Prozesse gegen Teilnehmer der Berliner Iran-Konferenz

Reformer-Blues

Die politischen Beziehungen zwischen Berlin und Teheran verschlechtern sich - nicht zuletzt wegen diverser Prozesse in Iran. Die führt die Mullah-Justiz gegen Teilnehmer der Iran-Konferenz in Berlin, die von der Heinrich-Böll-Stiftung im April organisiert worden war. Zwar wurden die Vorwürfe, gegen die Interessen des iranischen Staates gehandelt zu haben, zumindest gegen den deutschen Organisator der Konferenz zurückgenommen; das aber dürfte an der vehementen Reaktion des Auswärtigen Amtes gelegen haben. Der iranische Botschafter, der von den euphorischen Organisatoren selbst zu der Iran-Konferenz eingeladen worden war, wurde letzte Woche ins Auswärtige Amt zitiert. Danach wurden die Vorwürfe gegen den deutschen Organisator fallen gelassen.

Die Khomeinisten fressen ihre »konterrevolutionären« Kinder - auch zwanzig Jahre nach der so genannten Revolution. Der »abtrünnige« iranische Geistliche, Konferenzteilnehmer Hassan Jussefi Eschkewari, landete vor einem geheim tagenden Sondergericht. Er hatte in Berlin die Trennung von Religion und Staat gefordert und konnte im Koran keinen Schleierzwang für Musliminnen entdecken. Auch Akbar Gandschi, der vom Mitbegründer der Geheimdienstabteilung der Pasdaran (Revolutionswächter) zum waschechten Reformer mutierte, ist inhaftiert und hat wegen seiner Teilnahme an dem Berliner Treffen mit hohen Strafen zu rechnen. Ebenfalls in Haft sollen sich seit dem Wochenende nach bisher unbestätigten Meldungen zwei für die Konferenz engagierte Übersetzer befinden - bei einem von ihnen soll es sich um Sani Sadr, den Übersetzer der deutschen Botschaft, handeln. Alle anderen Konferenzteilnehmer sind gegen Kaution auf freiem Fuß. Die Gerichtsverhandlungen, die zur Einschüchterung aller Gegner des iranischen Regimes dienen, gehen weiter.

Der Versuch der Heinrich-Böll-Stiftung, mit der Konferenz die um Präsident Mohammad Khatami zentrierte so genannte Reformbewegung im Iran unterstützen zu wollen, ist damit fehlgeschlagen. Die Organisatoren haben die Repression in der religiösen Diktatur offensichtlich unterschätzt. Neben den laufenden Gerichtsverfahren beweist das nicht zuletzt die unerwartete literarische Mühe, die die Mullahs auf die Konferenz verwandt haben: Vor kurzem wurde in Iran eine knapp 600seitige Dokumentation sowie ein gut 400 Seiten starkes Buch über das Treffen veröffentlicht - zur Abschreckung, darf man getrost vermuten.

Im Übrigen zeigt sich in den Prozessen das Scheitern einer Politik, die - wie die Organisatoren der Konferenz - auf den Teil des iranischen Establishments fixiert ist, der eine Reform von oben projektiert. Die verschiedenen islamistischen Richtungen, Reformgegner wie Reformer, sind gleichermaßen Bestandteile eines diktatorischen Systems mit einander ergänzenden Strategien.

In Khatami haben die westlichen Staaten einen Staatschef, mit dem man besser ins Geschäft kommen kann als mit einem finsteren Mullah. Insofern lag Khatamis Strategiewechsel in der Entscheidung der leitenden Kreise des Gottesstaates begründet, die westlichen Investititonen und das technologische Wissen zu nutzen, um den Westen mit den eigenen Waffen zu schlagen. In dem Moment, in dem die Grünen im deutschen Staatsapparat aufgegangen sind, scheint sich auch ihre Heinrich-Böll-Stiftung der Staatslogik zu ergeben.

Innenpolitisch dienen Khatamis Reformen der wirtschaftlichen Stabilisierung der Diktatur, während zugleich politische Reformen verhindert werden. Khatamis Funktion bestand darin, die Forderungen der Bevölkerung in islamistische Kanäle umzulenken oder zumindest als im engen Rahmen der islamischen Republik realisierbar erscheinen zu lassen. Diese Bemühungen sind gescheitert. Der Veränderungswille von Teilen der Bevölkerung geht weit über die politische Kapazität des Präsidenten hinaus. Das haben nicht zuletzt die Aufstände in Khoramabad Anfang August gezeigt. Offen bleibt, wie lange die Diktatur in der Lage sein wird, jede ernsthafte kritische Regung im Keim zu ersticken.