Auf der Party »Pop meets Kunst« geben alte Bekannte sich ein Stelldichein

Der analoge Mann

Aus Kreuzberg und der Welt: Andy Warhol’s Garden Party in der Friedrichstraße

Am vergangenen Sonntag luden Jim Avignon und seine Gang von Mitstreiter:innen mal wieder zu »Andy Warhol’s Garden Party« in der »Frieda Süd« auf dem Gelände einer Baulücke in der Berliner Friedrichstraße. Einmal im Jahr dreht sich auf dem Areal, auf dem auch das gemeinnützige Projekt Bauhütte Kreuzberg untergebracht ist, alles um Kultur. Ansonsten sind hier Nachbarschaftsprojekte und Urban Gardening zu Hause. Das Motto der Party, »Pop meets Kunst«, beschreibt nicht gerade meine persönlichen Vorlieben, dennoch treffe ich hier überraschenderweise immer alte Bekannte. Ich vermute, dass der unkommerzielle und gemütliche Charakter der Sonntagnachmittagsveranstaltung altersgemäß ist.

Ich erinnere mich, wie »Schenefeld-Jan« mit krassem Breakbeat-Geballer auf maximaler Lautstärke den Pudel-Club leer spielte.

Als Julia und ich dort ankommen, hat Jim Avignon, alias Neoangin, schon gespielt. Es werden die ersten ­Gewinner der Tombola ausgelost, danach tritt die Post-Punk-Band Twins in Colour auf. Plötzlich steht Jan vor mir. Ich erkenne ihn nicht gleich. Er stellt sich vor: »Schenefeld-Jan«. Oh Mann, ja, Schenefeld-Jan.

Peinlich, dass er so weit zurückgreifen muss. »Schenefeld-Jan« wurde er in den achtziger Jahren in der Punkszene genannt, um ihn von den anderen Hamburger Jans – Jan Damkowski und Jan Müller – zu unterscheiden. Jetzt erkenne ich ihn natürlich.

Hamburger Untergrundszene

Wir haben uns zuletzt vor 20 Jahre gesehen. Unter seinem DJ-Künstlernamen Christoph de Babalon hat er in den neunziger Jahren auf Alec Empires Label Digital Hardcore veröffentlicht, Tocotronic remixt und war Teil der Hamburger Untergrundszene.

Ich erinnere mich, mal gesehen zu haben, wie er mit krassem Breakbeat-Geballer auf maximaler Lautstärke den Pudel-Club leer spielte. »Ich erinnere mich genau, wo wir uns kennengelernt haben«, sagt Jan. »Im Skunk!« »Stimmt«, antworte ich, »ich erinnere mich!« Das Skunk war eine Punk-Kneipe im Karolinenviertel, die vom jüngst verstorbenen Herbert Zorn betrieben wurde.

Vom Hardcore-Punk zu elektronischem Krach

Herbert gründete 1992 auch den nach wie vor existierenden Hamburger Soul-Plattenladen Groove City. Für Herberts Veranstaltung Soul Stew im Mojo Club entwarf ich Anfang der neunziger Jahre ein Plakat und für Groove City ein Logo, das auf T-Shirts, Sweatshirts und Slipmats gedruckt wurde.

So wie Herbert sich von Punk zu afroamerikanischer Musik wandte, gelangte Jan vom Hardcore-Punk zu elektronischem Krach. Es ging um Weiterentwicklung. Wir unterhalten uns ­jedenfalls angeregt über unsere Hamburger Zeit und es stellt sich heraus, dass wir fünf Minuten voneinander entfernt wohnen. Wir versprechen, uns demnächst mal auf einen Kaffee zu treffen.

Wenn es nach mir ginge, wäre Jim Avignon der größte deutsche Künstler, anstelle des drögen Anselm Kiefer. 

Während wir uns unterhalten, haben Grateful Cat angefangen zu spielen, die Band von Gwendolyn und Frank. Ihr Folk zwischen Beach Boys, Byrds und Ramones macht wie immer gute Laune. Wie im Übrigen die gesamte Veranstaltung. Überall hängen die heiteren Bilder von Jim Avignon und anderen Künstler:in­nen.

Warum hängen die hier und nicht im Museum? Wenn es nach mir ginge, wäre Jim Avignon der größte deutsche Künstler, anstelle des drögen Anselm Kiefer. Jim Avignon ist zumindest der profilierteste Berliner Popkünstler. Seine bunten Originale hängen bei Tausenden Leuten in der Wohnung. Wer kann das schon von sich sagen? Aber wenn Jim Avignon das Hundertfache für seine Bilder bekäme, wer würde dann »Andy Warhol’s Garden Party« veranstalten?