Religionsstreit in Griechenland

Pass zum Himmel

Aus den griechischen Personalausweisen soll die Religionszugehörigkeit gestrichen werden. Die Kirche wittert den gottlosen Staat.

Mit Kreuzen und Heiligenbildern zogen fromme ChristInnen letzte Woche durch Athen und sangen dabei Psalme. Mit ihrer Prozession wollten die Gläubigen davor warnen, dass Griechenland sich zu einem »gottlosen Staat« entwickeln könnte. Der Grund: In den griechischen Personalausweisen soll künftig nicht mehr die Religionszugehörigkeit des Besitzers angegeben werden. Nun ruft die orthodoxe Kirche in Griechenland auf zum Heiligen Krieg gegen die neuen Papiere.

Ausgelöst wurde der Streit von der Datenschutzbehörde. Die nach dem Beitritt Griechenlands zum Schengener Abkommen gegründete Behörde entschied am 15. Mai, dass mehrere sensible Daten, die bisher in den griechischen Personalausweisen aufgeführt werden, zu streichen sind. Dazu gehört die Angabe des Berufs, der Staatsangehörigkeit, des Namens der Ehegattin / des Ehegatten und eben auch der Religionszugehörigkeit. Denn Griechenland ist das einzige EU-Land, in dem der Ausweis Auskunft über den Glauben seines Besitzers gibt. Gleichfalls als gesetzeswidrig erachtet die Behörde den bisher obligatorischen Fingerabdruck im Ausweis. »Diese Angaben gehören zu den sensiblen, persönlichen Daten und ihre Wiedergabe widerspricht der Verfassung und dem Gesetz 2 472 / 1997«, betonte der Vorsitzende der Datenschutzbehörde Konstantinos Dafermos.

Was im übrigen Europa eine verwaltungsinterne Angelegenheit wäre, löst in Griechenland einen heftigen Machtkampf zwischen der orthodoxen Kirche und der Regierung aus. Die Kirche beweist dabei einmal mehr ihre Macht im Land: Immerhin 74 Prozent der Griechen halten das Kirchenoberhaupt Erzbischof Christodoulos für den glaubwürdigsten und ehrlichsten Mann des Landes. Christodoulos (übersetzt: Jesu Sklave) ist derzeit einer der erbittertsten Gegner des neuen Personalausweises: Es zeichne sich ein »übermäßiger Schutz von Minderheiten« ab, während zugleich die orthodoxe Kirche zunehmend an den Rand gedrängt werde. Und dies will Glaubensritter Christodoulos nicht hinnehmen. Die Politik wolle Griechenland zu einem »weltlichen Staat ohne Religionszugehörigkeit« machen, um so das Volk von der Kirche zu entfremden. Noch einen Schritt weiter ging die Griechisch-Orthodoxe Erlösungsbewegung (Elkis): Die para-kirchliche, fundamentalistische Sekte beschimpfte Justizminister Michalis Stathopoulos als »Juden und Verräter«. Stathopoulos hatte es gewagt, in einer Stellungnahme am 17. Mai darauf hinzuweisen, dass der Personalausweis Sache des Staates sei und die Kirche sich auf ihre Bereiche beschränken solle.

Wie groß die Macht der Kirche noch immer ist, zeigte sich am 18. Mai, als Regierungssprecher Dimitris Reppas etwas umständlich, aber eindeutig den Rückzieher der Regierung verkündete. Das Gesetz von 1997 zum Personalausweis, das die Angabe sensibler Daten verbietet, gelte natürlich weiterhin. Seine Umsetzung »wird uns jedoch im Rahmen von Diskussionen mit Trägern wie etwa der Kirche weiter beschäftigen«. Offensichtlich wagt die Regierung von Kostas Simitis nicht, es zum offenen Bruch mit der Kirche kommen zu lassen. Die Analytiker in den griechischen Tageszeitungen gehen davon aus, dass Simitis Zeit gewinnen will und darauf baut, die endgültige Regelung noch um einige Jahre hinauszuzögern.

