Sanfte Separation

Die jugoslawische Teilrepublik Montenegro nähert sich der Unabhängigkeit - nicht schlecht für die Geschäfte von Präsident Djukanovic.

So charmant kann Separatismus sein. Als letzte Woche wieder einmal eine Gesprächsrunde zwischen serbischen und montenegrinischen Parteien über die Zukunft Jugoslawiens zu Ende ging, überboten die beiden politischen Gegner einander mit Komplimenten: Svetozar Marovic, Sprecher der montenegrinischen Partei des Demokratischen Sozialismus, der auch Präsident Milo Djukanovic angehört, sowie Gorica Gajevic, Generalsekretärin von Slobodan Milosevics Sozialistischer Partei, traten gemeinsam vor die Presse und gaben vorerst einmal Entwarnung.

Man sei sich einig im Bestreben, den jugoslawischen Staat zu erhalten. Bekundet wurde auch der feste Wille, alle Änderungen innerhalb der geltenden Rechtsordnung vorzunehmen. Die Sezession der Teilrepublik Montenegro wurde also noch einmal vertagt, obgleich die ständigen Versuche von Djukanovics Gesandten, mehr Rechte für den Küstenstreifen im Westen Jugoslawiens herauszuholen, auf immer größeren Unwillen von Seiten der serbischen Staatsführung stoßen.

Im Gegensatz zu den Sozialisten zeigte sich Mira Markovic, Chefin der Partei der jugoslawischen Linken (JUL) und Ehefrau von Slobodan Milosevic, während der Gespräche unnachgiebig. Das Muster ihrer Ausführungen war wenig originell: Montenegro würde einer Unabhängigkeit zustreben, die Verhandlungen seien bloß dazu da, der internationalen Gemeinschaft den Konsenswillen der Regierung in Podgorica vorzugaukeln.

Zwei Tage später, am Donnerstag vergangener Woche, schien sich Markovics düstere Prophezeiung fast zu bestätigen: Das montenegrinische Parlament in Podgorica beschloss zwei Maßnahmen, um die jugoslawische Souveränität zu zersetzen. Schon nächste Woche werden die 650 000 Montenegriner nicht mehr bloß mit dem wertlosen jugoslawischen Dinar bezahlen, sondern parallel dazu auch die starke deutsche Mark als gewöhnliches Zahlungsmittel verwenden können. Diese Währungsreform ist nach den Plänen der montenegrinischen Regierung jedoch nur für eine Übergangszeit gedacht. Bald danach soll zusammenwachsen, was zusammengehört: Aus dem jugoslawischen Dinar und der deutschen Mark soll die montenegrinische Mark werden.

Gleichzeitig bekommen die Menschen, die in Montenegro leben, endlich das, was die UN-Verwaltung für das Kosovo (Unmik) den Kosovo-Albanern schon jetzt verschafft hat: eine ungewöhnliche Art doppelter Staatsbürgerschaft. So werden sie nicht mehr allein Staatsbürger des ungeliebten Jugoslawien sein, sondern daneben auch einen montenegrinischen Pass erhalten. Ein weiteres Kunststück sanfter Desintegration wäre dann geschafft.

Doch den Belgrader Machthabern signalisiert man aus Montenegro Konsensfähigkeit: Miodrag Vukovic, Vorsitzender der montenegrinischen Partei des Demokratischen Sozialismus, meinte letzte Woche in Belgrad, man erwarte eine Antwort auf den Forderungskatalog Podgoricas "innerhalb eines Jahres", eine lange Zeitspanne, wie man meinen könnte. Das Belgrader Regime wird damit dennoch weiter unter Druck gesetzt: Unbeeinflusst von den Parteien-Gesprächen in Belgrad arbeitet man in Podgorica an der Sezession, der im August verabschiedeten Plattform zur Neuregelung der Beziehungen der beiden Teilrepubliken folgen nun die ersten Ultimaten.

Das Kalkül des montenegrinischen Präsidenten Milo Djukanovic ist klar. Mit den Machthabern in Belgrad und besonders mit dem jugoslawischen Premier Momir Bulatovic verbindet ihn eine gemeinsame Vergangenheit. Bevor Djukanovic im Jahre 1997 bei den Präsidentenwahlen Bulatovic schlagen konnte, "teilten sich die beiden gemeinsam Montenegro auf", schreibt der Chefredakteur der unabhängigen montenegrinischen Tageszeitung Vesti, Zeljko Ivanovic. Immerhin war Djukanovic sieben Jahre lang Premierminister Montenegros unter dem Präsidenten Bulatovic. Doch dann entschieden sich beide für völlig unterschiedliche Karrieren: "Ihre Lebenswege waren bis dahin beinahe symbiotisch", meint Zeljko Ivanovic.

Aber es war nicht nur eine politische Symbiose, sondern auch eine geschäftliche. Bis zum Jahre 1997 machten Djukanovic und Bulatovic zusammen Geschäfte. Nachdem Djukanovic zum Präsidenten gewählt wurde und Bulatovic als Ministerpräsident Jugoslawiens nach Belgrad übersiedelte, gab es plötzlich in Podgorica nur noch einen Chef. Einer der größten Coups Djukanovics waren die Privatisierungsmaßnahmen, die wenige Monate nach seinem Amtsantritt 1997 begannen.

Ähnlich wie es auch der ehemalige Premier Vladimir Meciar in der Slowakei tat, sollen nach Ansicht der serbischen Tageszeitung Vesti im Zuge dieser Privatisierungen satte Provisionen bei Djukanovic und seinem Umfeld hängen geblieben sein. Da tut ihm der freiwillige Verzicht auf sein Präsidentengehalt von umgerechnet 600 US-Dollar nicht wirklich weh. Aber der Verzicht macht populär - ebenso wie die offiziell mittellose Familie Djukanovics: Seine Schwester Ana ist in der Verwaltung beschäftigt, sein Bruder Aleksandar angeblich arbeitslos.

Das Einkommen des Clans kann sich nach Ansicht von Vesti-Chefredakteur Ivanovic sehen lassen: "Es ist ein offenes Geheimnis, dass während der UN-Sanktionen gegen Jugoslawien gerade in Montenegro hohe Profite mit dem Schmuggel von Benzin und Zigaretten nach Italien gemacht wurden. Djukanovic selbst hat komplexe Beziehungen zu den bestverdienenden Mafia-Clans in Montenegro." Auch Momir Bulatovic habe damals mitverdient. Etwa beim Vertrieb der Zigarettenmarke "Djukanovics" in der Republika Srpska in Bosnien-Herzogowina: Den Gewinn teilten sich, schreibt Ivanovic, Bulatovic und Marko Milosevic, der Sohn des jugoslawischen Präsidenten.

Dass Djukanovics Sehnsucht nach einer Unabhängigkeit Montenegros und damit größerer persönlicher Machtfülle auch etwas mit kaufmännischem Gespür zu tun hat, glaubt auch Nebojsa Medojevic, einer aus der Gruppe der unabhängigen Wirtschaftsexperten G-17: "Bei Privatisierungen machen immer wieder die gleichen Leute mit guten politischen Verbindungen die besten Geschäfte." Die mögliche Unabhängigkeit Montenegros gerät so zur Gründungsversammlung der Djukanovic KG.