13.03.2025
Verliebtsein unterminiert die Arbeitsmoral

Zu viel Gefühl

Wer zu viel fühlt, sabotiert seine eigene Arbeitskraft. Wer also als Arbeitgeber will, dass seine Angestellten motiviert bei der Sache sind, sollte alles Gefühlige möglichst verhindern.

Nicht die Gewerkschaften, nicht die Roboter, nicht der Alkohol und auch nicht die Anarchisten sind die größten Feinde der Lohnarbeit. Nein. Es ist viel profaner. Wer zu viel fühlt, sabotiert seine eigene Arbeitskraft. Das hat sich die Natur ganz clever ausgedacht. Beim Verliebtsein springt, anders als beispielsweise beim Aktensortieren, das Belohnungssystem in unserem Gehirn an. Gleichzeitig fahren bei den Verliebten aber auch manche Areale ihre Tätigkeit nach unten, etwa der präfrontale Cortex. Der ist eigentlich für rationale Entscheidungen wichtig. Das Zusammenspiel der Hormone Oxytocin und Dopamin macht schließlich komplett mürbe.

Was ist schon eine Redaktionssitzung gegen ein Glas Spritz am Nachmittag; was das Montagsmeeting gegen ein verlängertes Wochenende in der Uckermark?

Der neurochemische Cocktail knallt ins Hirn, draußen scheint die Sonne und dir ist es plötzlich scheißegal, ob sich die Arbeit auf deinem Schreibtisch türmt oder nicht. In der Kaffeeküche wiegst du rhythmisch deine Hüften, während du an die letzte Nacht denkst und hoffst, dass dich niemand hat leise seufzen hören. Alberne Chatnachrichten mit Herzchen und kleinen Smileys werden getauscht und den Rest des Arbeitstags guckt man blöde grinsend aus dem Fenster.

So unangenehm dieser Zustand für emotional unbeteiligte Mitmenschen ist, so vernichtend ist er für die Lohnarbeit. Schließlich ist der verliebte Mensch nicht nur abgelenkt, er hat auch seine Prioritäten völlig verschoben. Was ist schon eine Redaktionssitzung gegen ein Glas Spritz am Nachmittag; was das Montagsmeeting gegen ein verlängertes Wochenende in der Uckermark? Ein konzentriertes und fokussiertes Arbeiten ist jedenfalls schon deswegen nicht mehr möglich, weil die Gedanken ständig und obsessiv abschweifen. Die Hormone machen einen verrückt. Den Verstand klar zu gebrauchen, scheint kaum noch möglich.

Fünf Tage Emo-Ferien pro Jahr in nächsten Tarifvertrag

Wie auf Droge! Umgekehrt kann übrigens auch Liebeskummer hormonelle Entzugserscheinungen hervorrufen, was für die Verwertung der Arbeitskraft ebenso schädlich ist. Statt zu arbeiten, muss man dann melancholische Lieder hören, alte Fotos vom Handy löschen und alle Nase lang auf die Toilette rennen, um nicht vor den Kolleg:innen zu heulen.

Wer also als Arbeitgeber will, dass seine Angestellten motiviert bei der Sache sind, sollte alles Gefühlige möglichst verhindern und auf harmonische Langzeitbeziehungen hoffen. Denn wenn die Beziehung länger dauert, gewöhnt sich der Körper an die Rauschzustände – die Euphorie und die Verpeiltheit nehmen wieder ab. Oder man verhandelt im nächsten Tarifvertrag neben der Lohnerhöhung noch fünf Tage Emo-Ferien pro Jahr. Die darf man dann als einzelne Tage nehmen oder ansparen für die ganz ganz große Liebe!