Held der Arbeit

Gewerkschaften sind frauenfeindlich. So. Bumm. Jetzt ist es raus. Aber mal ehrlich: Hat das irgendjemand noch nicht gewußt? Hat sich nicht das Männerbündische auch in Politik und Staat als institutionelle Standardform behauptet? Und haben sich die Gewerkschaften nicht aus einer Arbeiterbewegung heraus entwickelt, deren Ziel es Mitte des vergangenen Jahrhunderts war, "Zustände" zu schaffen, "worin jeder herangereifte Mann ein Weib nehmen, eine durch Arbeit gesicherte Familie gründen kann" (Denkschrift der deutschen Abteilung der Internationalen Arbeiterassoziation, 1866)?

Damals hatte Erwerbsarbeit einen anderen gesellschaftlichen Status als heute, viele Frauen im Arbeitermilieu gingen nur aus ökonomischen Zwängen heraus arbeiten. Heute haben sich sowohl die Lebens- und Wohnformen wie auch die Arbeitskultur verändert. Die Gewerkschaften aber zeigen sich strukturkonservativ und halten an einmal Erkämpftem fest - dem Normalarbeitsverhältnis. Ohne zu bedenken, daß dieses nur auf eine bestimmte Klientel in einer bestimmten Entwicklungsphase zugeschnitten war.

Bezeichnend ist auch, daß sie heute noch beinahe ausschließlich durch ältere Männer repräsentiert werden, denen in aller Regel - und mit hohem Verschleiß - Ehefrauen den Rücken freihalten. Wie es an der Basis aussieht, zeigen Fallbeispiele aus verschiedenen gewerkschaftsinternen Studien, wie das eines Betriebsrats, der einer alleinerziehenden Mutter die Unterstützung verwehrte, weil die sich "doch einen Mann suchen" könne, "anstatt einem Lehrling den Ausbildungsplatz wegzunehmen".

Dabei spielt dann auch der eigene Mythos eine Rolle: Wirtschaftlichen Aufbau hätte es nicht gegeben ohne Bergleute und Stahlkocher. Und eine Heroisierung von Arbeit wäre nicht möglich gewesen ohne ein Ideal von Männlichkeit, wie es beispielsweise die rauh-aber-ehrlichen Kumpel verkörperten. Und welche Ausstrahlung für die ...ffentlichkeit haben vor diesem Hintergrund ein paar tausend streikende Süßwarenarbeiterinnen, die die NGG in weiße Plastiksäcke gesteckt hat, gegen die schweren Stiefel, klirrenden Eisenketten und brennenden Fackeln demonstrierender Kohlearbeiter?

Die jetzt veröffentlichte Studie der IG Metall ist nicht der erste Versuch, die Schwierigkeiten von Frauen in diesem Umfeld zu thematisieren. Vier Jahre ist es her, daß sich die DGB-Frauen zum 1. Mai die Parole "Frau geht vor" ausgedacht hatten - und dann von der empörten IG-Metall-Spitze gezwungen wurden, sie zurückzuziehen. Und erst im letzten Jahr hat die Sozialpsychologin Christine Morgenroth eine qualitative Untersuchung vorgelegt, die auf Befragungen von 1994 beruht.

Jedes Mal wurden Vorschläge erarbeitet, wie die Gewerkschaften aus dem Konflikt herauskommen könnten: Nicht, indem Frauen als besonders zu betüttelnde Personengruppe definiert, sondern indem die hierarchische Geschlechterdifferenz durch flache Hierarchien, kooperative Arbeitsformen und transparentere Arbeit ersetzt werden.

Auch jetzt hat die IG Metall wieder erklärt, sie wolle den Untersuchungsergebnissen Rechnung tragen und "neue Formen von Arbeit" ausprobieren. Aber selbstverständlich nur vorsichtig und ganz bestimmt nicht so, daß sich die Männer dabei auf den Schlips getreten oder am Blaumann gezupft fühlen könnten. Nämlich erst einmal nur in einigen Verwaltungstellen und vor allem mit "eigens dafür ausgebildeten Moderatoren".