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Die dritte Art

Maxim Biller. Eigentlich hatte Maxim Biller ja vorgehabt, mit seinem jüngsten Roman eine Art Manifest der Gerade-vierzig-Jahre-alt-Gewordenen in die Welt zu setzen. Aber der Roman »Esra«, der sich um diese Altersgruppe kümmert, darf wegen eines Rechtsstreits nicht ausgeliefert werden, und so muss diese Generation erstmal ohne sinnstiftende Lektüre auskommen.

Die volle Identitäts-Dröhnung durch Maxim Biller kriegen dagegen »die Kinder der Ausländer« ab, und zwar in dessen Beitrag in der FAS, deren Feuilletonstrecke sich in der Ausgabe vom 22. Juni mit der deutsch-türkischen Boheme in diesem Land beschäftigt. Leute, die man bisher ein bisschen umständlich »sowieso-stämmige Deutsche« nannte oder »Sowiesos nicht-deutscher Herkunft« oder pathetisch als die »Söhne und und Töchter der Einwanderer« bezeichnete, werden von Biller mit dem Label »dritte Ethnie« versehen. Wobei die Normaldeutschen erste, die Einwanderer zweite Ethnie sind. Noch leben die Dritt-Ethnier an den Rändern der Gesellschaft, doch sie sind die Zukunft im »wohlstandskomatösen« Deutschland und wirken belebend wie eine »Elektroschocktherapie«. Leider klingt das Plädoyer für migrantisches Selbstbewusstsein ein bisschen nach Agenda-Kacke und Anleitung zur Steigerung des Bruttosozialprodukts.

Angedrohte Aktivitäten

Dieter Bohlen. Über die Trennung von Modern Talking kann man nicht wirklich glücklich sein. Denn keineswegs hat Dieter Bohlen vor, sich aus dem Biz zurückzuziehen, sondern plant im Gegenteil, ganz Deutschland mit einer Reihe von Aktivitäten zu überziehen und hat sich wegen seiner Verdienste um den Standort auch bereits als Kandidat für das Bundesverdienstkreuz ins Gespräch gebracht. Pop-Nachwuchsförderung u.a. in der neuen Staffel von »Deutschland sucht den Superstar« steht jetzt ganz oben auf der Agenda, und auch die literarische Produktion soll noch eine Ausweitung erfahren. Das zweite Buch ist schon in Arbeit, außerdem wird gerade an einer Filmmusik komponiert usw. Thomas Anders, der nach Bohlen-Einschätzung eine demütigende Karriere als »viertes Mitglied der Flippers« gemacht hätte, wäre Bohlen nicht aufgetaucht, scheint dagegen noch planlos.

Who done it

Affäre. Michel Friedman soll nicht keusch (Ukrainerinnen) und nicht koscher (Kokain) gelebt haben. Soll, denn nichts Genaues weiß man. Klar ist nur, dass es sich um eine für deutsche Verhältnisse ungemein spannende Affäre handelt, deren Ausgang noch gar nicht abzusehen ist, denn ein Sex-Drugs-Rock’n’Roll-Leben wird jetzt nicht mehr nur dem Zentralratsvize, CDU-Mitglied und TV-Moderator nachgesagt, sondern auch anderen Politikern, womöglich bekannten Politikern. Eine Spur soll nämlich in den Bundestag führen.

Eine andere Spur führt hinein in Berliner Justizkreise, wo sich rechtspopulistische Sympathisanten des zu Tode gestürzten Jürgen Möllemann zusammengetan haben könnten, um gegen Friedman vorzugehen. Eine gezielte Kampagne gegen Friedman hält zum Beispiel der Chef des Berliner Aufbau-Verlages Bernd Lunkewitz für wahrscheinlich. Aus dem Fall Friedman könnte sich also noch ein echter Who’s-done-it entwickeln, bei dem es nicht mehr um das Privatleben des Karnevalsprinz-artigen Polit-Beaus geht, sondern um die Aufdeckung einer echt schmierigen Groß-Denunziation hochrangiger Beamter und Politiker.

Nach der Popliteratur

Wettbewerb. Die Popliteratur-Welle ist abgeebbt, was auch bedeutet, dass eine schier unerschöpfliche Quelle für ganz junge Literatur, Debütromane und Nachwuchs-Prosa für die Verlage versiegt ist. Ab sofort muss die Nachwuchsförderung wieder sehr ernsthaft betrieben werden, damit jugendliche Schriftsteller ein jugendliches Publikum erreichen und der Betrieb am Laufen gehalten wird.

Der in Dortmund ansässige Verein für Deutsche Sprache sowie andere Gesellschaften, darunter das Goethe-Institut, stellen sich das so vor: Unter dem angegrabbelten Motto »Deutschland sucht den Superstar« schreibt der Verein einen Contest für deutsch-gereimte Gedichte aus, und will dann – man fasst es kaum – die besten lyrischen Ergüsse im Weimarer Schlösschen Belvedere in historischen Kostümen vortragen lassen. Popliteratur, komm bitte wieder.

Dosen, bleibt bei uns!

Selbstkritik. Ein echtes Versäumnis dieser Zeitung ist es, die Einführung des Dosenpfands zu Beginn dieses Jahres nicht entschieden genug bekämpft zu haben. Nun ist es zu spät; die Dosenkultur scheint dem Niedergang geweiht. Jedenfalls gaben 78 Prozent der Getränkekäufer in einer Umfrage an, das Blech zu meiden. Davon waren 46 Prozent schon vor Jahresbeginn erklärte Dosen-Gegner, durch die Einführung schlugen sich jedoch noch mal 32 Prozent auf deren Seite. Von den hartnäckigen Käufern der Dose bringen lediglich 15 Prozent sie auch wieder zurück. Bleibt zu hoffen, dass sich der Imageschaden, den die mit Bier & Punk assozierte Dosenkultur durch das von Nachhaltigkeitsminister Jürgen Trittin auf den Weg gebrachte Pfand-Gesetz genommen hat, mit dem Start eines neuen einheitlichen Rücknahmegesetz begrenzen lässt.