Wir rufen Dnjepropetrowsk

Derzeit wird vor dem Kartellsenat des Bundesgerichtshofs ein Fall verhandelt, der nicht nur auf die Berichterstattung über die europäischen Fußball-Pokalspiele Einfluß haben wird. Denn wenn die Dinge ihren erwarteten Gang nehmen, werden die meisten von uns ihre Wochenmitte grundlegend umplanen müssen.

Bislang war es so, daß die europäischen Vereinspokale (Uefa-Cup, Championsleague, Pokal der Pokalsieger, UI-Cup) zentral vom Deutschen Fußballbund (DFB) vermarktet wurden: Die Vereine geben ihre Vermarktungsrechte ab, der DFB machte mit den Sendeanstalten für die gesamte Saison einen Paketpreis ab. In diesem Jahr waren das 60 Millionen Mark, die nach folgendem Schlüssel verteilt wurden: 10 Prozent gingen an den europäischen Verband, 10 Prozent als Förderung an die Vereine der ersten und zweiten Bundesliga, 80 Prozent wurden unter den beteiligten Clubs aufgeteilt. Gegen diese Praktik erhob das Bundeskartellamt vor einiger Zeit Einspruch: Unzulässige Monopolisierung sei das. Am 16. Dezember ergeht das Urteil, und wenig spricht momentan dagegen, daß der Klage stattgegeben wird und die Vereine das Vermarktungsrecht bekommen.

Problematisch wird die Sache dadurch, daß die meisten Clubs dieses Recht gar nicht wollen. Nicht zu Unrecht befürchten sie, daß dann nur noch Topspiele - wie etwa Bayern München gegen Real Madrid - für Unsummen ans Pay-TV zu verhökern wären. Für Kiezduelle wie FC Kaiserslautern gegen Universitatea Craiova oder alte Traditionsderbys wie Hansa Rostock gegen Hearts of Midlothian hingegen würde kein Schwein mehr bezahlen wollen, von Vorrunden im UI-Cup würde nur noch per Rauchzeichen gekündet.

Bevor nun jemand angesichts dieses Tatbestands laut aufheult und Sätze formuliert, in denen Worte wie "Monopolisierung", "Ausgrenzung" und ähnlicher kulturkritischer Schnickschnack vorkommen, sollte er sich eines vergegenwärtigen: Ausgenommen von diesen Beschränkungen sind Kurzberichterstattungen. Außerdem werden die Preise für Radio-Reportagen kaum ansteigen. Und gerade in ihnen liegt die Chance, die Süße des Lebens zurück in die Wochenmitte zu holen.

Denn wie sieht derzeit eine typische Europacup-Woche aus? Von Dienstag mittag bis Donnerstag nacht übertragen zirka 18 Sender geschätzte 400 Stunden lang. Um die Zeit zwischen den Werbeblöcken zu füllen, werden Gestalten wie Jauch, Beckenbauer und Töpperwien ins Studio geladen, wird live in Trainingslager, Spielerlazarette und Bierzelte mit besoffenen Fans geschaltet. Fußballverächter bilden Notgemeinschaften, Sportreporter erkennen ihre Frauen nur noch am Geruch, Chips erhält man im Supermarkt ausschließlich gegen Vorlage eines notariell beglaubigten Vereinswimpels.

Vor 15, 20 Jahren war das anders: Ein bis zwei Spiele gab es live, der Rest wurde zügig in einer nächtlichen ARD-Zusammenfassung runterberichtet. Wer - wie der Autor dieser Zeilen - noch zu jung war, um so lange aufbleiben zu dürfen, der zog sich heimlich das Transistorradio unter die Bettdecke und biß vor Freude ins Kissen, wenn Johnny Otten im fernen Leipzig einen Elfer für Werder Bremen in die Maschen semmelte. Mit einem Wort: Es war großartig.

Dieser Zauber der Jugend hat jetzt wieder Platz. Sogar die Freundin könnte man auf die Matratze bitten, um ihr Schnittchen in den Mund zu schieben. Und statt erbittertem Streit hauchten nur noch leise Stimmen durchs Zimmer: "Jetzt nicht, Liebling. Sie schalten nach Dnjepropetrowsk."