Gespräch mit Detlef Hensche

Früher war nicht alles besser

Mit den Gewerkschaften wird es wieder aufwärts gehen, meint der scheidende Vorsitzende der IG Medien, detlef hensche. Ein Gespräch über unterbezahlte Journalisten, einstürzende Jungunternehmen und löchrige Tarifverträge

Herr Hensche, war der Streik der Lufthansapiloten unanständig?

Nein.

Eine erfrischend kurze Antwort. Dieser Streik ist bei den Gewerkschaften auf Kritik gestoßen. Den Piloten wurde sogar Sozialdarwinismus vorgeworfen, und zwar aus der ersten verdi-Reihe.

Natürlich habe auch ich ein sehr gespaltenes Verhältnis zu dem, was einzelne Berufsverbände - in diesem Fall die Pilotenvereinigung Cockpit - machen. Was die Piloten gefordert und durch Streik dann auch rausgeholt haben, hat schon den Geschmack von standespolitischer Privilegiensicherung. Damit habe ich meine Probleme. Doch wenn 4000 Mitglieder mit der satzungsrechtlichen Mehrheit einen Streik beschließen, um Einbußen wettzumachen, die sie vor Jahr und Tag zugunsten der Lufthansa hinnehmen mussten, dann ist ein Arbeitskampf legitim. So etwas muss man ertragen.

Zeigt der Pilotenstreik nicht auch, dass von den Gewerkschaften eher auf das große Ganze geblickt wird und mitunter eher auf die Befindlichkeit der Bundesregierung Rücksicht genommen wird und dass genau das ausbleibt, was man Gewerkschaften vorwirft: Klientenpolitik?

Fehlentwicklungen gibt es. Aufgabe der Gewerkschaften ist es unverändert, in gleicher Weise die Interessen der Arbeiter, der prekär Beschäftigten, der Arbeitslosen, der Frauen wie der Männer, und eben auch der Piloten wahrzunehmen. Einzelne Interessen herausgreifen, das ist klassische Standespolitik. Durch die Verallgemeinerungsnotwendigkeit sollten sich die Gewerkschaften von Standesorganisationen unterscheiden.

Sie haben über ein Vierteljahrhundert die Tarifpolitik in der Druckindustrie und die der Journalistinnen und Journalisten mitgestaltet. Sie mussten zwischen dem mittelständischen Drucker im Hinterhof und den potenten großen Druckkonzernen einen ökonomischen Ausgleich hinbekommen. Dazwischen hingen die Journalisten, die sauer waren, wenn wegen eines Druckerstreiks ihre Artikel nicht erschienen. Was war hier der schwierigere Part: das Gefeilsche um Zehntelprozente oder das Vermitteln zwischen den Interessen der Mitglieder?

Natürlich die Auseinandersetzungen mit den Unternehmern. Doch mitunter hatten wir auch intern Separierungstendenzen. So wurde einmal über eigenständige Zeitungstarife diskutiert, da es diesen Betrieben ökonomisch besser ging als den mittelständischen Akzidenzbetrieben. Solchen Sonderinteressen nachgehen heißt, sich auf die abschüssige Bahn von Partikularinteressen begeben.

Richtig ist, dass ein Zeitungstarifvertrag besser ausgeschaut hätte als der Drucktarif insgesamt. Wenn ich jedoch über die Jahrzehnte gesehen Bilanz ziehe, dann bleibt unterm Strich, dass der Drucktarif auch deshalb relativ gut ist, weil es das Zugpferd der Zeitungsverlage gibt und die Kleinen sozusagen vom Fahrtwind der Großen mitgerissen werden. Die Rücksicht auf die Situation einer Branche insgesamt unterscheidet die deutschen Gewerkschaften von den hemdsärmeligen Trade-Unionismen anderer Länder; und so sollte es bleiben.

Viele Flächentarifverträge sind so löchrig, dass sie Schwierigkeiten hätten, durch die Qualitätskontrolle für Schweizer Käse zu kommen. Das Stichwort heißt Öffnungsklauseln, und hier muss man doch feststellen, dass die Zweiteilung längst Realität ist. Betriebe, denen es vermeintlich schlecht geht, können vom Tarif in Bezahlung und Arbeitszeit abweichen.

