Pflanzen und wie sie die Welt wahrnehmen

IQ-Test in der Baumschule

Laborbericht Von Svenna Triebler

Da Pflanzen kein Nervensystem besitzen, galt lange Zeit als ausgemacht, dass sie nicht zu nennenswerten Sinnesleistungen und Reaktionen auf ihre Umgebung fähig seien. Doch dieses Paradigma ändert sich langsam.

Dass Insekten, Mollusken und andere vermeintlich »niedere« Tiere mehr auf dem Kasten haben, als man es ihnen üblicherweise zutraut, wurde an dieser Stelle bereits kürzlich erläutert. Doch was empfindet eigentlich der Majoran, wenn sich Fressfeinde – mutmaßlich genüsslich – über sein Blattwerk hermachen?

Da Pflanzen kein Nervensystem besitzen, selbst vor den langsamsten Schnecken nicht weglaufen können und auch sonst kaum Aktivitäten zeigen, die für gewöhnlich unter dem Begriff »Verhalten« subsumiert werden, galt lange Zeit als ausgemacht, dass sie nicht zu nennenswerten Sinnesleistungen und Reaktionen auf ihre Umgebung fähig seien. Doch dieses Paradigma ändert sich langsam.

Mimosen etwa zeigen sich im Experiment lernfähig: Lässt man sie aus geringer Höhe weich fallen, klappen sie zunächst erwartungsgemäß ihre Blätter ein. Nach einigen Wiederholungen merken sie aber offenbar, dass ihnen nichts geschieht, und reagieren nicht mehr auf weitere Stürze – sogar noch einige Wochen später.

Kritiker:innen befürchten ein Abdriften in Unsachlichkeit bis hin in esoterische Gefilde, und das nicht ganz zu Unrecht: Man denke nur an den Bestsellerautor Peter Wohlleben (»Das geheime Leben der Bäume«).

Selten sind die Interaktionen von Pflanzen mit ihrer Umwelt so deutlich sichtbar, doch dank jüngerer Forschungen weiß man, dass bestimmte Pflanzen auf zahlreiche Reize reagieren: Ihre Wurzeln unterscheiden zwischen Konkurrenz und Verwandtschaft; mit chemischen Signalen warnen sie einander vor Plagegeistern und machen deren Fressfeinde auf den für sie gedeckten Tisch aufmerksam.

Auch registrieren sie nicht nur, aus welcher Richtung das Licht kommt, und passen ihren Wuchs entsprechend an, sondern unterscheiden auch verschiedene Wellenlängen, sprich: Farben, ­wodurch sie wahrnehmen, ob ihnen anderes Grünzeug den Platz streitig macht.

Grenze zum Ökokitsch

Dank ­solcher Informationen treffen sie regelrechte Entscheidungen: Wachsen etwa Goldruten für sich alleine, produzieren sie bei Befall mit Käfer­larven abschreckende Substanzen. Haben sie jedoch Nachbarn, drosseln sie zum einen ihre chemische Abwehr, zum anderen verstärken sie ihr Wachstum – als wüssten sie, dass sich das nur lohnt, wenn sich das Risiko auf mehrere Pflanzen verteilt.

Dokumentiert hat dies der Biologe André Kessler von der Cornell University. Er nennt das sogar »intelligent« – und begibt sich damit auf vermintes Terrain. Kritiker:innen befürchten bei solchen Analogien mit der tierischen Reizverarbeitung ein Abdriften in Unsachlichkeit bis hin in esoterische Gefilde, und das nicht ganz zu Unrecht: Man denke nur an den Bestsellerautor Peter Wohlleben (»Das geheime Leben der Bäume«), der gern mal die Grenze zum Ökokitsch überschreitet.

Es ist allerdings ein Unterschied, ob man wie Wohlleben von »Baummüttern« schreibt, die sich um ihre »Kinder« kümmern, oder nüchtern konstatiert, was Pflanzen so alles von der Welt mitkriegen. Dem Gummibaum ist es sicher egal, ob man ihm gut zuredet, aber verkümmern lassen sollte man ihn auch nicht. So gehet hin und gießet eure Zimmerpflanzen!