Zurück zur Natur
Der Siegeszug der queer theory seit der Jahrtausendwende ging einher mit dem Zerfall der traditionellen homosexuellen Alltagskultur. Im urbanen Homosexuellen-Milieu, für das in den achtziger Jahren das Viertel rund um die Motzstraße in Berlin-Schöneberg exemplarisch war, diente Transvestitismus der souverän-legeren Selbstvergewisserung inmitten einer Homosexuellen skeptisch bis ablehnend begegnenden Gesellschaft. Sich mit weiblichen Accessoires auszustatten und zu kleiden, »unmännlich« zu sprechen oder vorwiegend von Frauen rezipierte Populärkultur wie Schlager zu lieben, war hier nicht Ausdruck des Wunsches von Männern, zu Frauen zu werden, sondern im Gegenteil Ausdruck eines homosexuellen Begehrens, das in ästhetischen Formen artikuliert wurde, die Elemente der heterosexuellen (weiblichen wie männlichen) Mode und Konsumkultur aufgriffen und ironisierten.
Mit der queer-theoretischen Verleugnung der ersten Natur und ihrer Auflösung in soziale oder kulturelle »Konstruktionen« verschwinden auch die Frauen, um die es angeblich gehen soll, aus dem Blickfeld.
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