Der südkoreanischen Serie »Hierarchy« fehlt die Innovation

High and Low an der High School

Die höchst erfolgreiche K-Drama-Serie »Hierarchy« macht sich an Klassenunterschieden in einer elitären Privatschule fest, verliert sich dabei aber im Voyeurismus.

Die fiktive Jooshin High School gilt als renommierteste Privatschule Südkoreas. Die Schüler:innen lernen fechten, sie belegen Fächer wie »Außenpolitik«, werden in Luxuskarossen zum Unterricht chauffiert oder auch schon mal direkt mit dem Helikopter eingeflogen. Wie selbstverständlich hat der Campus eine Rennstrecke, auf der die Teenies in ihren Sportwagen Wettfahrten veranstalten, nur so zum Stressabbau.

Aus dem richtigen Elternhaus zu stammen, prädestiniert für die Aufnahme in der Kaderschmiede: Von klein auf erhalten die Sprösslinge der Superreichen privaten Unterricht, der sie auf die Eliteeinrichtung vorbereitet. Wenn sie diese nach ein paar Jahren verlassen, stehen ihnen die international renommiertesten Universitäten offen. Am Ende des Ausbildungsweges winken einflussreiche Positionen in der Politik oder der Wirtschaft und nicht wenige Söhne und Töchter übernehmen die Firmen ihrer Eltern.

Von klein auf erhalten die Sprösslinge der Superreichen privaten Unterricht, der sie auf die Eliteeinrichtung vorbereitet. Wenn sie diese nach ein paar Jahren verlassen, stehen ihnen die international renommiertesten Universitäten offen.

Ein eigenes Stipendienprogramm gewährt allerdings auch Jugendlichen aus anderen sozialen Schichten Zugang zur Jooshin High School. Die Stipendiat:innen, also Jungen und Mädchen, die sich allein durch ihre Leistungen qualifiziert haben, sind den anderen Schüler:innen jedoch nicht gleichgestellt, vielmehr müssen sie sich in die schulischen Hierarchie einfügen, in der sie ganz unten stehen.

Sie können keine sogenannten Sonderklassen, sondern nur die Standardklassen besuchen, dürfen sich keinen Schmiss im Fechtunterricht holen und müssen andere Krawatten zu ihrer Schuluniform tragen als die rich kids, damit auch jeder sieht, dass sie nicht wirklich dazugehören. Am Ende einer Versammlung dürfen sie erst aufstehen, nachdem sich der ranghöchste Schüler erhoben hat: Kim Ri-an (Kim Jae-won), Erbe des Mischkonzerns Jooshin Group, dem die Schule gehört. Auch gegenüber all den anderen reichen Schüler:innen sollen die Stipendiat:innen ihre Dankbarkeit bezeugen, schließlich wird der Unterricht durch das Schulgeld, das deren Eltern entrichten, finanziert.

Die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen

Zum Konflikt kommt es, als der neue Stipendiat Kang Ha (Lee Chae-min) in den elitären Kosmos der Jooshin High eintritt. Kang Ha missachtet die diskriminierenden Regeln, die für für Stipendiat:innen gelten, und zeigt von Beginn an, dass er sich nicht in die ihm zugedachte unterwürfige Position begeben wird. Das Publikum ahnt, dass der geheimnisvolle Kang Ha kein gewöhnlicher Schüler ist, sondern ganz eigene Ziele verfolgt.

Es geht um den Fall Kang In-hans (Kim Min-chul), der ein ruhiger und aufmerksamer Schüler war. Als Landesbester wurde er als Stipendiat aufgenommen, starb aber nur kurze Zeit später bei einem mysteriösen Unfall. Kang Ha versucht herausfinden, unter welchen Umständen der Schüler zu Tode kam und welche Rolle die Demütigung der »einfachen« Schüler dabei gespielt haben könnte. Er will die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen und mischt die eingeschworene Gemeinschaft auf.

Dabei verliebt er sich auch noch in Jung Jae-i (Roh Jeong-eui), die Verflossene von Kim Ri-an, und kommt dem Sohn einer der einflussreichsten Familien des Lande damit gefährlich in die Quere. Schließlich ist Kim Ri-an nicht nur der Schwarm der gesamten Schule, sondern auch Erbin eines Firmenimperiums, das in Konkurrenz zur Jooshin-Gruppe steht.

