Die Erik-Ahrens-Soap
Ein jüngerer Mann liegt im Bett, er blickt verträumt in die Kamera. Im Hintergrund läuft französische Popmusik, über seinem Gesicht wird der Satz »Warum deutsche Männer fremdgehen« eingeblendet.
Die Antwort folgt prompt: Deutsche Männer seien im Herzen treu, hätten aber einen Drang zu erobern. »Wenn wir nicht kämpfen, gehen wir fremd und abusen Frauen mit Gaslighting & Manipulation«, heißt es weiter. Wenige Monate zuvor fanden sich auf demselben Account noch Postings zu den Merkmalen der »genetisch linken Frau«, darunter: viele Sexualpartner:innen, psychische Erkrankungen, gefärbte Haare und Tattoos.
Bei dem Mann handelte es sich um Erik Ahrens. Der 31jährige ist eine der absurdesten Figuren in der daran nicht gerade armen rechtsextremen Szene. Mittlerweile gibt er sich als Aussteiger und firmiert im Internet als »Ex-Nazi Erik Ahrens«, doch noch vor wenigen Monaten propagierte er ganz offen eine »Rassenlehre« und fand, die AfD sei nicht rechtsextrem genug.
Ahrens sprach selbst davon, »Deutschrap-Methoden« für das völkische Milieu nutzbar zu machen. Ganz in diesem Sinne begann er öffentliche Streite mit Rechtsextremen wie Götz Kubitschek.
Ahrens’ politische Biographie besteht aus einer ganzen Reihe von politischen Kehrtwenden. Los ging es beim Sozialistischen Deutschen Studierendenverband (SDS) in Frankfurt am Main, wo er Englisch und Spanisch auf Gymnasiallehramt studierte. Ein ehemaliges SDS-Mitglied erzählte der Jungle World, er habe Ahrens als eher zurückhaltend erlebt. Sein Hang zur Selbstdarstellung scheint damals noch nicht so ausgeprägt gewesen zu sein, stattdessen übernahm er eher undankbare Verwaltungsaufgaben.
Als der Frankfurter SDS sich im Zuge einer Israel-Palästina-Debatte 2014 spaltete, schloss sich Ahrens zunächst dem antiisraelischen Flügel an. Seine erste Kehrtwende folgte im Jahr darauf: Er wechselte vom SDS zur antideutsch geprägten Linken Liste. Seinem ehemaligen SDS-Genossen zufolge habe Ahrens bis zuletzt nicht aufgehört, »gegen die Antideutschen zu schießen« – bis er dann »plötzlich drüben« gewesen sei.
In dieser Phase übersetzte Ahrens 2019 einen Text von Joachim Bruhn über Antisemitismus ins Englische. Im Jahr 2020 folgte dann der Bruch mit der Linken Liste. Seine ehemaligen Genossen erklärten später in einem Facebook-Post, er habe »sprunghaft und innerhalb kürzester Zeit« Positionen eingenommen, derentwegen er aus der Gruppe geworfen worden sei. In der Folge landete Ahrens sehr schnell bei der extremen Rechten. Bereits 2021 veröffentlichte er das Büchlein »Postliberal – Ein Entwurf« in Götz Kubitscheks Antaios-Verlag.
Der »AfD-Tiktok-Guru«
Zur selben Zeit gründete er mit der »Gegen-Uni« ein Projekt, das enge Verbindungen zur Identitären Bewegung (IB) unterhielt. Es bot Online-Seminare zu Texten von rechten Ideologen wie Alain de Benoist an und einen Lesekreis mit Martin Sellner, dem führenden Kopf der deutschsprachigen Identitären Bewegung.
In einem Interview mit der Zeit im Jahr 2023 leugnete Ahrens noch, dass die »Gegen-Uni« mit der IB verbunden gewesen sei, doch mittlerweile verweist das Impressum auf die Adresse des IB-Hausprojekts in Chemnitz. Ahrens, der sich längst mit Sellner zerstritten hat, bestreitet seine damaligen Verbindungen zur IB nicht mehr. Im August behauptete er in einem Video, das Konzept der »Gegen-Uni« gemeinsam mit Sellner erarbeitet zu haben.
In diesem Zeitraum knüpfte Ahrens auch engere Kontakte zur AfD, die schließlich dazu führten, dass er deren Social-Media-Strategie zur Europawahl 2024 mitgestaltete, vor allem die des Spitzenkandidaten Maximilian Krah. In dieser Rolle wurde Ahrens einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Der Stern nannte ihn den »AfD-Tiktok-Guru«, der Spiegel porträtierte ihn auf mehreren Seiten. »Erik Ahrens gilt als einer der Köpfe hinter dem AfD-Erfolg auf Tiktok«, hieß es dort: »Was macht er besser als die Berater aller anderen Parteien?«
Eine elitäre Organisation wie die SS aufbauen
Krah machte damals tatsächlich mit seinen Tiktok-Videos von sich reden. »Echte Männer sind rechts«, sagte er in einem bekannten Video. Hinzu kamen gestohlene Videos von jungen Frauen, die mit neuer Musik unterlegt wurden, um zu suggerieren, sie würden die AfD unterstützen. Später distanzierte sich die AfD von dieser Taktik, doch da waren die Europa- und Landtagswahlen schon gelaufen.
Zu der Zeit musste Ahrens wohl seine Tätigkeiten bei der AfD aufgeben. Er begann außerdem, ganz offen eine »Rassenlehre« zu vertreten, über »unsere Vorfahren, die Arier«, zu reden, und trat als Referent beim Think Tank Metapol auf, der von ehemaligen NPD-Kadern gegründet wurde.
