Bruder Andrew gegen die Satanisten
Der rechtsextreme und misogyne britisch-amerikanische Influencer Andrew Tate möchte britischer Premierminister werden. Er befindet sich zwar in Rumänien, wo er sich weiterhin vor Gericht wegen Menschenhandels verantworten muss, hat aber dessen ungeachtet Ambitionen auf das höchste Amt seines – neben seinem Geburtsland USA – zweiten Herkunftsstaats. Am 6. Januar kündigte Tate auf X an, die Partei Bruv zu gründen, was für »Britain Restoring Underlying Values« (Großbritannien stellt grundlegende Werte wieder her) steht. »Bruv« ist gleichzeitig englischer Slang für »Bro« (Bruder).
In dem Video sagte Tate, dass die Regierung des Vereinigten Königreichs von Satanisten »gehijackt« worden sei, die keinerlei Interesse an den Leuten hätten, für die sie arbeiten sollten. Bereits innerhalb von 24 Stunden nach dieser Ankündigung wurde ihr X-Account vorübergehend suspendiert – womöglich, weil die Partei klar menschenverachtende, und wohl auch rechtsextreme Positionen vertritt. Elon Musk, der Eigentümer von X, der die Parteigründung unterstützt, ließ den Account jedoch zügig wieder freischalten.
An einigen Punkten wird deutlich, dass Tate plant, Politik über die Medien – auch die sozialen – zu betreiben: Er verspricht unter anderem ein hartes Durchgreifen gegen Kriminalität und möchte dabei unter anderem das Problem von Messergewalt prioritär behandeln. Deshalb solle ein neuer Sender namens BBC Punishment gegründet werden, auf dem rund um die Uhr ein Livestream aus den Gefängniszellen straffälliger Jugendlicher in Einzelhaft läuft, um potentielle Täter abzuschrecken.
Tate fordert, dass lediglich zehn Prozent der Bevölkerung »nichtbritisch« sein dürfen, um »kulturelle Ausgewogenheit« zu gewährleisten.
Allerdings will Tate die Gelder für den öffentlich-rechtlichen Sender generell kürzen. Das Sendeprogramm würde unter einem Premierminister Tate komplett umgekrempelt, die BBC solle zukünftig ihre Themen von X beziehen. Nach Vorbild der vom zukünftigen US-Präsidenten Donald Trump angekündigten Effizienzkommission Doge unter Co-Leitung von Musk möchte Tate in Großbritannien außerdem ein Department of Assistance & Development of Domestic Youth, kurz Daddy, gründen.
Mit dem Schwerpunkt auf »Heimat« und »Werte« ähnelt Bruv anderen rechten Parteien. Einwanderung hält Tate für ein großes Problem. Besonders die Fahrt von Booten mit Einwanderern über den Ärmelkanal möchte er durch den Einsatz der Royal Navy unterbinden. »Es besteht keine Verpflichtung, dich von einem Boot zu retten, egal, wie schwer die See ist«, schrieb Tate auf X.
In Seenot geratene Menschen ertrinken lassen
Die Forderung, in Seenot geratene Menschen ertrinken zu lassen, wenn sie keinen britischen Pass besitzen, ist in der britischen Rechten weitverbreitet. Auch Nigel Farage, der Vorsitzende der rechtspopulistischen Partei Reform UK, findet, dass Migranten nicht gerettet werden sollten, wenn ihre Boote kentern. Er hatte die Royal National Lifeboat Institution, eine unabhängige, spendenfinanzierte Seenotrettungsorganisation, als »Taxi-Service« bezeichnet. Reform UK setzt sich für eine kontrollierte Form von Einwanderung ein und würde einer Umfrage zufolge bei Neuwahlen 72 Sitze im Unterhaus gewinnen. Derzeit stellt sie fünf Abgeordnete.
Tate geht weiter als Reform UK in Richtung einer Blut-und-Boden-Ideologie. Er sieht vor, dass lediglich zehn Prozent der Bevölkerung »nichtbritisch« sein dürfen, um »kulturelle Ausgewogenheit« zu gewährleisten. Illegal Eingewanderte würden ohne Gerichtsverfahren abgeschoben.
Tates Vorstellung der Wiederherstellung britischer Werte soll außerdem für alle sichtbar sein: Öffentliche Orte sollen sich »britisch anfühlen«, mit traditioneller Architektur, Flaggen und Beschilderung, moderne Kunstwerke sollen durch Kriegsdenkmäler ersetzt werden. Jegliche Entwicklungshilfe und jede Form von Unterstützung für die Ukraine sollen eingestellt werden, ebenso wie, in Tates Worten, »LGBTQ+ Propaganda« in Schulen. Mit den Geldern soll stattdessen die nach Tates Ansicht vernachlässigte britische Infrastruktur verbessert werden.
Musk bezeichnete Farage als Fehlbesetzung
Tates Parteigründung kommt, kurz nachdem Musk Farage als Falschbesetzung für den Parteivorsitz von Reform UK bezeichnet hatte. Musk mischt sich derzeit stark in die internationale Politik ein und unterstützt dabei auch britische Rechtspopulisten und Rechtsextreme. So forderte er auf X die Freilassung des verurteilten Rechtsextremen Stephen Yaxley-Lennon, bekannt als Tommy Robinson, der eine Haftstrafe absitzt.
Auch nutzte Musk den sogenannten grooming gang scandal, um Vorwürfe gegen Premierminister Keir Starmer zu erheben. Von 2008 bis in die frühen zehner Jahre gab es zahlreiche Fälle von überwiegend pakistanisch-muslimischen Männerbanden, die in englischen Kleinstädten Mädchen aus armen Familien missbraucht, unter Drogen gesetzt und vergewaltigt hatten.
Ein Untersuchungsbericht von 2014 gab zahlreiche Empfehlungen für einen verbesserten Schutz potentieller Opfer, die von der damaligen konservativen Regierung nicht verwirklicht wurden.
Als skandalös wurde nach der Aufdeckung empfunden, dass vielen der Mädchen jahrelang nicht geglaubt wurde, wenn sie sich an die Polizei wendeten. Ermittlungen unterblieben, da sie als Zeuginnen als »unzuverlässig« galten. Starmer war von 2008 bis 2013 Leiter des Crown Prosecution Service, der für die Strafverfolgung in England und Wales zuständig ist.
Dies nutzte Musk als Angriffspunkt, verzerrt dabei allerdings die Tatsachen. Er sprach von »Hunderttausenden Mädchen«, welche Opfer zielgerichteter Angriffe geworden seien. Tatsächlich ergab eine unabhängige Untersuchung, dass die Zahl der Opfer zwischen 4.000 und 7.000 lag. Ein Untersuchungsbericht von 2014 gab zahlreiche Empfehlungen für einen verbesserten Schutz potentieller Opfer, die von der damaligen konservativen Regierung nicht verwirklicht wurden.
Tate bräuchte die Stimmen von 326 Unterhausabgeordneten, um tatsächlich britischer Premierminister zu werden. Derzeit ist Bruv jedoch noch nicht einmal offiziell bei der Wahlkommission registriert.