Bussi für Bossi

Berlusconi tut alles, um nächstes Jahr Premierminister in Italien zu werden - er holt sogar die Lega Nord ins Bündnis. Der Bruch von 1994 scheint vergessen.

Ein Unfall auf der Straße der Demokratie«, »verabscheuungswürdig« und »ignorant«, »eine Schande für die italienische Politik« und außerdem »eine Ausgeburt an Unehrlichkeit« - all das soll Umberto Bossi sein. Silvio Berlusconi, Chef der Forza Italia, dagegen sei ein »Mafioso«, ein »gerissener Gebrauchtwagenhändler«, »juristisch ein kompletter Analphabet«, der »das Fernsehen manipuliert«, und »als Premierminister eine Tragödie«.

Und Gianfranco Fini von der Alleanza Nazionale (AN) soll auch nicht besser sein: Er sei ein »Faschist«, »gefährlich«, »schwachsinnig«, ein »falsches Lästermaul«, ein »Esel«, ein »Kriegshetzer« und ein »sehr schlechter Mensch«. Diese Liste von Attributen ist nicht etwa das Ergebnis einer Umfrage, sondern stammt aus dem Notizbuch des italienischen Linksdemokraten Walter Veltroni.

Der Abgeordnete hat die Beschimpfungen gesammelt, mit denen sich die Anführer der drei Rechtsparteien seit dem Bruch ihrer Regierungskoalition 1994 bedacht haben. Wer sich so beschimpft, müsste man meinen, wird sich ewig meiden. Doch ganz im Gegenteil: Rechtzeitig zu den Kommunalwahlen am 16. April hat man sich gerade auf ein neues Wahlbündnis geeinigt. Berlusconi hat mit einiger Anstrengung seine beiden Bündnispartner im Polo della Libertˆ, die ehemals faschistische AN und die christdemokratischen Überbleibsel CCD und CDU zur Allianz mit dem unberechenbaren Bossi von der Lega Nord überredet.

Die neue Oppositions-Koalition mit dem Namen »Haus der Freiheit« hat in Italien für Beunruhigung gesorgt. Dennoch war das Unverständnis groß, als Bundeskanzler Gerhard Schröder vorletzte Woche in einem Zeit-Interview, das im Corriere della Sera nachgedruckt wurde, die Mitglieder der AN als Neofaschisten bezeichnete, deren erneute Regierungsbeteiligung die EU ebenso sanktionieren müsse wie nun Schüssels Koalition mit Haider in Österreich.

Mit seinen Äußerungen löste der Kanzler in Italien eine kleine diplomatische Krise aus. Jenseits aller Parteigrenzen zeigte man sich empört. Premierminister Massimo D'Alema diagnostizierte bei Schröder eine schlechte Kenntnis der politischen Situation in Italien und ließ sich sogar zu der Erklärung hinreißen, keine der Parteien im italienischen Parlament verfolge neofaschistische oder undemokratische Ideologien.

Doch es wird D'Alema kaum darum gegangen sein, die AN zu rehabilitieren. Tatsächlich gilt der Protest wohl viel mehr dem hohen Maß an Einmischung in die Innenpolitik der Mitgliedsstaaten, das Schröder für die EU anzustreben scheint. Das ist neu: Als Berlusconi nach dem Wahlsieg 1994 sich fünf neofaschistische AN-Minister ins Kabinett holte, gab es in Europa nur zurückhaltende Proteste in einzelnen Ländern. Linksdemokrat Veltroni rückte Schröders Einschätzung schließlich zurecht: »Wenn schon, dann könnte das jüngste Bündnis zwischen Berlusconi und der Lega Nord Anlass zur Sorge sein.«

Die Tageszeitung il manifesto spricht bei Berlusconis Kehrtwende zu einer erneuten Zusammenarbeit mit der Lega Nord von einem »Haider-Effekt«. Denn ohne Frage zeigen sich viele Parallelen zwischen den Rechtsextremisten in Österreich und Italien. Die Freiheitlichen sind für die Lega in vieler Hinsicht ein Vorbild, und seit neuestem noch ein Erfolg versprechendes dazu.