Kurz darauf, im Herbst 2024, veröffentlichten Medien wie der Spiegel und der Standard gemeinsam mit der US-amerikanischen Nichtregierungsorganisation Hope Not Hate eine Recherche, die auf der heimlichen Teilnahme an zahlreichen internen Treffen und dort aufgenommen Videos basierte. Man sah darin Ahrens, wie er vor Gästen protzte, die er für potentielle Geldgeber hielt: Er wolle eine elitäre Organisation aufbauen, die er mit der SS verglich.
Er tue das alles »für die Rasse«, aber nicht wie »irgendwelche Versager« – man wolle wirklich mit einer »populistischen Bewegung rund um eine Person« die Macht übernehmen. Das habe es in Deutschland »seit 100 Jahren nicht« gegeben. Ahrens hatte auch eine Vorstellung, wer diese Person sein würde: Wahrscheinlich, so Ahrens, »muss ich das übernehmen«.
Ständig um Aufmerksamkeit ringen
Wer so tickt, muss ständig um Aufmerksamkeit ringen. Dabei half ihm, dass sein Content durchaus Unterhaltungswert besitzt. Er sprach selbst davon, »Deutschrap-Methoden« für das völkische Milieu nutzbar zu machen. Ganz in diesem Sinne begann er öffentliche Streite mit bekannten Rechtsextremen wie Götz Kubitschek, dem Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer oder dem AfD-Politiker Maximilian Krah.
Elsässer betitelte er wegen dessen Pro-Putin-Haltung als Volksverräter und bot an, brisante Informationen über ihn an die Ukraine zu übergeben, Kubitschek warf er außereheliche Affären vor, Martin Sellner unterstellte er unterdrückte homosexuelle Neigungen und Maximilian Krah Russlandhörigkeit und Kokainkonsum.
Nicht ohne Grund sprechen viele, die ihn schon länger verfolgen, bei seinen Kehrtwenden von »Staffeln«, als handele es sich um eine Fernsehserie. Dabei macht Ahrens den Eindruck, einem Personentypus anzugehören, über den Detlev Claussen einst schrieb, »sie haben keine Beziehung zu irgendeiner Sache«, sondern »nur zu ihrer eigenen Schaustellerei«.
»Sexualität feministisch monetarisiert«
Anders ist auch die nächste Wendung in Ahrens’ Inszenierung kaum zu erklären: Ende vergangenen Jahres agitierte er noch gegen Pornographie und Masturbation und sprach von »Rasse als Fortpflanzungsgemeinschaft«, diesen Juli behauptete er dann, er sei »Manager« von Frauen bei der Porno-Plattform Onlyfans geworden. Mit Prostitution habe das aber nichts zu tun, stattdessen werde dabei »Sexualität feministisch monetarisiert«.
Im Spätsommer dieses Jahres schließlich verkündete Ahrens seinen Abschied vom rechtsextremen Gedankengut. Er wolle »diesen ganzen Mist« hinter sich lassen. Er wisse, »wie man Aufmerksamkeit kommandiert und wie man Kriege führt«, nun wolle er einen »letzten Krieg« führen: gegen die »AfD, die IB und ihren 90-IQ-Think-Tank in Schnellroda«.
Dies ging mit umfangreichen Pressegesprächen einher, eines davon führte er mit der Medienplattform Correctiv. Diese hatte über ein »Geheimtreffen« in Potsdam im Jahr 2023 berichtet, bei dem Sellner seine Pläne für die »Remigration« erklärt haben soll.
Ahrens auf dem Potsdamer »Geheimtreffen« und Sellners Remigrationskonzept
Ahrens war ebenfalls dort. Im August gab Ahrens eine eidesstattliche Erklärung ab, in der er die Inhalte der Correctiv-Recherche bestätigte. Ahrens schrieb darin, dass Sellners Remigrationskonzept, an dem er selbst mitgearbeitet habe, »auf ethnische Säuberungen bzw. Vertreibungen« hinauslaufe.
In einem Interview mit der Weltwoche ging Ahrens noch weiter ins Detail. In Sellners Vortrag soll die Rede von einem Musterstaat für Asylbewerber:innen in Nordafrika die Rede gewesen sein, in dem es Gelegenheit zu »Ausbildung und Sport« gebe. Ahrens zufolge sei dies eine Bezugnahme auf den historischen Nationalsozialismus und die unter Rechtsextremen kolportierte Behauptung, es habe in den Konzentrationslagern auch Freibäder gegeben.
In einem Podcast des »Zentrums für politische Schönheit« konnte Ahrens ausbreiten, dass Maximilian Krah kokse und mit Prostituierten verkehre und Götz Kubitscheks IQ aus genetischen Gründen nicht ausreiche, um zu verstehen, warum die AfD nur mit »Rassentheorie« Erfolg haben könne.
In diesem Interview erzählte Ahrens auch, dass er Social-Media-Reels für den ehemaligen Verfassungschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen produziert habe. Daraufhin forderte der Bundesvorstand der Kleinpartei Werteunion, deren Vorsitzender Maaßen damals war, diesen zum Rücktritt auf. Maaßen trat im Oktober aus der Partei aus.
Das »Zentrum für politische Schönheit«, das sich als antifaschistisches Kunstprojekt versteht, lud Ahrens kürzlich zu einem zweieinhalbstündigen einfühlsamen Podcast-Gespräch ein. Dort konnte Ahrens ausbreiten, dass Maximilian Krah kokse und mit Prostituierten verkehre und Götz Kubitscheks IQ aus genetischen Gründen nicht ausreiche, um zu verstehen, warum die AfD nur mit »Rassentheorie« Erfolg haben könne. Inzwischen fordert Ahrens ein Verbot der AfD, deren Funktionäre sollten ins Gefängnis kommen. Wie glaubhaft diese Volte ist, lässt sich kaum feststellen. Die nächste Staffel kommt bestimmt.