»Geprägt durch die Stahlhelm-CDU«
Wie ist der derzeitige Stand in der Auseinandersetzung um die Treitschkestraße?
Vor zwei Jahren hat die Zählgemeinschaft aus SPD, Grünen und FDP beschlossen, die Treitschkestraße umzubenennen. Vor einem halben Jahr ging es an die Umsetzung. Es gab einen Informationsbrief an die Anwohner, diese konnten Vorschläge für einen neuen Namen unterbreiten. Darüber diskutierte im Dezember der Kulturausschuss des Bezirkes. Dabei boykottierte die CDU die Abstimmung: Erst hatten die CDU-Mitglieder eine Vertagung gefordert, doch als das nicht klappte, stimmten sie bei der Abstimmung nicht ab, weder mit »Ja« noch mit »Nein« oder »Enthaltung«.
Wie ging es dann weiter?
Anschließend verschickte Claudia Wein, die für Steglitz als Direktkandidatin für die CDU im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt, Briefe an die Anwohner der Treitschkestraße, in denen sie behauptete, der Bezirk würde mit der Umbenennung an den Bürgern vorbei agieren. Außerdem seien Treitschkes »Ansichten« und seine »Rolle in der Geschichte« lediglich »umstritten«. Das Wort »Antisemitismus« kam in ihrem Brief nicht vor.
»Wir hatten Sigmount Königsberg von der jüdischen Gemeinde und Felix Klein, den Antisemitismusbeauftragen der Bundesregierung, als Experten eingeladen. Beide haben deutlich gemacht, dass der Satz ›Die Juden sind unser Unglück‹ untrennbar mit Treitschke verbunden ist und eine bewusste Beibehaltung des Straßennamens eine Legitimation des verbreiteten Alltagsantisemitismus darstelle.«
Die CDU sorgte dafür, dass das Thema Mitte vergangener Woche noch einmal im Kulturausschuss besprochen werden musste. Wie lief die Sitzung?
Wir hatten Sigmount Königsberg von der jüdischen Gemeinde und Dr. Felix Klein, den Antisemitismusbeauftragen der Bundesregierung, als Experten eingeladen. Beide haben deutlich gemacht, dass der Satz »Die Juden sind unser Unglück« untrennbar mit Treitschke verbunden ist und eine bewusste Beibehaltung des Straßennamens eine Legitimation des verbreiteten Alltagsantisemitismus darstelle.
Die Grünen haben 2007 allerdings selbst gegen die Umbenennung der Straße gestimmt. Warum?
Die damalige Fraktion befand sich in einer Koalition mit der CDU. Die CDU war bereit, an der Frage der Umbenennung die Koalition platzen zu lassen, so verstehe ich die damalige Situation. Da haben die Grünen beschlossen, anderen Themen Priorität einzuräumen und sich vorerst mit der Benennung einer Grünanlage an der Straße nach Harry Breslau, der im 19. Jahrhundert Treitschkes antisemitischen Thesen widersprochen hatte, und einer Kontextualisierung durch eine Informationsstelle zufriedenzugeben.
Warum stemmt sich die CDU so vehement gegen die Umbenennung?
Die CDU bei uns im Bezirk hat die Erneuerungen unter Merkel nicht mitgemacht. Der Bezirksverband ist hier noch sehr durch die alte Westberliner Stahlhelm-CDU geprägt, neben der es rechts nur die Wand geben sollte. Für die ist das Vorhaben, den Straßennamen zu ändern, wohl ein Beispiel für linksgrüne Umbenennungsideologie. Warum sie so an Treitschke hängen, kann mir auch keiner erklären, es ist wirklich nicht mehr nachzuvollziehen. Das ist aus meiner Sicht einfach ideologische Borniertheit.
»Wenn es gut läuft in einem Jahr, im schlechtesten Fall in zwei bis drei Jahren sollte die Umbenennung umgesetzt sein.«
Wie geht es weiter?
Am 22. Januar stimmt die Bezirksverordnetenversammlung ab – die Mehrheit für die Umbenennung steht. Dann muss noch das Bezirksamt die Umbenennung beschließen. Nach der Veröffentlichung im Amtsblatt läuft eine Widerspruchsfrist. Wenn Bürger klagen, gibt es noch ein juristisches Verfahren. Wenn es gut läuft in einem Jahr, im schlechtesten Fall in zwei bis drei Jahren sollte dann die Umbenennung umgesetzt sein.
Wie soll die Straße denn in Zukunft heißen?
Wir haben beschlossen, die Straße nach Betty Katz zu benennen. Sie war Pädagogin, Direktorin des Jüdischen Blindenheims in Steglitz und wurde im Holocaust ermordet. Eine Frau, Jüdin, mit dem Stadtbezirk verbunden – das ist ein sehr passender Name. Gerade für eine Straße, in der sich eine Schule befindet.
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