Das ist aber eine andere Zweiteilung. Das hat nichts mit Partikularinteressen zu tun. Die Öffnungsklauseln gelten für wirklich Not leidende Betriebe.

Diese Betriebe sind dann die Entschuldigung dafür, dass es auch andernorts tarifpolitisch bergab geht ...

Halt! Die Öffnungsklauseln beziehen sich auf echte Notsituationen, die niemals Maßstab für verallgemeinernde Tarifpolitik sein können.

Im Schulterschluss der Drucker mit Journalisten hat die IG Medien in den letzten Jahren wenig gewuppt. Gerade die immer größer werdende Gruppe der freien Journalisten ist eigentlich vogelfrei.

Auch hier rate ich zu differenzierter Betrachtung. Die Tarife der fest angestellten Journalisten sind nicht schlecht. Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind auch die Freien gut abgesichert. Prekär ist die Situation der Freien bei Tageszeitungen. Der Tarifvertrag, den es hier gibt, ist nicht auf der Höhe der Zeit, die Zeilenhonorare sind lächerlich. Noch grausamer ist es bei den Zeitschriften, da gibt es überhaupt kein Regelwerk. Hier setze ich auf die Novellierung des Urheberrechts, die ja unter anderem kollektive Vereinbarungen über Mindestentgelte vorsieht.

In der Medienindustrie gibt es noch eine andere Zweiteilung: das duale System. Hier der öffentlich-rechtliche Rundfunk und da die privaten Sender. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Tarifpolitisch gesehen ist die Machtbalance im öffentlich-rechtlichen Rundfunk durch einen guten Organisationsgrad besser als im Privatfunk. Für den Privatfunk gilt, was für alle neu entstehenden Branchen gültig ist. Es dauert mitunter viele Jahre, bis die Gewerkschaften Fuß fassen. Wenn etwas neu ist, herrscht Pioniergeist. Mittlerweile können wir aber sagen, in etwa der Hälfte der Privatfunkbetriebe sind wir »drin«.

Im Bereich der Neuen Medien erleben die Gewerkschaften derzeit einen Boom.

Na ja, diese Betriebe gibt es auch schon einige Jahre. Hier spielt uns die jetzige Krisensituation in die Hände. Es zahlt sich auch aus, dass wir mit Projekten arbeiten. Darauf hätten wir vielleicht früher kommen können.

Die Debatte wurde vor 20 Jahren unter dem Motto »Pro öffentlich-rechtlicher - kontra Privatfunk« geführt. Hat diese Debatte in Bezug auf die Beschäftigten des Privatfunks geschadet?

Medienpolitisch war das die richtige Debatte. Das gilt bis zum heutigen Tag. Den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verteidigen und weitere Privatisierungstendenzen verhindern. Ich glaube nicht, dass uns in Punkto Mitgliederwerbung diese Debatte schadet. Wir haben ja auch beim Springer-Verlag, also auch bei der Bild-Zeitung Tarifverträge und Betriebsräte, obwohl ich mit diesem Presseprodukt meine Probleme habe. Da muss man schon zwischen der medienpolitischen Auseinandersetzung auf der einen und der tarif- und betriebspolitischen Auseinandersetzung auf der anderen Seite unterscheiden. Betriebsratsgründungen bei RTL oder anderen Privatsendern sind nicht daran gescheitert, dass die IG Medien eine kritische Haltung zur Kommerzialisierung und Verflachung der Medienlandschaft hat, die ja leider auch am öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht vorbeigeht; umgekehrt finden wir mittlerweile auch im Privatfunk durchaus gute Sendungen.

Medienpolitik ist zur Standortpolitik verkommen, und die Debatte spitzt sich momentan darauf zu, wie viel Medienaufsicht man braucht. Braucht jedes Bundesland seine eigene Aufsichtsbehörde?

Ja.

Vor Jahr und Tag forderte ihre Gewerkschaft ein Presserechtsrahmengesetz, unter anderem, um Medienkonzentration und Monopolstellungen einzelner Konzerne zu verhindern. Die Vorlagen sind im Keller in dicken Schränken verschwunden.

Ich würde sie gerne wieder raufholen. Konzentration und Monopolisierung der Medien sind in meinen Augen zentrale Herausforderungen der Gesellschaftspolitik, auch zur Sicherung der Demokratie. Man schaue nach Italien und auf Berlusconis Wahlsieg.