Schon seit Beginn der achtziger Jahre besteht ein Dauerdisput zwischen Staat und Kirche. 1981 wollte die damalige Pasok-Regierung unter Andreas Papandreou Staat und Kirche trennen und Kirchenbesitz enteignen. Kirchenboden sollte an Bauerngenossenschaften verteilt werden. Demonstrationen mit über 1,5 Millionen fanatischen Gläubigen und offene Putschdrohungen der Kirchenführer vereitelten diese Pläne. Seitdem scheiterten alle Vorstöße, die auf eine deutlichere Trennung von Kirche und Staat abzielten, am Widerstand der Kirche. Denn keine der bisherigen Regierungen fand den Mut zur offenen Konfrontation. So steht bis heute in der Verfassung, dass die Orthodoxie die »dominierende Religion« des Landes sei. Die Zivilehe ist zwar möglich, doch wegen des gesellschaftlichen Drucks macht nur ein verschwindend geringer Teil der GriechInnen davon Gebrauch.

Überhaupt ist es Frauen erst seit 1984 möglich, sich scheiden zu lassen. Lange Zeit hatte die Kirche erbitterten Widerstand gegen die Scheidung geleistet. Auch in den Schulen genießt die Kirche nach wie vor Sonderrechte. In den entsprechenden Verordnungen heißt es, dass Grund- und Mittelschulen »zur Vermittlung der wahren Elemente der christlichen, orthodoxen Tradition« dienen sollen.

Doch bei dem Kreuzzug gegen den Personalausweis geht es wohl nicht nur um bloße Besitzstandswahrung. Hinter dem Streit stecken auch ökonomische Gründe, wie die Tageszeitung Eleftherotypia vermutet. Versucht doch die Kirche seit einiger Zeit, für eine kirchliche Universität und die Priesterausbildung eine staatliche Unterstützung in Höhe von 126 Milliarden Drachmen (rund 300 Millionen Euro) zu erlangen. Mit dem Streit um den Personalausweis verbessert die Kirche ihre Verhandlungsbasis beträchtlich. Vielleicht deshalb mäßigte sich Christodoulos am 19. Mai im Ton und forderte von der Regierung, dass man »in Ruhe über alle offenen Fragen diskutieren« solle.

Damit treffen sich Kirche und Regierung im Wunsch, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Beide Seiten haben allen Grund, einen Kompromiss anzustreben, geht es doch für beide um den Machterhalt. Die Lösung, die sich bereits abzeichnet, geht auf einen Vorschlag des Parteichefs Kostas Karamanlis der konservativen Nea Dimokratia (ND) zurück, den Eintrag der Religionszugehörigkeit in den Personalausweis freizustellen.

BürgerrechtlerInnen befürchten, dass damit eine weitere Unterscheidung in BürgerInnen erster und zweiter Klasse vorbereitet werde. Da die absolute Mehrheit der Polizeibeamten schließlich griechisch-orthodox und politisch rechts sei, könne von einer Freiwilligkeit nicht die Rede sein. »Der Eintrag oder Nichteintrag der Religion im Personalausweis wird das Verhalten der Polizei gegenüber der kontrollierten Person bestimmen«, erklärte eine Gruppe Professoren in der Eleftherotypia vergangene Woche. Und das mit den bekannten Folgen für alle Nicht-Orthodoxen.

Klar ist zumindest eines: Die Erklärung von Regierungschef Kostas Simitis auf der Messe in Thessaloniki vom September vergangenen Jahres ist hinfällig. Dort hatte er im Brustton der Überzeugung erklärt, »die Personalausweise sind keine Angelegenheit der Kirche. Sie kann nicht überall intervenieren und eine bestimmende Rolle fordern.« Die letzten Wochen zeigen: Sie kann.