In der französischen Linken dominiert die Unterstützung der Hamas

Hamas-Freunde im Siegestaumel

Kommentar Von Tom Göhring

Vor allem die größte Partei des linken Bündnisses in Frank­­reich, La France insoumise, unterstützt palästinensische Gruppen bedingungslos. In Zeiten von islamistischen Anschlägen zahlen vor allem die Juden und Jüdinnen den Preis dafür.

Es ist ruhig auf den einschlägigen linken Accounts in den sozialen Medien Frankreichs am 25. August. Einen Tag zuvor hat ein Islamist auf dem Solinger Stadtfest drei Menschen ermordet, nach Angaben des »Islamischen Staats« als »Rache für Muslime in Palästina und überall«. Am Morgen des gleichen Tags setzte ein in Kufiya und palästinensische Fahne gehüllter Mann durch die Explosion einer Gasflasche Türen einer Synagoge nahe Montpellier in Brand, ein Polizist wurde verletzt.

Man müsste beunruhigt sein im Land der Laizität, dessen Erfahrungen mit islamistischen und antisemitischen Anschlägen in den vergangenen Jahren noch blutiger waren als in den meisten anderen europäischen Ländern. Vor allem die jüdische Gemeinde in Frankreich, die größte Westeuropas, war wiederholt Ziel islamistischer und antisemitischer Angriffe. Oft blieb es nicht bei angezündeten Türen.

Eine Geste der Solidarität mit den Opfern in Deutschland oder mit der jüdischen Gemeinde in Montpellier sucht man vergeblich.

Die paar Opfer dieser Angriffe seien nichts im Vergleich zu den Tausenden Toten im Gaza-Streifen, so der Tenor der Kommentare unter den Meldungen zu den Anschlägen. Meist aber wird gar nicht erst darüber gesprochen. Auf dem Instagram-Account von La France insoumise (LFI) findet sich keine Stellungnahme zu den jüngsten ­Ereignissen. Auf der Abschlussveranstaltung der Sommeruniversität von LFI wurden gebetsmühlenartig die klassischen Forderungen nach einer »Dekolonisierung« und einem Waffenembargo gegen den Israel wiederholt. Eine Geste der Solidarität mit den Opfern in Deutschland oder mit der jüdischen Gemeinde in Montpellier sucht man vergeblich.

Die notorische Israel-Kritikerin und LFI-Europaabgeordnete Rima Hassan postete ein Statement der antizionistischen jüdischen Gruppe Kessem, das die Schuld am versuchten Anschlag auf die Synagoge in Montpellier auf den französischen Präsidenten Emmanuel Macron und den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu schiebt. Hassan selber wurde auf verschiedenen Demos in Jordanien gefilmt, wie sie mit Hamas-Unterstützern und unter Rufen demonstriert, die den Terror verharmlosen. Kessem hatte sich vor nicht allzu langer Zeit mit dem Vorschlag ins Rampenlicht gerückt, dass Israelis aufhören sollten, an touristischen Orten Hebräisch zu reden, aus Respekt vor den Opfern im Gaza-Streifen.

Abwehrmechanismen gegen den eigenen Antisemitismus

Wenn man sich unter Linken umhört, werden schnell übliche Abwehrmechanismen gegen den eigenen Antisemitismus herausgeholt. So sei das eigentliche Problem der Antisemitismus der Rechten und Bürgerlichen; der Hass auf Israel wiederum sei gerechtfertigt wegen des »Genozids« und der Siedlungspolitik der ultrarechten israelischen Regierung. Fakten werden dabei häufig verdreht und Widerspruch wird oft damit abgewehrt, dass es sich bei Einwänden um Narrative der rechten Presse handle.

Daran stimmt zumindest, dass ein Großteil der bürgerlich-konservativen Presse jeglichen Vorwurf des Antisemitismus nutzt, um die Linke und einen Großteil der Muslime in Frankreich zu stigmatisieren. Doch dass man selber in diesem von Lagerdenken geprägten Spiel mitmacht und antisemitismuskritische Gruppen wie die ­jüdische Gruppe Golem sowie andere gemäßigtere Linke schnell als Verteidiger des »Genozids« brandmarkt, scheint den meisten nur ein Schulterzucken wert.

Lärm aus den eigenen Echokammern

Angetrieben vom Wahlsieg bei den Parlamentswahlen im Juli scheint ein Großteil der radikalen Linken wenig an Fakten und Mäßigung interessiert zu sein. Konfrontation ist publikumswirk­samer. So kleideten sich Anfang Juni LFI-Abgeordnete öffentlichkeitswirksam in der Nationalversammlung in den Farben der palästinensischen Flagge. Bei der linken Wahlallianz Nouveau Front populaire (NFP), insbesondere bei LFI, der stärksten Partei des Bündnisses, das keine gemeinsame Fraktion in der Nationalversammlung bildet, wächst das Selbstbewusstsein und damit die Überzeugung, Kritik als Diffamierung abwehren zu können. Gleichwohl stellt LFI mit 72 Sitzen in der Nationalversammlung nur eine Minderheit. Die anderen Fraktionen des NFP sind bei dem Thema Israel-Palästina ausgewogener.

Es scheint, als würden sich die Pro-Hamas-Strömung der Linken in Frankreich schon an der Regierung sehen. Dabei ist bislang nicht klar, mit welcher Mehrheit sie ihre geplante israelfeindliche Außen- und Innenpolitik durchsetzen wollen. Aber das scheint einer radikalen Linken im Siegestaumel, befeuert vom Lärm aus ihren Echokammern in den sozialen Medien, egal zu sein.