Es gibt aber so gut wie keine Möglichkeit, Krawalljournalismus abzustrafen. Für den Printbereich gibt es den Presserat, ein Selbstregulierungsgremium, das keine Sanktionsmöglichkeiten hat.

Er kann Öffentlichkeit herstellen; das ist keine unbedeutende Sanktion.

Noch sehr präsent ist das Beispiel der Bild-Zeitung mit dem manipulierten Foto von Umweltminister Jürgen Trittin. Chefredakteur Kai Dieckmann behauptet, das wäre ein Versehen gewesen, nicht mit Vorsatz geschehen, das glaubt ihm aber niemand. Sanktionen könnten doch solche »Versehen« zumindest eindämmen. Dann müssten Sanktionen aber wehtun.

Da bin ich mir nicht sicher. Für dieses Beispiel gibt es neben dem Presserat noch den zivilrechtlichen Klageweg und im Falle von Ehrverletzungen auch Strafsanktionen. Was wollen Sie mehr? Oder wollen Sie die Bild-Zeitung verbieten?

Das wäre doch ganz lustig: Der Presserat beschließt, Bild, du darfst zwei Tage nicht erscheinen ...

... dann müssen Sie aber auch damit leben, wenn Gleiches für die Jungle World beschlossen wird. Für eine Inhaltskontrolle sehe ich neben den aufgezeigten Sanktionen keine weiteren Möglichkeiten; jene Sanktionen reichen auch. Die wichtigere Materie ist die Konzentrationskontrolle. Da ist es enttäuschend, dass der Gesetzgeber nicht den Mut findet, die Schwelle für Konzentration so anzusetzen, dass wirklich noch Konkurrenz entstehen kann. Medienpolitisch haben wir es ja mit dem Duopool Kirch und Bertelsmann zu tun.

Mehr eigenständige Unternehmen würden uns gut tun. Nicht zuletzt unter den Lokalzeitungen. In den meisten Städten und Gemeinden können die Bürger nicht zwischen mehreren Titeln wählen. Hier würde Konkurrenz in der Tat das Geschäft beleben. Journalistisch wäre das spannend: Welche Zeitung am Ort recherchiert und schreibt die besseren Geschichten?

Die Quote wurde zum Evangelium der Medienmacher. Was setzen Sie dem Quotendruck entgegen?

Rückgrat. Die Ausbildung verbessern, einen berufspolitischen Diskurs eröffnen, darüber streiten, was Qualität in den Medien überhaupt heißt. Die andere Antwort wäre: Wie befreie ich mich ökonomisch vom Quotendruck? Es gibt den bekannten Satz: »Die Freiheit der Presse liegt zuvörderst in der Freiheit, kein Gewerbe zu sein.« Doch gegenwärtig ist die Presse ein Gewerbe. Diese Entwicklung drehen wir nicht zurück. Deshalb ist ja zum Beispiel der öffentlich-rechtliche Rundfunk so wichtig, und wir sollten ihn verteidigen. Die Verbindung von Pressefreiheit und Gewerbefreiheit befördert tendenziell die Abhängigkeit von Quote und Auflage. Das zieht Qualitätsverlust, Atemlosigkeit und Jagd nach Sensationen, sich überschlagendes Tempo, Vernachlässigung der Recherche nach sich.

Unlängst feierten die Journalisten in der IG Medien den 50. Jahrestag ihres Anschlusses an eine Industriegewerkschaft und setzten sich so von der Standesorganisation ab. Aus diesem Anlass forderte der Leiter des WDR-Magazins Monitor, Klaus Bednarz, wegen der vielen »Scharlatane, Unausgebildeten und vorsätzlichen Übeltäter«, die sich im Gewerbe tummeln, aus der Berufsbezeichnung Journalist einen geschützten Beruf zu machen. Ist Bednarz damit in der IG Medien - jetzt der Fachbereich Medien von verdi - mehrheitsfähig?

Ich glaube eher nicht. Allerdings gibt es immer wieder Ansätze, den Diplomjournalisten einzuführen; diese Debatte wird ziemlich kontrovers geführt, nach meiner Einschätzung ist Bednarz' Vorschlag gegenwärtig nicht mehrheitsfähig. Ich selbst bin auch dagegen.

