Hamas, ahoi!
Die Gaza-Geberkonferenz, die Anfang März in Kairo tagte, sicherte den Palästinensern dreieinhalb Milliarden Euro zu. Das sind rein rechnerisch etwa 2 500 Euro für jeden Einwohner des Gaza-Streifens. Das Geld zu verteilen, ist die Aufgabe der palästinensischen Autonomiebehörde.
Auch deutsche Organisationen wollen ihren Beitrag für Gaza leisten. Sie wollen unter dem Motto »Free Gaza« im April ein Schiff mit Hilfslieferungen von einem europäischen Hafen aus in das palästinensische Autonomiegebiet entsenden. Im Aufruf des deutschen Ablegers der internationalen Kampagne ist von der »Besatzungsmacht Israel« die Rede, die die Genfer Konventionen missachte und für eine »Kollektivbestrafung der Zivilbevölkerung« sorge. Der »Strangulation und dem Aushungern einer Bevölkerung von 1,5 Millionen Menschen« wolle man mit dem Hilfsgütertransport entgegenwirken. Dafür müsse »die israelische Blockade durchbrochen werden«.
Andere deutsche Initiativen und Vereine haben bereits ähnliche Transporte organisiert, beispielsweise der Verein Najdeh, der von Heilbronn aus mehrere Tonnen Lebensmittel in den Gaza-Streifen schaffte. Najdeh hatte sich zuvor mit den ägyptischen Behörden koordiniert, um einen problemlosen Transport gewährleisten zu können. Die ägyptische Botschaft in Berlin sicherte zu, dass die Lebensmittel über die ägyptisch-palästinensische Grenze in den Gaza-Streifen gelassen wurden.
Wem es um die materielle Hilfe geht, der muss also nicht unbedingt die israelische Blockade durchbrechen. Für größeres Aufsehen und ein deutlicheres Statement sorgt selbstverständlich die Ankündigung, sich mit einem Schiff in die von Israel überwachte »Sondersicherheitszone« zu wagen, wie es bereits im vergangenen Sommer eine Gruppe mit dem Namen »Free Gaza Movement« tat (Jungle World 31/08).
Den Spendenaufruf für das Projekt unterzeichnete unter anderem George Rashmawi, ein Vertreter der Deutsch-Palästinensischen Gemeinde, die als Mitinitiatorin auftritt. Rashmawi ist Mitbegründer des International Solidarity Movement, in dessen früherem Mission Statement vom »legitimen bewaffneten Kampf« der Palästinenser geschwärmt wurde. In einem Interview mit dem Neuen Deutschland antwortete Rashmawi im Januar auf die Frage nach den Motiven der israelischen Offensive, es gehe darum, den Widerstandswillen des »palästinensischen Volkes« zu brechen: »Sie wollen die Hamas als Partei und als militärische Kraft schwächen, aber das werden sie nicht schaffen, denn das gesamte palästinensische Volk stellt sich hinter den militärischen Widerstand.« Die Spaltung der Palästinenser und der Machtkampf zwischen der Hamas und der Fatah müssen dem Mann entgangen sein.
Wiltrud Rösch-Metzler, die den Spendenaufruf für die deutsche Sektion von Pax Christi unterzeichnete, echauffierte sich in einer Stellungnahme der »katholischen Friedensbewegung« über die »Besatzungsmacht« Israel und äußerte ihr Unverständnis darüber, dass palästinensische Terrorattentate anders bewertet würden als israelische Militäraktionen: »Pax Christi kritisiert die doppelten Standards in der Argumentation von Steinmeier für militärische Gewalt und die Parteinahme für die Gewalt einer Seite: Während Luftangriffe der Besatzungsmacht als Recht auf Selbstverteidigung eingestuft werden, wird die Gewalt der um Freiheit ringenden Palästinenser verurteilt.« Gegenüber der Jungle World wollte sich Pax Christi nicht äußern.
In der Liste der Unterstützer finden sich auch Norman Paech und Rolf Verleger, friedensbewegte Bischöfe, Gewerkschafter und Attac-Mitglieder. Nichts Besonderes, wäre da nicht auch Wolfgang Thierse (SPD) zu finden. Der Vizepräsident des Bundestags, gemeinsam mit erklärten Feinden Israels auf der Unterstützerliste einer Kampagne, die zu zivilem Ungehorsam gegenüber der israelischen Armee aufruft – seine Mitarbeiter waren gegenüber der Jungle World kurzfristig zu keiner offiziellen Stellungnahme bereit. Man müsse die Vorgänge zunächst »prüfen«, hieß es bei einer telefonischen Anfrage.
Unterdessen hatte ein von England aus gestarteter Fahrzeugkonvoi, für den auf der deutschen Homepage von »Free Gaza« geworben wird, mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Im »Viva-Palestine«-Konvoi gab es nämlich Bestrebungen, die islamische Sharia einzuführen. Trotz allem erreichte die Reisegruppe Anfang März ihr Ziel im Nahen Osten. Vorige Woche überreichte George Galloway, Abgeordneter des britischen Unterhauses und Anführer des Konvois, zum krönenden Abschluss der Reise 25 000 britische Pfund in bar an Ismail Hanijo, den Anführer der Hamas. So entpuppte sich die propagierte »Solidarität« mit den Palästinensern als unmittelbare Hilfe für die Islamisten.