Die Hamas triumphiert
Ghazi Hamad war ernsthaft erstaunt: »Wer hätte gedacht, dass der Ministerpräsident des Besatzerstaats vom Internationalen Strafgerichtshof gesucht werden würde?«, fragte das in Katar lebende Mitglied des Hamas-Politbüros Anfang August im Fernsehsender al-Jazeera. »Die ganze Welt handelt jetzt gegen Israel«, das Land werde des »Genozids und der ethnischen Säuberungen bezichtigt«.
Hamad hat allen Grund, erstaunt zu sein, ist es doch seine Organisation, die die Juden ausrotten und aus dem Nahen Osten vertreiben will. Dass nunmehr selbst Länder wie Frankreich und Großbritannien einen fiktiven »Staat Palästina« anerkennen wollen, führt er auf das Massaker des 7. Oktober zurück. An diesem Tag, so Hamad, »begann der Countdown für den Zusammenbruch des Besatzerstaats.« Doch auch in anderer Hinsicht haben der Terrorist Hamad und seine noch lebenden Mittäter derzeit gut lachen.
Auf globaler Bühne und mit täglich sich steigernder Intensität führten Regierungen, Medien und Hilfsorganisationen Israel als mordlüsternen Paria-Staat vor, ohne dass die Regierung Netanyahu dem wirksam entgegenzutreten in der Lage war.
So war es ihnen gelungen, die israelische Regierung in ein public relations-Desaster zu stürzen. Diese glaubte im März dieses Jahres offenbar, die Hamas mittels einer Blockade von Hilfslieferungen unter Druck setzen zu können. Da hatte sie aber die Skrupellosigkeit der Hamas unterschätzt sowie deren Fähigkeit, das von ihr mutwillig herbeigeführte immense Leid der Zivilbevölkerung gegen Israel zu wenden.
Ihr Propagandakrieg stützte sich auf Bilder aus dem Gaza-Streifen, auf denen man nur das sah, was die Hamas zeigen wollte. Die Kampagne gipfelte in der abwegigen Behauptung, Israel wolle möglichst viele Einwohner des Gaza-Streifens dem Hungertod preisgeben und die um Lebensmittel flehenden Menschen töten.
Später erst räumten die Vereinten Nationen ein, dass im Juni und Juli etwa 90 Prozent der Lebensmitteltransporte von der Hamas und anderen Banden abgefangen wurden. Nun erst wurden auch einige der aufwühlendsten Fotos von angeblich verhungernden Kindern als Fälschungen entlarvt. Auf globaler Bühne und mit täglich sich steigernder Intensität führten Regierungen, Medien und Hilfsorganisationen Israel als mordlüsternen Paria-Staat vor, ohne dass die Regierung Netanyahu dem wirksam entgegenzutreten in der Lage war.
Israel wurde international isoliert, isolierte sich aber auch selbst
Als die Arabische Liga im Juli 2025 erstmals die Entwaffnung der Hamas und ein Ende ihrer Herrschaft im Gaza-Streifen forderte, ließ die israelische Regierung diese außenpolitische Vorlage ungenutzt. Israel wurde international isoliert, isolierte sich aber auch selbst. Je schwächer die Position Israels erschien, desto fordernder trat die Hamas bei den Verhandlungen über die Befreiung der Geiseln auf.
Die Terrortruppe kann auch deshalb frohlocken, weil sie in Gaza-Stadt nach fast zwei Jahren Krieg noch immer an der Macht und in der Lage ist, »Kollaborateure« und Lebensmitteldiebe hinzurichten, die Verteilung von Hilfsgütern zu manipulieren, Steuern einzutreiben, Geiseln zu halten und Israel mit Raketen anzugreifen. Denn in dieser Großstadt schreckten die israelischen Streitkräfte mit Rücksicht auf die hier vermuteten Geiseln vor Kampfeinsätzen zurück.
Das will die Regierung Netanyahu nun ändern. Ihr Sicherheitskabinett beschloss am 7. August fünf Prinzipien für die Beendigung des Kriegs: Entwaffnung der Hamas, Befreiung aller Geiseln, Entmilitarisierung des Gaza-Streifens, vorübergehende israelische Sicherheitskontrolle sowie Etablierung einer »alternativen Zivilverwaltung« ohne Verbindung zur Hamas oder zur Palästinensischen Autonomiebehörde.
Beifall aus Teheran für Friedrich Merz
Umstritten ist besonders die »israelische Sicherheitskontrolle«, da sie die Entmachtung der Hamas und damit eine Eskalation der Kämpfe in Gaza-Stadt erfordert. Deshalb untersagte die deutsche Bundesregierung mit Verweis auf eben diesen Punkt den Export deutscher Waffen nach Israel, die im Gaza-Streifen zum Einsatz kommen könnten.
»Die Entwaffnung der Hamas ist unerlässlich«, betont zwar die Erklärung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), doch hat die Entwaffnung Israels für ihn offenkundig Priorität. Das Regime in Teheran zollte Beifall.
In Israel ist es besonders die Sorge um das Schicksal der noch lebenden Geiseln, die Millionen auf die Straßen treibt, um Netanyahus Offensive auf Gaza-Stadt zu verhindern. Diese Bewegung pocht auf das ethische Prinzip der Solidarität und auf den für die Moral der Streitkräfte wichtigen Grundsatz, keinen Israeli in Feindeshand zurückzulassen.
Die übrig gebliebenen Hamas-Kader freuen sich über die Spaltung der israelischen Gesellschaft in zwei Lager, die immer weiter auseinanderdriften.
Ihr Protest richtet sich gleichzeitig gegen Netanyahu, in dessen Kabinett mit Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich Personen sitzen, die aufgrund ihrer rassistischen Positionen nie ein Regierungsamt hätten bekleiden dürfen, die aber den Ministerpräsidenten mit der Drohung, die Regierung platzen zu lassen, erpressen und vor sich hertreiben können. Die übrig gebliebenen Hamas-Kader freuen sich ganz besonders über die Spaltung der israelischen Gesellschaft in zwei Lager, die immer weiter auseinanderdriften.
Israel hat es derzeit also mit einer zweifachen Krise zu tun: der außenpolitischen Isolation und der innenpolitischen Spaltung. Ob unter diesen Umständen der für den 7. Oktober angekündigte Angriff auf Gaza-Stadt Erfolge verspricht, sei dahingestellt. Man wünscht dem Land eine Atempause. Diese aber wird und kann es angesichts des Zustands der noch lebenden Geiseln nicht geben. Immerhin hat bereits die Ankündigung der neuen Offensive die Hamas dazu bewogen, sich verhandlungsbereiter zu zeigen.