Das wäre dann einer der wenigen Punkte, wo IG Medien-Journalisten mit den Verlegern einer Meinung sind. Die wollen auch kein geschütztes Berufsbild und begründen das mit dem Gebot der freien Meinungsäußerung des Grundgesetzes.

Das Grundgesetz würde ich hier mal außen vor lassen. Ich könnte mir sehr wohl eine Presse- und Journalistenlandschaft mit bestimmten geregelten Berufszugängen vorstellen. Doch ich bin aus politischen Gründen dagegen. Ich setze sehr auf den freien Zugang zum Journalismus. Im übrigen sind viele Journalistinnen und Journalisten hoch qualifiziert. Die haben Hochschulabschlüsse in den unterschiedlichsten Disziplinen.

Im Journalismus tummeln sich auch viele »gescheiterte Existenzen«, um es Mal hart auszudrücken: Lehrer, die keinen Bock auf Schüler haben, werden Kulturredakteur, der Diplomchemiker, der keinen Job findet, schlüpft in der Wissenschaftsredaktion unter, die ehemalige Schönheitskönigin wird Gesellschaftsreporterin - eben die Leute, die Bednarz meint.

Nennen Sie mir einen Berufszweig, wo es keine Scharlatane gibt. Selbst unter Juristen soll's die geben. Diplome schützen nicht vor Scharlatanerie. Die Frage ist: Was bewerte ich höher? Institutionalisierte und berufsbezogene Qualitätsstandards, die zweifelsohne beim geregelten Berufszugang gegeben wären oder die Quereinsteigeroption, die ja auch Buntheit und Vielfalt ermöglicht? Ich neige zu der zweiten Option.

Ist es Nostalgie, wenn ich sage, vor 30 Jahren wollten viele junge Menschen zur Presse, weil sie politisch etwas bewegen wollten, und heute kommen sie, weil es sexy ist, im Medienbetrieb zu arbeiten?

Ich halte eine dritte Kategorie für bedeutsamer. Andere Broterwerbstätigkeiten sind vielen jungen Menschen verschlossen, und dann schlagen sie sich als freie Journalisten durchs Leben. Ihre Feststellung ist auch richtig. Im Zuge der 68er sind viele aus Gründen der politischen Überzeugung Journalisten geworden, und das hat der Presse nachhaltig gut getan. Ohne sie würde es Publikationen wie taz, Frankfurter Rundschau oder die Jungle World und viele andere nicht geben. Im Übrigen halte ich die vielen kleinen linken Nischenpublikationen für wichtig. Es ist gut, dass es sie gibt!

Sie sind vor 32 Jahren als Intellektueller zu den Gewerkschaften gekommen, und mit Ihnen wandten sich viele Intellektuelle der Arbeiterbewegung zu. Warum ist das alles auf der Strecke geblieben, warum wenden sich Intellektuelle von der arbeitenden Bevölkerung ab?

Diese Entfremdung stelle ich seit ungefähr zehn Jahren fest. Auf dem Campus und andernorts hat sich ein Selbstverständnis entwickelt, das wenig mit politischem Aufbruch und Emanzipation zu tun hat. Dass seinerzeit viele Menschen zur Gewerkschaft fanden, hat auch etwas mit der damaligen Situation zu tun. Willy Brandts Aufruf »Mehr Demokratie wagen« stand für einen gesellschaftlichen Reformaufbruch. Jetzt hat sich ein neoliberaler Mainstream durchgesetzt. Werte wie Gleichheit und Solidarität gelten nicht mehr. Es wird wieder von Elitenbildung und nicht mehr von Bildung für alle geredet. In den Vordergrund drängen Ellbogenmentalität und Tugenden des Sozialdarwinismus.

»Damals«, das war auch die Zeit, wo vom Industriearbeiter noch mit Hochachtung gesprochen wurde. Kann es sein, dass viele Intellektuelle die Arbeiterbewegung auf der sicheren Seite wähnten und sich deshalb auf deren Seite schlugen?

