Heimspiel für Rassismus

Gesellschaftliche Stimmung von gerd dembowski

Die Fußballweltmeisterschaft in Deutschland und ihre Fanmeilen waren lediglich ein Display des deutschen Nationalismus, der sich seit dem Fall der Mauer 1989 erfolgreich restauriert hat und der nunmehr als konsumgerechtes Patchwork daherkommt. Wenn sich während der WM deutscher Nationalismus aggressiv bis rassistisch entlud, wie im Umfeld des Spiels Deutschland gegen Polen und nach der Niederlage gegen Italien, schienen sich die Zeitungsredaktionen schwarz-rot-goldene Maulkörbe aufzusetzen.

Dass jetzt verstärkt über Rassismus im Fußball berichtet wird, ist keine Konsequenz aus diesem Sommermärchen namens WM, sondern hat eher mit der Wahl Theo Zwanzigers zum alleinigen DFB-Präsidenten und der gleichzeitigen Übernahme der neuen Fifa-Regelungen gegen Rassismus zu tun. Und mit der Tatsache, dass ausgerechnet einen Tag nach diesem Beschluss des DFB die Fans von Hansa Rostock II den Schalker Nationalspieler Gerald Asamoah unüberhörbar in rassistischer Weise beleidigten und der DFB zum Handeln gezwungen war.

»Es wäre verfehlt, das auf die neuen Bundesländer beschränken zu wollen. Im Osten gibt es vielleicht eine andere Quantität und Qualität, aber zu behaupten, das gibt es im Westen nicht, wäre falsch«, wurde der DFB-Sicherheitsbeauftragte Alfred Sengle vor der WM hinsichtlich rassistischer Ausschreitungen auf der DFB-Webseite zitiert. »Wir müssen uns davor hüten, auch nur den Anschein zu erwecken, die Dinge seien in Italien oder Polen oder sonstwo schlimmer als bei uns.«

Im Stadion und in seinem Umfeld zeigt sich wie unter einem Brennglas, wie menschenfeindlich sich die Gesellschaft derzeit formiert. Am Spieltag kann die empfundene Repression durch Polizei und Verein für Fans verstärkend hinzukommen. In der Wechselwirkung mit politischen und sozialen Verschärfungen im Lebensalltag fallen rechtsorientierte Meinungen im Stadion wie an jedem anderen Ort weniger auf. So sieht sich ein Fan des Berliner FC Dynamo gar nicht als Rassist, wenn er wie am 20. April dieses Jahres in eine Fernsehkamera sagt: »Der Feind ist nicht der Neger in der Bundesliga. Der Feind ist der, der das ermöglicht, dass sie überhaupt hier spielen.«

»Die gewalttätigen rechtsextremen Gruppen«, erklärte der Soziologe Wilhelm Heitmeyer, »agieren vor dem Hintergrund einer Stimmung in der Bevölkerung.« In der gesellschaftlichen Mitte »nehmen fremdenfeindliche Einstellungen signifikant und messbar zu. Es entsteht dadurch die Gefahr einer Form von Normalität, die es gewissermaßen als selbstverständlich erscheinen lässt, bestimmte Menschen abzuwerten, zum Beispiel Ausländer oder Homosexuelle. Diese weit verbreiteten Einstellungsmuster sind der gesellschaftliche Hintergrund rechtsradikaler Gewaltverbrechen.«

Das ist auch der gesellschaftliche Hintergrund, vor dem der DFB nun die schwierige Aufgabe hat, die Fifa-Regelungen konsequent und mit Feingefühl an die Landesverbände und ihre Ligen zu vermitteln und die Strafgelder zweckgebunden einzusetzen.

Gerd Dembowski war lange Sprecher des Bündnisses Aktiver Fußballfans. Im Frühjahr 2007 erscheint im Papyrossa-Verlag sein Buch »Fußball vs. Countrymusik«.