»Nicht ins Fegefeuer«
Die fingierte Meldung wirkt so überzeugend, dass sie selbst der Kirche gefallen könnte. Haben Sie sich Keuschi markenrechtlich schützen lassen, um einer feindlichen Übernahme vorzubeugen?
Nein, das habe ich nicht. Ich habe allerdings schon einen Keuschi-Twitter-Account und eine Facebook-Seite gesehen. Ich bezweifle aber, dass die Kirche dahinter steckt.
Weshalb haben Sie Keuschi in die Welt gesetzt?
Mit Keuschi wollte ich in erster Linie satirisch darstellen, wie sehr die katholische Kirche vor allem in Österreich der Zeit hinterherhinkt. Bei Themen wie vorehelichem Sex, gleichgeschlechtlicher Ehe oder auch dem Priesteramt für Frauen vertritt die Kirche Ansichten, die dem gesellschaftlichen Konsens nicht mehr entsprechen. Das ist auch einer der Gründe, warum die Keuschi-Geschichte so oft geglaubt wurde: Man ist mittlerweile gewohnt, dass die Kirche verzweifelt versucht, ihre Schäfchen wieder zurück auf den richtigen Pfad zu führen.
Kardinal Schönborn hat sich auf Twitter ja auch bei Ihnen für die Anregung bedankt.
Die Erzdiözese Wien hat den Keuschi-Artikel mit Humor aufgenommen. Sie hat eine PR-Abteilung, die weiß, wie man mit solchen Situationen umzugehen hat. Sie haben mich jedenfalls nicht ins Fegefeuer verdammt. Einige katholische Blogs merkten an, es stimme eher nachdenklich, wenn so viele Menschen der Kirche eine solche Kampagne zutrauten.
Viele Leser haben die Meldung für wahr gehalten. Ist die Realität mittlerweile derart grotesk, dass man sie gar nicht mehr satirisch überzeichnen kann?
Eher im Gegenteil. Satire lebt von der Groteske. Dadurch wirkt sie glaubwürdiger, was sie wiederum lustiger macht.
Im September finden in Österreich Nationalratswahlen statt. Wird Die Tagespresse in den Wahlkampf eingreifen?
Die Tagespresse wird den Wahlkampf mit besonderer Aufmerksamkeit beobachten. Da geht’s ja bei uns immer besonders grotesk zu, das wird lustig.