Na ja, da spielte auch eine gewisse Heroisierung eine Rolle. Vieles wurde auch übertrieben. Doch es ist richtig, dass die Industriearbeiterschaft und damit die Gewerkschaften Ende der sechziger Jahre selbstbewusster wurden. Das Ironische dabei ist, dass die Gewerkschaften zunächst gegen ihren Willen an Kraft dazugewonnen haben. Die großen Septemberstreiks 1969 wurden ja ohne das Zutun der Gewerkschaften organisiert. Das neue Selbstbewusstsein hatte seine Magnetfunktion auf Intellektuelle.

Heute gelten Gewerkschaften eher als eine Organisation der Loser.

Das ist Blödsinn. Und wenn es so ist: Menschen, die sich in Gewerkschaften zusammenschließen, weil sie Schutz suchen, als Loser zu bezeichnen, finde ich zynisch. Der auf die Straße geworfene IT-Fachmann ist doch kein Loser. Natürlich gibt es Spitzenkräfte und Pioniere, die sich auf ihre eigene Kraft verlassen können; die brauchen keine Gewerkschaft, umgekehrt braucht die Gewerkschaft sie.

Haben Sie eine Idee, wie man das Thema soziale Gerechtigkeit wieder gesellschaftsfähig machen kann?

Da sehe ich viele Möglichkeiten. Vergessen wir mal die Börsenbesessenheit und Euphorie der letzten Jahre und wenden uns dem allmählich wieder einkehrenden Normalmaß der kapitalistisch geprägten Arbeitswelt zu. Da sehe ich in zunehmenden Maße Verdrossenheit und Verärgerung über Stress am Arbeitsplatz. Die Verheißungen von Projektarbeit und Gruppenarbeit entpuppen sich oftmals als heiße Luft. Darüber ärgern sich die Menschen. Sich gegen Willkür im Betrieb zur Wehr setzen, sich gegen den langen Arm der Arbeit bis weit in die Privatsphäre zu wehren - da sehe ich viele Chancen.

Die IG Metall hat in Baden-Württemberg gerade einen Tarifvertrag zur Qualifizierung erstreikt. Sehen Sie hier eine neue Qualität von Tarifpolitik?

Auf jeden Fall. Genau darum geht es. Den Zusammenhang herstellen zwischen Qualifikation und menschenwürdigen Arbeitsbedingungen auf der einen Seite und zwischen Qualität der Arbeit und dem Arbeitsergebnis auf der anderen Seite. Die Menschen wollen etwas Gutes leisten und als Konsument wollen sie etwas Gutes haben. Um auf der Höhe der Zeit zu sein, braucht man Weiterbildung. Oder denken Sie an den Wohlstandsfaktor Zeit und Zeitsouveränität.

Die haben Sie demnächst. Was wird Ihnen fehlen, wenn Sie außerhalb des Funktionärsapparats stehen, was bleibt beim Rückblick auf 32 Jahre?

Verlangen Sie jetzt nicht, dass ich mein politisches Testament abgebe. Ich ziehe mich ja nur als aktiver Funktionär zurück. Momentan habe ich den Eindruck, dass es nach zehn Jahren Defensive mit den Gewerkschaften wieder aufwärts geht. Was mir fehlen wird, weiß ich noch nicht. Vermutlich wird mir der Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben fehlen. Insgesamt freue ich mich auf die nächsten Jahre. Mit halber Kraft werde ich in meinen erlernten Beruf als Jurist zurückkehren und mich in Berlin niederlassen. Eines werde ich sicherlich nicht machen: Ich werde nicht als »roter Großvater« durchs Land ziehen und erzählen, dass früher alles besser war.

Letzte Frage: Was machen Sie am 21./22. Juli?

Sie meinen, ob ich beim Weltwirtschaftsgipfel in Genua protestiere? Nein, da bin ich im Urlaub, und zwar weit davon entfernt. Doch Proteste gegen die desaströsen Folgen des herrschenden neoliberalen Kurses machen mir Mut.

Detlef Hensche war bis vor wenigen Tagen Vorsitzender der IG Medien. Die als streikfreudig geltende Gewerkschaft ging in der neu gegründeten vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (verdi) auf. Hensche ist ein guter Rhetoriker und ein Linker mit theoretischem Hintergrund.

Der 1938 in Wuppertal geborene Sohn eines Gummifabrikanten ist promovierter Jurist und war 32 Jahre hauptamtlicher Gewerkschaftsfunktionär.