20.03.2025
Die Einlassungen des BND zur sogenannten Laborthese sind windig

Im Geheimen forschen

Der Bundesnachrichtendienst soll über Erkenntnisse verfügen, die nahelegen, dass die Covid-19-Pandemie auf einen Laborunfall in Wuhan zurückgeht. Die Erforschung von Viren sollte man allerdings besser Wissenschaftlern überlassen.

Wenn ein Geheimdienst forscht, dann ist das geheim, wie schon der Name verrät. Irgendwann wird das Projekt bekannt und rückblickend noch geheimer, weil das die Spannung erhöht. Am 12. März enthüllten die Süddeutsche Zeitung und Die Zeit allergeheimste Aktivitäten. Demnach interessierte sich der Bundesnachrichtendienst (BND) für die Covid-19-Pandemie schon bald nach ihrem Ausbruch.

Woher kommt eigentlich diese Seuche, fragte sich der Dienst Anfang 2020. Schnell wurden die Schlapphüte fündig. In den Niederungen des Internets schürften sie wissenschaftliche Daten und angefangene Doktorarbeiten chinesischen Ursprungs. Sie waren auf Veranlassung der Volksrepublik gelöscht worden, nachdem Virologie, Mikrobiologie und Epidemiologie von politischen Stammtischen zum Schlachtfeld erklärt worden waren.

Gute Virologie-Kenntnisse

Jedoch ist es, wie jeder Geheimdienst, aber auch jeder Google-Nutzer weiß, nahezu unmöglich, Daten, die einmal ins Netz geraten sind, dauerhaft zu löschen. Der BND fand seinen Verdacht bestätigt, dass die Chinesen etwas zu verbergen hatten. Aus den streng geheimen Daten las er heraus, dass chinesische Wissenschaftler schon sehr früh außergewöhnlich gute Kenntnisse über das neue Virus hatten.

Diese international beachtliche Position kann man darauf zurückführen, dass die Virologie des Landes aufgrund leidvoller Erfahrungen mit verschiedenen Epidemien relativ fortgeschritten ist. Der BND fand eine andere Erklärung: Leute, die ein Virus in gentechnischen Labors selbst entwickelt haben, kennen sich dann auch ziemlich gut damit aus.

Diese sogenannte Laborthese ist praktisch so alt wie die Pandemie selbst. Sie fußt darauf, dass es in Wuhan, dem Ausbruchsort von Covid-19, ein Institut für Virologie gibt (WIV), in dem wie auch andernorts gefährliche Experimente mit Viren angestellt wurden. Vielleicht sei dabei ein Unfall passiert, so dass ein Coronavirus entweichen konnte, das in den Experimenten so präpariert wurde, dass es sich in menschlichen Wirten festsetzen kann.

Eine bloße Hypothese wäre im Papierkorb gelandet

Ausgeschlossen ist das nicht. Aber mehr als ein Verdacht ist es eben auch nicht. Deswegen haben renommierte Wissenschaftler:in­nen in einer Vielzahl von Stellungnahmen betont, dass auch diese Hypothese untersucht werden müsse, wenngleich eine Übertragung des Virus von Fledermäusen auf Menschen, möglicherweise über den Umweg von tierischen Zwischenwirten, wahrscheinlicher sei.

Hätte sich der BND dieser Sichtweise, die auch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geteilt wird, angeschlossen, wären seine Nachforschungen umstandslos im Papierkorb gelandet. Zu oft ist das Thema schon durchdekliniert worden. Doch der Dienst war sich »zu 80 bis 95 Prozent sicher«, dass die Laborthese richtig sei.

Das ist die Sensation, und der Skandal, auf den viele Zeitgenossen gewartet haben, folgt sogleich. Das hat die Regierung fünf Jahre lang unter der Decke gehalten! Wer wusste davon? Die ehemalige Bundeskanzlerin? Der scheidende Bundeskanzler?

Ohne jede Ironie schreiben die journalistischen Haudegen von Süddeutsche und Zeit, der BND habe sich 2020 angeschickt, »das größte naturwissenschaftliche Rätsel der damaligen Zeit« zu lösen. Und keiner lacht?

Wenn Geheimdienste forschen, handelt es sich um Auftragsarbeit. Zumindest in den USA darf man sich das so vorstellen: Das Weiße Haus setzte im Jahr 2020 die US-Geheimdienste unter Druck, endlich schockierende Enthüllungen über das WIV zu liefern. Präsident Donald Trump, damals in erster Amtszeit, bezeichnete Covid-19 als einen Angriff Chinas auf die Vereinigten Staaten.

Populistische Hirngespinste solcher Qualität können überaus erfolgreich sein, wie man spätestens heute weiß. Noch besser verkaufen sie sich, wenn man sich dabei auf sichere Tatsachen berufen kann, die aus Gründen der Geheimhaltung leider unter Verschluss bleiben müssten. Irgendwie kam denn auch das BND-Projekt mit dem Namen »Saaremaa«, benannt nach einer Insel Estlands in Rollen.

Wenn Geheimdienste forschen, ist es, um eine bekannte Metapher zu gebrauchen, für die Wissenschaft höchste Zeit, eine Brandmauer zu errichten. Ohne jede Ironie schreiben die journalistischen Haudegen von Süddeutsche und Zeit, der BND habe sich 2020 angeschickt, »das größte naturwissenschaftliche Rätsel der damaligen Zeit« zu lösen. Und keiner lacht? Niemand will Christian Drosten oder anderen Virologen, die jetzt hinzugezogen werden, um die Resultate des BND zu prüfen, vorschreiben, wie sie ihren Beruf ausüben. Bedenken sollten sie allerdings, dass der Abstieg auf das Niveau des Boulevards einen Vertrauensverlust nach sich zieht.