Gemeinsamkeiten gibt es genug: Mit Warnungen vor den Bürokraten in Brüssel und den Gefahren der Globalisierung richtet man sich an die »arbeitende Bevölkerung«, der steuerliche Entlastungen und weniger staatliche Einmischung versprochen werden. Die traditionellen Werte wie Familie, Kirche und lokale Kultur gilt es gegen »Überfremdung« zu schützen. In dem Maße, in dem die Lega Nord in den letzten Jahren von ihren sezessionistischen Forderungen abgerückt ist, die immer weniger Zustimmung fanden, hat sie ihren Kampf gegen Immigranten in Italien verstärkt.

Die freiheitliche Idee der A-Card für Ausländer in Österreich ist nur ein kleines Stück von der Forderung des Turiner Legisten Mario Borghezio nach Arbeitslagern für Immigranten entfernt. Kein Wunder, dass Borghezio Anfang Februar triumphierend verkündete, Bossi sei die politische Figur, die Haider in Italien am nächsten komme.

Entsprechend entrüstet reagierte man in der Lega Nord auf die Haider-Sanktionen der EU. Für Bossi steht fest, wo die Fronten verlaufen: Die EU lässt sich von den Linken in Europa »gegen uns« instrumentalisieren. Hinter dem Boykott gegen Österreich stünden römische Intrigen, gab er in einem Interview mit der Tageszeitung La Repubblica zum Besten. Nach der ersten Euphorie über die Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen in Österreich ist Umberto Bossi zwar in seinen Solidaritätsbekundungen vorsichtiger geworden. Dennoch wird der Lega-Chef allgemein als der italienische Haider angesehen.

Ohne Zweifel hat die Lega Nord durch den Aufstieg der FPÖ zur Regierungspartei Aufwind erhalten. Doch Berlusconis Entscheidung zur erneuten Koalition mit dem norditalienischen Regional-Patrioten hat noch handfestere Gründe. Der Medienmogul hat im Januar seinen Trumpf für jeden Wahlkampf verloren: Das neue Medien-Gleichstellungsgesetz schränkt die Wahlwerbung im Fernsehen erheblich ein (Jungle World, 6/00). Nur noch im Regionalfernsehen ist nun eine für alle Parteien gleichermaßen begrenzte Sendezeit für Wahlspots erlaubt. Berlusconi, der drei Fernsehsender besitzt, bezeichnet das Gesetz als verfassungswidrig. Seit Wochen tobt er - nach sechs Jahren in der Opposition will er unbedingt die Regionalwahlen gewinnen und nächstes Jahr die Mitte-Links-Regierung unter D'Alema ablösen.

Dazu ist er sogar bereit, ein Wahlbündnis voller Gegensätze aufzustellen. Immerhin ist der Sezessionist Bossi der zentralistischen AN ein Stück entgegengekommen: Von Lega Nord per l'indipendenza della Padania wurde die Partei kurzerhand umgetauft in Lega Nord Padania. Selbst die Radikalen-Partei der ehemaligen EU-Kommissarin Emma Bonino soll ins Boot geholt werden. Wie die Abtreibungsgegner, die eine Legalisierung von Drogen fordern, mit Finis Law-and-Order-Hütern unter einen Hut zu bringen sind, bleibt Berlusconis Geheimnis.

Die Chancen für das rechte Wahlbündnis stehen dennoch nicht schlecht. Falls die noch zögernden Radikalen sich für das »Haus der Freiheit« entscheiden, könnte die rechte Koalition bei den Regionalwahlen im April die Mehrheit für sich gewinnen und wäre einem Sieg bei den Parlamentswahlen einen Schritt näher. Der reichste Mann Italiens könnte ein zweites Mal Premierminister werden - wenn er nicht vorher im Knast landet: Denn das Jahr 2000 hält mehrere Prozesse gegen Berlusconi wegen Steuerhinterziehung und Schmiergeldzahlungen an Richter bereit.