Fußball-WM

Hunde und Deutsche

Die ersten Gewinner der Fußball-Weltmeisterschaft stehen bereits fest.

Gut 24 Stunden war die Fußball-WM im Gang, da standen auch schon die Glückspilze des Turniers fest: ein Hund namens Camachin und, wer auch sonst, die deutsche Nationalmannschaft.

Der kleine dicke Hund, der nach dem Trainer der Spanier benannt wurde, hatte sich dabei wohl ursprünglich mit seinem Schicksal schon abgefunden. Irgendwann würde der Restaurantkoch mit einem großen Messer in der Hand auf ihn zukommen und dann würde alles seinen Gang gehen. Der kleine dicke Hund hatte jedoch Glück. Ein spanisches Fernsehteam erblickte ihn im Kneipenfenster und entschied, dass es ihn genauso gut ungekocht für umgerechnet 30 Euro kaufen könnte. Es überreichte das Wollknäuel anschließend dem Team España, das sofort entschied, Camachin solle das neue Maskottchen werden.

Dass die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ähnlich viel Fortune haben würde, wollten dagegen vor der WM nur die Wenigsten einsehen. Dabei hatte sich das bereits Tage vor dem Anpfiff abgezeichnet. Der irische Trainer zettelte ausgerechnet mit dem Star des Teams, Roy Keane, einen derart heftigen Streit an, dass der Mittelfeldspieler zurück nach Hause flog. Die folgenden, bemerkenswert dilettantischen Versöhnungsversuche endeten allesamt ergebnislos, man wurde den Verdacht nicht los, dass entweder der Coach oder Keane oder gleich die komplette Mannschaft auf der DFB-Payroll stehen müssen. Denn die Iren haben sich mit der Demission ihres besten Fußballers kurzerhand wohl um jede Chance gebracht, die Deutschen zu schlagen.

Dennoch zeigten sich die Fans daheim nur wenig optimistisch über die Rolle der Deutschen bei der WM. In Umfragen meinten bis zu 70 Prozent, dass das Team wohl kaum das Achtelfinale erreichen werde. Unmittelbar nach dem Eröffnungsspiel Frankreich gegen Senegal war jedoch klar, dass es die WM der Außenseiter sein würde. Die Begeisterung über den Sieg der vermeintlichen Underdogs konnte deswegen niemand teilen, der das große Ganze im Auge behielt. Das Team Senegals hatte nämlich nur deswegen gewonnen, weil es deutsch spielte.

Das hätte jeden aufrechten Nationalmannschaftshasser nun in tiefe Depressionen stürzen müssen. Völlig ohne Druck würden die Völlers, so stand es bereits vor dem Anpfiff fest, unbeschwert aufspielen können. Zumal sie in der lächerlichsten Gruppe starteten (Der Eulenspiegel: »Unsere Gegner: Neger, Säufer, Terroristen«), die je für eine WM zusammengestellt wurde. Und der saudische Trainer wohl vergessen hatte, seinen Jungs mitzuteilen, dass ihnen für jedes Gegentor im Paradies eine Jungfrau abgezogen würde. Sowie, dass Fußball kein körperloses Spiel ist und man nicht einen Mindestabstand von drei Metern zu den gegnerischen Stürmern einhalten muss.

»Rudi, haudi Saudi« hatte Bild zuvor die deutschen Kicker angefeuert, und dürfte damit nicht nur der eigenen Klientel, sondern auch Ussama bin Laden, kurz: allen verabscheuungswürdigen Bewohnern dieser Erde, aus der Seele gesprochen haben. Dass die Saudis nunmehr bei Allah mit einer Jungfrau im Soll stehen, haben sie sich jedoch selbst zuzuschreiben. Obwohl natürlich auch die Fifa ein gerüttelt Maß an Mitschuld trägt, denn einen derart unfähigen Fußballerhaufen zu einer WM zu schicken, müsste eigentlich gesetzlich verboten werden, vor allem, wenn man sich die anderen Gruppen anschaut, in denen ausschließlich Nationen am Start sind, die das Spiel beherrschen.

