Pubertät, Mobbing, die erste Liebe

Gerd (1979)

Manchmal fällt mir sein Name ein: Gerd Menges. Gerd Menges. Wie ein Ausruf, der irgendetwas bedeutet. Es geht aber nicht um Wehmut oder um Trauer, sondern vielleicht darum, dass er ein Beispiel war. Meine Gefühle zu Gerd waren und sind nicht edel. Ich kann nicht einmal sagen, dass wir uns nicht nah waren, denn es gab zu viele Gemeinsamkeiten. Gerd Menges war ein peinlicher Mensch, und das Peinliche begleitet mich schon immer. Wir waren einander in gewissen Dingen parallel.

Gerd hatte auch von der Peinlichkeit der Pubertät zu viel abbekommen. Die schlaksige Figur mit ihren zu schnell gewachsenen Gliedern, der lächerliche Flaum auf der Oberlippe und die Pickel. Ich sah das mit Staunen und Grauen, weil ich zwei Jahre jünger war als der Durchschnitt der Klasse und nicht so werden wollte. Dazu seine Basedow-Augen. Dazu seine Witzelsucht, die allen sagen sollte: Es macht mir nichts aus, eine Figur zu sein. Ich glaubte ihm das nicht, weil ich daran litt, dass ich eine Figur war.

Andere nahmen Abstand von ihm, weil er seltsam war, ich nahm Abstand von ihm, weil er nicht mit mir gemeinsam leiden wollte. Abstand war wichtig. Die Lehrer hatten Abstand zu uns, die besten Sportler hatten Abstand zu den Strebern, beide Gruppen hatten Abstand zum Mittelbau der Schüler, der wiederum zu den Außenseitern wie Gerd und mir. Gerd wurde nicht geschlagen, um den Abstand immer aufrechtzuerhalten zwischen dem, der schlagen darf, und dem, der es ertragen muss. Gerd schlug sich selbst.

Einmal war ich bei ihm zu Hause, glaube ich. Ich erinnere mich nur an eine triste Hausfassade, bei deren Renovierung das Geld ausgegangen war. An verschiedenen Stellen fehlte der Putz, und man sah die nackten Steine. Vielleicht spielt mir meine Erinnerung etwas vor.