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Auf nach Brüssel!

Türkei. Von einem der »wichtigsten Schritte, die die Türkei auf ihrem Weg zu einer zeitgemäßeren Gesellschaft getan hat«, sprach Justizminister Cemil Cicek vergangene Woche, nachdem das türkische Parlament einigen von der EU geforderten Reformen zum Schutz der Menschenrechte zugestimmt hatte. Insbesondere die Armeeführung hatte die Maßnahmen, die vor allem der kurdischen Minderheit zugute kommen, mit der Begründung bekämpft, sie könnten die nationale Sicherheit gefährden.

Auf dem EU-Gipfel in Thessaloniki berichtete Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan am vergangenen Freitag von den Bemühungen seiner Regierung und hofft nun, bereits im nächsten Jahr Beitrittsgespräche mit der Union aufnehmen zu können. Die Reformen sehen unter anderem das Recht auf Rundfunksendungen in kurdischer Sprache und die Liberalisierung des Pressegesetzes vor. Gestrichen wurde auch ein Gesetz, das eine dreijährige Haft für Äußerungen zu Gunsten kurdischer Separatisten vorsah. Die Regierung will alle von der EU geforderten Reformen bis Ende des Jahres durchführen.

Auf in die Nato!

Serbien und Montenegro. Es ist noch nicht lange her, da bombardierten Nato-Kampfjets die jugoslawische Hauptstadt. Mittlerweile haben sich die Fronten verändert, und vier Jahre später fürchtet die Regierung in Belgrad offenbar das eigene Militär mehr als die amerikanischen Flugzeugträger. In der vergangenen Woche hat der Nachfolgestaat Jugoslawiens, Serbien und Montenegro, offiziell die Aufnahme in das Nato-Programm Partnerschaft für den Frieden beantragt, das als Voraussetzung für den Beitritt zur Allianz gilt. Eine Mitgliedschaft Serbiens und Montenegros würde zur Fortsetzung der »gesellschaftlichen Reformen« im Land und insbesondere zu einer »demokratischen Kontrolle der Streitkräfte« beitragen, begründete die Regierung ihren Antrag.

Waffen für die Welt

Spanien. Nach einer in der vergangenen Woche veröffentlichten Untersuchung der Autonomen Universität von Barcelona haben sich die spanischen Rüstungsexporte im vergangenen Jahr um 30 Prozent erhöht. Allein im ersten Halbjahr 2002 hat das Land Waffen im Wert von rund 188 Millionen Euro ausgeführt. In dem Bericht wird hervorgehoben, dass ein Großteil in Länder wie die Philippinen, Nepal, Pakistan und Sri Lanka verkauft wurde. Auch zahlreiche Staaten des Nahen Ostens haben Rüstungsgeschäfte mit Spanien vereinbart. Ebenfalls brisant sind Vereinbarungen mit den USA, die eine enge Militärkooperation mit Kolumbien und Venezuela unterhalten. Spanische Rüstungsgüter wurden demnach von den USA weiter nach Lateinamerika exportiert.

Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International kritisierten, die Rüstungsverträge verstießen gegen den EU-Exportkodex und die Liste von »zulässigen Bestimmungsorten«.

No Holocaust

Rumänien. Bei vielen Historikern gilt Rumänien während des zweiten Weltkriegs als ein besonders treuer Verbündeter der Nazis. So organisierte der rumänische Diktator Ion Antonescu die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung nicht erst auf Anweisung aus Berlin, sondern in Eigenregie.

Die Regierung in Bukarest präsentiert nun eine völlig neue Interpretation der Vergangenheit. In der vergangenen Woche veröffentlichte sie eine Erklärung, in der es unter anderem heißt: »Die Regierung Rumäniens fördert die Forschung zum Phänomen des Holocaust in Europa (…), unterstreicht jedoch, dass in den Grenzen Rumäniens von 1940 bis 1995 kein Holocaust stattgefunden hat.«

Von den rund 760 000 Juden, die vor dem zweiten Weltkrieg in Rumänien lebten, wurde mehr als die Hälfte ermordet. Die faschistischen Eisernen Garden waren daran ebenso beteiligt wie die rumänische Armee. Antonescu wird in Rumänien noch heute von vielen als Nationalheld verehrt.

Noch mehr Klagen

Belgien. Damit hat man in Brüssel wohl kaum gerechnet. Nachdem bereits zahlreiche ausländische Politiker nach dem umstrittenen belgischen Kriegsverbrechergesetz angeklagt wurden, ist nun zum ersten Mal ein Mitglied der belgischen Regierung beschuldigt. Weil Außenminister Louis Michel im vergangenen Jahr einem Rüstungsgeschäft mit Nepal zugestimmt hat, wird er nun der Mittäterschaft bei Menschenrechtsverletzungen der nepalesischen Streitkräfte beschuldigt.

»Das Gesetz sagt, dass jede Kollaboration mit diesen Verbrechen selbst ein Verbrechen ist«, begründete Ben Weyts, Sprecher der oppositionellen Neu-Flämischen Allianz, die Klage. Während des Irakkrieges profilierte sich Michel neben dem französischen Präsidenten Jacques Chirac als einer der schärfsten Kritiker der US-Politik. In der vergangenen Woche hatte die belgische Regierung allerdings auf Druck der USA angekündigt, die Anklageerhebung nach dem Kriegsverbrechergesetz zu erschweren. Das könnte jetzt auch dem eigenen Außenminister gelegen kommen.