Zwei Büchertipps, darunter einer für Kamala Harris

Mehr Offenheit wagen

Popkolumne. Neues von Richard Norris, Kamala Harris und Javier Zamora.

Aus Sicht wertkonservativer Psychedeliker endet die psychedelische Revolution mit der Auflösung der Grundformation von Schlagzeug, Bass und Gitarre. Mit den Sequenzern und Synthesizern entstand die ihrer Meinung nach nervige Discomusik, gefolgt von kaltem New Wave und gnadenlosem Bumm-Bumm-Techno.

Für den britischen Rockmusiker Richard Norris begann damit eine gegenkulturelle Revolution. In seiner Autobiographie »Strange Things Are Happening« beschreibt er den lustvollen Übergang vom Achtziger-Garage- und Psych-Pop-Revival hin zum stark vom Acid und House geprägten, elektronischen Psychedelic Pop der neunziger Jahre. Zusammen mit Dave Ball (zuvor Soft Cell) als The Grid feierte er weltweite Erfolge, nachdem er bereits 1990 zusammen mit Genesis P-Orridge als Jack The Tab das erste britische Acid-Album herausbracht hatte.

Auch für den neunjährigen Javier aus dem autobiographischen Roman »Solito« von Javier Zamora sind die USA das Land der großen Träume. 

Es geht um eine kulturelle Offenheit, wie sie sich vielleicht auch all die Pop-Nerds herbeiwünschen, die derzeit den Kamala-Harris-Meme-Generator im Internet nutzen. Eine Präsidentschaftskandidatin, die Charlie Mingus und Roy Ayers zu ihren Lieblingsmusikern zählt, lässt schließlich darauf hoffen, dass Amerika wieder ein echter Sehnsuchtsort der Popkultur werden könnte.

Auch für den neunjährigen Javier aus dem autobiographischen Roman »Solito« von Javier Zamora sind die USA das Land der großen Träume. Seine Eltern mussten in den achtziger Jahren vor dem von den USA finanzierten Bürgerkrieg und den rechten Todesschwadronen aus El Salvador fliehen und ließen ihren Sohn schweren Herzens erst einmal bei den Großeltern zurück.

Verschärfung der Asylregeln

Da sie in »Gringolandia« immer noch als illegale Einwanderer galten, konnten sie ihren Sohn nicht auf legalem Weg zu sich holen. Also beauftragten sie einen »Kojoten«, den Jungen, der sich noch nicht einmal selbst die Schuhe binden konnte, in die USA zu schleusen. Zehn Wochen wird er von Versteck zu Versteck gelotst, muss eine lebensgefährliche Bootsfahrt auf dem offenen Meer überstehen, endlose Fußmärsche durch die texanische Wüste bewältigen, zwei Mal wird er aufgegriffen.

Nur das mutige und empathische Verhalten anderer Flüchtlinge bewahrt ihn vor dem Schlimmsten. Die Verschärfung von Asylregeln nicht nur in den USA wird man nach Lektüre dieses Migrationsepos mit anderen Augen sehen.

Vielleicht sollte auch Kamala Harris das Buch lesen.