Ökonomische Abhängigkeit und Erwerbsarbeit

Unabhängig dank Tauchschein

Tauchlehrerin bei der Bundeswehr - die Kolumnistin träumt von alternativen Karrierewegen.
Kolumne »Schicht im Schacht« Von

Auf den Studi-Partys der neunziger Jahre fragte man zum Auftakt des Smalltalks häufig: »Und, was studierst du so?« Weil ich schon damals keine Lust auf Gespräche über Politikwissenschaft hatte, antwortet ich meistens: »Nix. Ich bin Tauchlehrerin bei der Bundeswehr.« Mit der Zeit schmückte ich meine Geschichte als Ausbilderin für Kampf- und Minentaucher blumig aus und gab sie zum Besten, ohne eine Miene zu verziehen. Selbstverständlich war mein Gegenüber stets schockiert und fasziniert zugleich. Eine tolle Zeit!

Heute fragt mich niemand mehr nach meinem Studium, geschweige denn nach meinem Beruf. Die Frage müsste ohnehin vielleicht auch eher lauten: Wovon lebst du? Die Mehrheit der Menschen in Deutschland lebt nämlich von Lohnarbeit. Das zeigen jüngste Zahlen des Statistischen Bundesamts.

Aber schauen wir mal genauer hin: Während 83 Prozent Männer im Alter von 25 bis 64 Jahren ihren Lebensunterhalt überwiegend aus eigener Erwerbsarbeit finanzieren, sind es nur 69 Prozent der Frauen. Das bedeutet, dass noch immer fast ein Drittel der Frauen im fraglichen Alter von ihren Familien, Lebenspartner:innen oder staatlichen Hilfen abhängig ist.

Vielleicht wäre ich als Bundeswehrtaucherin (2.320 bis 3.873 Euro netto) besser weggekommen als in einem Beruf, der auf ein Politikstudium eben so folgt.

Noch ärger wird es, wenn man sich die Frauen mit Migrationsgeschichte ansieht. Das Statistische Bundesamt hat dabei Menschen befragt, die seit dem Jahr 1950 nach Deutschland eingewandert sind. Kaum mehr als die Hälfte (55 Prozent) der Frauen dieser Gruppe gab die eigene Erwerbstätigkeit als überwiegende Quelle des Lebensunterhalts an. Bei in Deutschland geborenen Frauen, deren Eltern einge­wandert waren, waren es 67 Prozent, bei Frauen ohne Einwanderungsgeschichte 74 Prozent.

Und auch wenn jüngere Frauen ökonomisch unabhängiger sind als ältere, sind quer durch alle Generationen und Schichten deutlich mehr Frauen von Unterstützung durch Angehörige abhängig als Männer. Dabei haben sich die Anteile von Frauen und Männern an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen seit den neunziger Jahren ständig angenähert. Im Jahr 2002 lag der Frauenanteil an den Erwerbs­tätigen bei 44,6 Prozent und stieg bis zum Jahr 2022 auf 46,8 Prozent an. Aber Erwerbsarbeit ist an sich kein Garant für ein unabhängiges Leben mehr.

Vielleicht wäre ich als Bundeswehrtaucherin (2.320 bis 3.873 Euro netto) besser weggekommen als in einem Beruf, der auf ein Politikstudium eben so folgt. Ob man vom Arbeitsentgelt allein leben kann, ist dabei nur das eine. Auf Alters­armut steuern nämlich sehr viele zu – nicht nur die, die Politikwissenschaft studiert haben.