Nachrichten

Wenn der Postman dreimal klingelt

Nachruf. Am 5. Oktober starb Neil Postman. Der zeitweise enorm einflussreiche amerikanische Medienkritiker lehrte an der New York University »Medienökologie« und war mit Büchern wie »Das Verschwinden der Kindheit« Stichwortgeber der linksalternativen Medienkritik in den achtziger Jahren. Das programmatisch betitelte Buch »Wir amüsieren uns zu Tode« wurde sein erfolgreichstes und wirksamstes Werk. Postman, 1931 in New York geboren und eigentlich zum Erziehungswissenschaftler ausgebildet, prangerte auch später immer wieder die verdummende Wirkung der Medien, besonders des Fernsehens, an.

Bei den Stichwortgebern und den kritischen Begleitern der Kulturindustrie, von denen die medien- und kulturwissenschaftlichen Fakultäten bevölkert werden, war er deshalb unbeliebt, er galt ihnen als naiver Fortschrittsfeind und Kulturpessimist. Damit taten sie ihm Unrecht, wenn auch Postmans Kritik auf die Technik selbst gerichtet blieb. »Problematisch am Fernsehen ist nicht, dass es uns unterhaltsame Themen präsentiert, problematisch ist, dass es jedes Thema als Unterhaltung präsentiert«, schrieb er etwa in seinem einflussreichsten Buch.

Dennoch war der linksliberale Postman weniger Fortschrittsfeind als ein politischer Kritiker einer Entwicklung, die der Macht immer avanciertere Manipulationsmittel an die Hand gab. Er beklagte den Verfall der politischen Rede und Rhetorik und des Reflexionsniveaus der amerikanischen Öffentlichkeit, den er in seinen Veröffentlichungen materialreich belegte. Besonders vehement wandte er sich gegen den Poststrukturalismus, der für ihn kaum mehr als eine Geistesverwirrung darstellte. Stattdessen plädierte er für eine Rückbesinnung auf die Denker des 18. Jahrhunderts. In der liberalen angloamerikanischen Tradition eines Bertrand Russell oder Karl Popper tief verwurzelt, wurde er so zu einem zunehmend verbitterten Verteidiger der Aufklärung, wenn auch in ihrer undialektischen Variante.

Mehr IQ dank Tattoo

Umfrageergebnis. 45 Millionen US-Bürger haben ein Tattoo. Das hat das Marktforschungsunternehmen Harris Interactive herausgefunden. Das allein wäre jedoch nicht so schlimm, wenn nicht ein Teil dieser Tattoo-Besitzer seltsame Vorstellungen über die Auswirkungen der Körperverzierungen hätte. Dass sich ein Drittel aller Befragten laut Umfrage wegen seines Bodyschmucks für »sexier« hält, ist ja noch nachzuvollziehen. Um das zu erreichen, lassen sich die meisten ja beritzen.

Ein Drittel gibt außerdem an, in seinen Tattoos einen Ausdruck von Rebellion zu sehen. Auch das kann man einigermaßen verstehen, schließlich haftete den Tattoos zumindest früher einmal etwas Nonkonformes an.

Wenn jedoch fünf Prozent der Befragten angeben, sich mit Tattoos intelligenter zu fühlen, irritiert uns das doch sehr. Intelligenter werden durch Tattoos? Beweist nicht allein schon diese Selbsteinschätzung, dass das absoluter Mumpitz ist?

Alles Dieter oder was?

Lesen in Deutschland. Wie meinte der Kollege hier im International-Ressort doch vor kurzem: »Ist doch alles super mit dem Bohlen, nun lesen die Deutschen mal wieder.« Klar, die großen Leitartikler und andere Freunde der Frankfurter Buchmesse musste es andererseits natürlich verrückt machen, dass mal wieder Messe war und trotz all der tollen Russland-Schwerpunkte und Panels mit Promis und dem Sektempfang hier und dort schon im zweiten Jahr das Hauptthema der Dieter und sein Buch waren. Mit den eingeschwärzten Stellen lag es rum auf der Messe, das Buch »Hinter den Kulissen«, während die meisten Interessierten das trotz einstweiligen Verfügungen im Handel erhältlich gewesene Buch längst im Original besessen haben dürften.

Es geht nun aber auch nach der Frankfurter Buchmesse fröhlich weiter mit den Büchern, gegen die möglichst geklagt werden soll, damit sie sich besser verkaufen. Nadja Abd El Farrag aka Naddel, deren Buch »Ungelogen« ab sofort erhältlich ist, muss irgendetwas falsch gemacht haben. Ihre Sicht der Dinge, ihre Sicht von Dieter, Verona und sonst etwas scheint echt niemanden zu kratzen. Niemand klagt, und das ist schlecht für’s Geschäft.

Herbert Grönemeyer hat dafür gegen eine Biografie, die bei Hoffmann und Campe erscheinen soll, eine einstweilige Verfügung erwirkt, weil ihm einiges, was in dieser geschrieben steht, nicht passt. Kostenlose Werbung, wird sich der Verlag also auch hier zu Recht denken, denn irgendwann wird die Biografie dann doch noch erscheinen.

Gegen »In guten und in schlechten Tagen«, die Beschreibung ihres Lebens mit Harald Juhnke, aufgeschrieben von Susanne Juhnke, wurde ebenfalls eine einstweilige Verfügung erwirkt. Und das, obwohl Harald selbst gar nichts mehr auszurichten vermag, da er dement im Pflegeheim herumirrt. Hier wollen sich ausnahmsweise einmal bloß Rechtsanwälte profilieren, doch das Buch ist auch schon ohne deren Vorgehen zum Bestseller geworden, der ganz vorne in der Spiegel-Liste zu finden ist.

Weiter gehen wird es demnächst dann mit noch viel mehr Büchern, die die Deutschen zum Lesen und zur Erregung bringen werden. Nena hat einen Schmöker angekündigt, und Verona will dann im Frühling endlich alles klar stellen. Falls es nicht vorher von irgendwo die ersehnte einstweilige Verfügung hagelt.

Leben geht weiter

Verlagswesen. Michel Friedman hat eine zweite Chance bekommen, wie er selbst sagt. Er wird sich für den Aufbau-Verlag herausgeberisch um den Bereich Politisches Buch kümmern. Ist doch auch eine schöne Aufgabe.