Revisionsprozesse in Göteburg

Im Zweifel für den Staatsanwalt

Wer beim EU-Gipfel in Göteborg verhaftet wurde, hat Pech gehabt. Was mit den Gefangenen in Schweden geschieht, scheint auch die Globalisierungsgegner nur wenig zu interessieren. Ihre Aufmerksamkeit ist auf die Ereignisse in Genua und die Folgen gerichtet.

Björn B., einen Mitarbeiter der Jungle World, hat es in der Berufungsverhandlung in Schweden hart getroffen. Er ist am vergangenen Mittwoch in Göteborg wegen Steinwürfen und versuchter schwerer Körperverletzung zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. B. war am Tag nach den gewalttätigen Demonstrationen Mitte Juni in Göteborg auf dem Weg in sein Hotel festgenommen worden. Im ersten Prozess Ende Juli lautete das Urteil noch auf 15 Monate Haft. Dagegen hatte Staatsanwalt Carl Bergström Revision eingelegt.

Während des Prozesses legte er neue Beweismittel vor, die belegen sollten, dass sich B. an schweren Ausschreitungen beteiligt und auf das Schutzschild eines Polizisten mit einer Eisenstange eingeschlagen hat. Bergström präsentierte als Beweis einen Zusammenschnitt aus Fernsehberichten und Polizeivideos.

Die Vorsitzende Richterin Gunnel Wennberg verlangte zwar nach zehn Minuten den Abbruch der Vorführung, da B. in den Aufnahmen nicht zu erkennen war. Trotzdem haben die Bilder von den gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei bei den drei Richtern und zwei Schöffen ihre Wirkung nicht verfehlt.

Gelungen war auch der Auftritt des einzigen Zeugen, der bereits im ersten Verfahren ausgesagt hatte. Es handelte sich um einen schwedischen Polizisten, der schon in 24 anderen Verfahren Globalisierungsgegner belastet hat.

Der Beamte lieferte eine filmreife Vorführung für das Gericht. Mit einer Eisenstange - einem neuen Beweismittel - betrat er diesmal den Saal. Mehrfach demonstrierte er, wie der Angeklagte angeblich mit der Stange auf das Schild eines Polizisten eingeschlagen habe - wobei der Zeuge in seinem Eifer eine Zuschauerin, die hinter ihm saß, fast am Kopf getroffen hätte.

Als besonders belastend legte es der Staatsanwalt dem Angeklagten aus, dass er während der Voruntersuchungen die Aussage verweigert hatte, obwohl dieses Recht auch in Schweden für jeden Verhafteten selbstverständlich ist. Doch darauf musste B. selbst hinweisen, denn weder die Vorsitzende Richterin noch der Pflichtverteidiger Svantje Frigel hielten es für nötig, dem Staatsanwalt in diesem Punkt zu widersprechen.

Kein Wunder, werden in den schwedischen Medien und in der Bevölkerung noch immer härtere Urteile gegen die »Terroristen« gefordert. Diese Stimmung machte sich auch in dem Urteil gegen den Deutschen Hannes H. bemerkbar. Während der Vorsitzende Richter ihn im ersten Prozess Anfang August freisprechen wollte, da er die Glaubwürdigkeit des einzigen Zeugen anzweifelte, setzten die drei Schöffen eine 14monatige Haftstrafe durch.

H. sitzt nun seit drei Monaten in einer kaum sechs Quadratmeter großen, fast schalldichten Zelle in Einzelhaft. Sein zweiter Prozess ging am Dienstag dieser Woche zu Ende. Das Urteil gegen den Engländer Paul R. wurde am letzten Mittwoch bekannt gegeben: ein Jahr Haft wegen Steinwürfen.