Der Hexenbemeisterer
Im Armenviertel von Haitis Hauptstadt Port-au-Prince, der Cité Soleil, kam es am 6. und 7. Dezember, vermutlich im Auftrag des Bandenchefs Micanor Altes, zu einem Blutbad. 184 ältere Männer und Frauen wurden von Mitgliedern der nach der gleichnamigen besonders verwahrlosten Gegend Wharf Jérémie benannten Bande mit Macheten und Äxten massakriert.
Zuvor habe Altes einen Voodoo-Priester besucht, der für die tödliche Krankheit von Altes’ Kind Hexenpraktiken älterer Menschen aus der Umgebung verantwortlich gemacht habe, so berichtet es das Nationales Netzwerk zur Verteidigung der Menschenrechte (RNDDH) in Haiti. Nachdem der Fall durch die Medien publik geworden war, soll Altes, auch unter den Pseudonymen Wa Mikanò und Monel Félix bekannt, Anfang voriger Woche seine Bandenmitglieder gleich noch mit einem zweiten Massaker beauftragt haben: Der unabhängigen Medienplattform Ayibopost zufolge wurden 50 weitere Menschen aus Rache für die an die Presse weitergegebenen Informationen über das erste Massaker getötet.
Die Elendsverwaltung haben vorrangig Banden übernommen; Haitis Hauptstadt Port-au-Prince soll sich mittlerweile zu rund 80 Prozent unter der Kontrolle rivalisierender Banden befinden
Der Voodoo-Kult ist in Haiti eine offiziell anerkannte Religion, die ursprünglich mit den westafrikanischen Sklaven die damals französische Kolonie erreichte. Im Laufe der Kolonialzeit wurde sie in die christliche Religion integriert. Einer Legende zufolge soll auch der Beginn des Sklavenaufstands 1791 bei Bois Caïman mit einer Voodoo-Zeremonie eingeleitet worden sein. Zugleich stand der bewaffnete Kampf der Sklaven klar im Zeichen der französische Aufklärung und führte schließlich mit der Gründung der Republik Haiti im Jahr 1804 zur erfolgreichen Selbstbefreiung.
Derzeit hört man aus Haiti fast nur Nachrichten über eskalierende Bandengewalt. Das Land ist das ärmste der westlichen Hemisphäre. Dem Segen des Weltmarkts ist zu verdanken, dass das Agrarland nach Öffnung der Märkte Mitte der 90er Jahre nicht mehr konkurrenzfähig war, US-amerikanischer Reis ruinierte die heimische Landwirtschaft und schnitt somit große Teile der Landbevölkerung von der Versorgung mit diesem Grundnahrungsmittel ab.
Und an Vernutzung der haitianischen Arbeiterschaft hat das Kapital kein Interesse. Die Elendsverwaltung haben vorrangig Banden übernommen; Haitis Hauptstadt Port-au-Prince soll sich mittlerweile zu rund 80 Prozent unter der Kontrolle rivalisierender Banden befinden. Nach UN-Angaben kamen allein 2024 über 5.000 Menschen infolge von Bandengewalt um.