert und Gesang für den Feminismus.

»I need another world … « Während in der Tagespolitik schon wieder die Bürgergeld-Platte aufgelegt wird, erinnerten Anohni und ihre Band The Johnsons im Hinblick auf die jüngste Geschichte an die besondere deutsche Verantwortung. Auf dem großartigen Konzert in der ausverkauften Zitadelle Spandau lobte die Königin der queeren Soulmusik Angela Merkel für ihre Wir-schaffen-das-Phase, warnte eindrücklich vor der drohenden Apokalypse durch die Herrschaft des Patriarchats und beschwor die Kraft universeller Weiblichkeit als einzigen Ausweg aus Schland und Schlamassel.

Auch wenn ein nicht unbedeutender Teil des Publikums aus Berliner Expats bestand, war es doch ein besonderer Moment, als Anohni den Song »It Must Change« intonierte, in dem das Private unbedingt politisch zu lesen ist. Der Wunsch nach einer gesellschaftlichen Transformation war im Innenhof der Renaissance-Festung regelrecht spürbar. Ein Gefühl für Humanität, das vielen aus der sogenannten bürgerlichen Elite abhanden gekommen zu sein scheint. Für jene reicht es wohl, sich am Wochenende im Brecht-Theater berieseln zu lassen.

Die hasserfüllten Kommentare gelten der angeblichen Wokeness der Serie: ein diverser Cast, Feminismus, eine schwarze Hauptdarstellerin und lesbische Hexen, die mit Hilfe der Macht in der Lage sind, Nachwuchs zu zeugen. Nimm dies, Jedi-Patriarchat! Vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis Markus Söder ­seinen Senf dazu abgibt.

Humanismus würde auch so manchem Star-Wars-Fan gut zu Gesicht stehen. Derzeit erfährt nämlich die Disney-Serie »The Acolyte«, die 100 Jahre vor »Episode 1« spielt, ein sogenanntes Review-Bombing. Dabei verabreden sich viele Menschen, oft ohne die Serie überhaupt angeschaut zu haben, negative Rezensionen zu posten. Die hasserfüllten Kommentare gelten der angeblichen Wokeness der Serie: ein diverser Cast, Feminismus, eine schwarze Hauptdarstellerin und lesbische Hexen, die mit Hilfe der Macht in der Lage sind, Nachwuchs zu zeugen. Nimm dies, Jedi-Patriarchat! Vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis Markus Söder ­seinen Senf dazu abgibt.

Doch worum geht’s eigentlich? Osha hat ihre Jedi-Ausbildung abgebrochen und arbeitet als Raumschiffmechanikerin. Doch dann werden Jedi-Meister ermordet, Oshas vermeintlich tote Zwillingsschwester scheint darin verwickelt zu sein.

Spannend an dem Space-Krimi sind jedoch nicht nur die mitreißenden Lichtschwertkämpfe, auch die kritische Betrachtung des Jedi-Ordens überzeugt. Endlich ist die glasklare Trennung von Gut und Böse aufgehoben. Auch wenn es aussichtslos erscheinen mag, dass der x-te Aufguss des Star-Wars-Märchens irgendwas an der Welt da draußen ändern wird, zitieren wir Jedi-Meisterin Anohni: »Hopelessness is a feeling. It’s not a fact.«