Welches Regelwerk entscheidet über das Gemüseangebot im Supermarkt?

Die Paprika­verschwörung

Cocolumne Von Ivo Bozic

Es geht um den Zustand der Demokratie und das schleichende Verschwinden der grünen Paprika.

Ich bin da einer großen Sache auf der Spur. Es geht um den Zustand der Demokratie und das schleichende Verschwinden der grünen Paprika. Einen Bezug zur Ampelkoalition gibt es nicht, obwohl es auch hier um Rot-Gelb-Grün geht.

Das Licht ging mir auf bei einem an sich belanglosen Pläuschchen mit einer Supermarktkassiererin. Ich hatte mich bei ihr dafür entschuldigt, dass ich wegen drei Paprikas (rot, gelb, orange) beim Wiegen drei Etiketten ausgedruckt hatte, da jede Paprikafarbe auf der Waage eigens ausgewiesen ist. »Dabei kosten die ja alle das gleiche«, stimmte die Kassiererin mir zu.

Da war sie aber an den Falschen geraten: »Ich, ich, ich will die grünen, nur die grünen, immer die grünen«, rief ich. »Ich kaufe nur aus Verzweiflung heute die anderen, weil Sie keine Grünen haben.«

Dennoch, so sagte sie, sei es wichtig, beim Wiegen die richtige Farbe auszuwählen, denn nur so wisse der Vertrieb, welche Paprikasorten nachzubestellen seien, also wie hoch die Nachfrage nach der jeweiligen Farbe sei. Wenn Sie eine rote wiegen, bestellt das System eine rote nach. »Und die grünen, die will ja niemand«, meinte die Kassiererin. Da war sie aber an den Falschen geraten. »Ich, ich, ich will die grünen, nur die grünen, immer die grünen«, rief ich. »Ich kaufe nur aus Verzweiflung heute die anderen, weil Sie keine Grünen haben.«

Und da fiel mir auf, in welcher Klemme wir alle zusammen da steckten; wir Konsumenten, die Verkäufer, die Landwirte, ja der gesamte freie Markt. Tatsächlich entscheiden wir Konsumenten, welche Paprika das Rennen macht. Nur eben unbewusst. Wer weiß schon, dass sich an der Obst- und Gemüsewaage das Schicksal der Früchte entscheidet.

Und dazu kommt: Wenn, wie so oft, gar keine grüne Paprika ausliegt, kann ich sie auch nicht wiegen und kaufen. Sprich: Wenn die grüne einmal aus ist, haben wir kaum noch demokratische Mittel, sie zurückzuholen. Seit ich das weiß, drucke ich nun, auch wenn ich gar keine Paprika kaufe, an der Gemüsewaage jedes Mal ein paar Etiketten für grüne Paprika aus und klebe sie irgendwo neben die Waage. Mir ist bewusst, dass das an Wahlfälschung grenzt, aber hey: Lässt mir das System denn eine andere Wahl?

Mir ist bewusst, dass das an Wahlfälschung grenzt, aber hey: Lässt mir das System denn eine andere Wahl?

Was soll das überhaupt für eine Wahl sein? Man kann ja in der Regel nicht statt einer grünen Paprika einfach eine rote oder gelbe nehmen. Das sind völlig unterschiedliche Gemüse mit ganz unterschiedlichem Geschmack. Es mag ja sein, dass es weniger Nachfrage nach grünen gibt, aber sicher gibt es noch weniger nach Süßkartoffeln oder Ingwer und diese Produkte werden dennoch kontinuierlich angeboten. »Der Markt« glaubt offenbar wirklich (!), mit dieser Methode die Nachfrage feststellen zu können.

Womöglich glaubt der Markt sogar, dass wir Lollo rossa lieben, am liebsten schon leicht angematscht, nur weil wir es notgedrungen so oft kaufen. Coco übrigens mag jede Art Paprika, aber essen dürfen Hunde sie eigentlich nicht, wegen des Solanins. Die rote hat davon weniger, aber Coco darf ja eh nicht mit abstimmen.