So aber durfte sich der ARD-Experte Günther Netzer freuen, dass Deutschland wieder auf der Fußball-Landkarte eingezeichnet ist: »Denn das ist leider etwas, was in den letzten Jahren abhanden gekommen ist, dass wir Angst und Schrecken verbreiten.« Die deutschen Kicker werden sich also wieder einmal durch ein Turnier tanken, zumal sie das Glück haben, im Achtelfinale auf Slowenien oder Paraguay zu treffen. Danach lauern Italien oder Polen. Bis dahin haben die deutschen Fußballer derart viel Angst und Schrecken verbreitet, dass mit Gegenwehr nicht zu rechnen ist. Und so muss man durchaus davon ausgehen, dass sie in diesem Jahr Weltmeister werden könnten.

Was für den kleinen dicken Hund und seine Kumpels schlecht ist. Denn Camachin muss natürlich hoffen, dass Spanien Weltmeister wird. Dann würde nämlich, wie üblich, in Deutschland die Ursachenforschung losgehen. Was bei der letzten WM die angesichts des französischen Multikultiteams flugs eingebürgerten Ausländer waren, könnten dann die Wauwis sein: Jede Bundesliga-Mannschaft würde alles daran setzen, der größtmöglichen Anzahl südkoreanischer Hunde als offiziellen Maskottchen den deutschen Pass zu verschaffen.

Camachin sollte sich jedoch nicht allzu sehr über seine neue Rolle als WM-Star freuen. Er hatte nämlich einen Vorgänger namens Pickles. Seine Geschichte begann zunächst sehr hoffnungsvoll: Am 19. März 1966 war der damalige Coupe Rimet aus einer Ausstellung in der Central Hall/Westminster gestohlen worden. Der Diebstahl der Trophäe, die anlässlich der im selben Jahr in Großbritannien ausgetragenen WM präsentiert wurde, war derart wichtig, dass die BBC am Abend alle laufenden Programme unterbrach, um die Schreckensnachricht zu verkünden.

Scotland Yard wurde aktiviert, die Nachforschungen der Beamten verliefen aber zunächst ergebnislos. Äußerungen des späteren Fifa-Präsidenten, des Brasilianers João Havelange, trieben die Ermittler zu Höchstleistungen. Es sei mal wieder typisch, hatte er gesagt, »wir haben jahrelang den Cup besessen und die Engländer verlieren ihn innerhalb weniger Tage«.

Am 25. März meldete sich schließlich der Dieb. In einem Brief an den britischen Fußballverbandspräsidenten forderte er 15 000 Pfund, und zum Beweis, dass es ihm ernst sei, legte er Teile der Trophäe bei. Die Quartz- und Onyxsteine stammten, das ergaben Überprüfungen der Polizei rasch, tatsächlich vom Sockel der Statue. Nur einen Tag später gelang es den Beamten, den Dieb dingfest zu machen. Edward Bletchley wollte während der folgenden Verhöre jedoch nichts über den Aufenthaltsort des Cups sagen.

Bis schließlich der 26jährige Londoner David Corbett eines Abends seine schwarz-weiß gefleckte Promenadenmischung namens Pickles zum Gassigehen ausführte. Der Hund begann während des Spaziergangs unter einem Busch zu graben und förderte dabei ein Paket zutage. Corbett öffnete es und hielt plötzlich den Coupe Rimet in der Hand.

Scotland Yard entlohnte das Herrchen des Finders mit 6 000 Pfund, einer damals stattlichen Summe. Für Pickles wurde von einer Hundefutterfirma ein Extrapreis ausgesetzt. Als einziger britischer Hund erhielt er Zugang zu den folgenden WM-Spielen, allen anderen Kötern war es damals verboten, Fußball zu gucken. Zudem sollte der Rüde ein Jahr lang kostenlos sein Futter erhalten.

Pickles sollte es jedoch nicht schaffen, seine Freirationen vollständig aufzuessen. Das international bekannt gewordene Fußballmaskottchen starb an Verletzungen, die es sich im Kampf gegen eine zweifellos äußerst bösartige Katze mit wahrscheinlich deutschem Pass zugezogen hatte.