Grauenhafte Geschlechterstereotypen und soziale Klischees

Die siebenteilige Netflix-Serie »Hierarchy« des südkoreanischen Regisseurs Bae Hyun-jin (»Big Mouth«, »Alchemy of Souls«) schaut in die Abgründe der südkoreanischen Klassengesellschaft und versucht damit, an erfolgreiche Produktionen wie »Squid Game« oder den mehrfach oscarprämierten Spielfilm »Parasite« anzuknüpfen. Netflix vermeldete dann auch, dass »Hierarchy« allein zwischen dem 3. und 9. Juni bereits 3,5 Millionen Aufrufe erzielt hatte. Damit landete die Serie auf Platz zwei der Netflix-Top-Ten der nicht englischsprachigen Fernsehsendungen.

Auch wenn die Serie kommerziell erfolgreich ist, fehlt es ihr an jeglicher Innovation. »Hierarchy« bedient sich altbekannter Erzählmuster und weigert sich, diese zu brechen. Die Handlung basiert auf dem simplen Gegensatz von Gut und Böse und verharrt in grauenhaften Geschlechterstereotypen und sozialen Klischees – ganz nach dem Motto, die Reichen sind böse, die Armen sind gut. Eine bessere Gesellschaft entstünde, falls die Reichen halt nur etwas netter zu den Armen wären. Aber der rachsüchtige Kim Ri-an denkt gar nicht daran, dem neuen Mitschüler diesen Gefallen zu tun.

Dieser wirkt stets zufrieden und gut gelaunt, Kang Ha ist mit wenig zufrieden und bringt der verwöhnten, aber liebenswerten Multimillionärstochter Jung Jae-i allmählich bei, sich an den einfachen Dingen zu erfreuen: dem schönen Wetter, dem Essen vom Imbiss. Und was macht Jung Jae-i? Lädt ihren Ex Kim Ri-an prompt auf ein Sandwich ein.

Dass die Serie es mit dem Klassenkampf nicht so ernst meint wie etwa »Parasite«, wird schon an der Bildsprache deutlich. Hochglanzaufnahmen von Partys, Villen und Luxusautos reihen sich aneinander. Der Look der Serie gleicht dem einer High-End-Werbung, die Kamera schafft keine kritische Distanz zum Gezeigten, sondern verherrlicht den Lifestyle. Es gibt keinen Widerspruch, die Welt wird in perfekten Hochglanzaufnahmen präsentiert, das Bild bekommt keine Risse.

Letztlich wirken die Figuren in »Hierarchy« wie Karikaturen ihrer jeweiligen Klassenzugehörigkeit.

Dabei hebt die Serie damit an, im Mikrokosmos der Privatschule gesellschaftliche Machtverhältnisse und hierarchische Strukturen zu spiegeln. So erklärt eine Lehrerin Kang Ha, dass die Schule eine »kleine Gesellschaft« sei und die Schüler:innen lernen sollten, Konflikte selbst zu lösen. Doch durch die fehlende Intervention der Lehrkräfte, die im Grunde die Angestellten der zahlenden Eltern sind, ist Mobbing an der Tagesordnung.

Geht es anfänglich noch um eben diese Abwertungen und die Gewalt, der die Stipendiaten ausgesetzt sind, und um die doch ziemlich verstörende Welt der superreichen Teenies, verliert sich die Erzählung schnell in dem vorhersehbaren Machtkampf zwischen Kang Ha und Kim Ri-an um Jung Jae-i, die – wie alle weiblichen Figuren der Serie – zu völliger Passivität verdammt ist. So erleidet sie einen Zusammenbruch, als sich die beiden Jungmänner um sie schlagen, sie kann nur noch schluchzen: »Hört endlich auf!« Diese Handlungsunfähigkeit der weiblichen Figuren zieht sich durch alle Episoden.

Letztlich wirken die Figuren in »Hierarchy« wie Karikaturen ihrer jeweiligen Klassenzugehörigkeit. Die Serie zeigt zwar die Ungleichbehandlung im Mikrokosmos der High School, aber sie schwelgt zugleich in den Luxuswelten. Dadurch hat »Hierarchy« einen klassenvoyeuristischen Charakter. Die sozialen Unterschiede verkommen zum bloßen Stilmittel für einen Konflikt, der auf personeller Ebene gelöst wird. Um die Prekarisierten fernab des Luxus der High School geht es schon mal gar nicht. Nur in wenigen Einstellungen sieht man Bedienstete, die die Villen putzen oder den Herrschaften schnell die richtigen Autoschlüssel zuwerfen. »Hierarchy« verpasst die Chance, eine interessante Geschichte zu erzählen, und wirkt wie ein Aufguss bekannter High School-Dramen.

»Hierarchy« kann auf Netflix ­gestreamt werden.